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LATEINAMERIKA/1183: Ecuador - Regionale Menschenrechtskommission akzeptiert Klage gegen Kolumbien (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. November 2010

Ecuador: Regionale Menschenrechtskommission akzeptiert Klage gegen Kolumbien

Von Gonzalo Ortiz


Quito, 10. November (IPS) - Die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) hat eine Klage Ecuadors gegen Kolumbien wegen des gewaltsamen Todes des ecuadorianischen Staatsbürgers Franklin Aisalla zugelassen. Die Entscheidung ist von historischer Bedeutung, da die CIDH, eine Instanz der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS), erstmals die Petition eines Landes gegen ein anderes angenommen hat.

Aisalla war zusammen mit 24 weiteren Personen im Zuge einer ungenehmigten Militärintervention der kolumbianischen Streitkräfte am 1. März 2008 auf ein Lager der kolumbianischen FARC-Guerilla nahe der ecuadorianischen Grenzstadt Angostura getötet worden. Unter den Opfern befanden sich zudem vier Mexikaner, kolumbianische Rebellen und Raúl Reyes, ein Mitglied der FARC-Führungsspitze.

Die damalige kolumbianische Regierung des rechten Präsidenten Álvaro Uribe hatte das FARC-Dschungellager auf ecuadorianischem Territorium ohne Rücksprache mit der Regierung des linken Staatschefs Rafael Correa angegriffen. Die Regierung in Quito wirft Kolumbien vor, Aisalla extralegal hingerichtet und damit gegen dessen Recht auf Leben verstoßen zu haben.


Beifall von Menschenrechtlern

Kolumbianische Menschenrechtsorganisationen begrüßen die Entscheidung Ecuadors, in dieser Frage den Rechtsweg eingeschlagen zu haben. Es sei richtig, das Problem zu lösen, das zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen geführt habe, meinte Eduardo Carreño vom kolumbianischen Anwaltskollektiv Alvear Restrepo, das bisweilen selbst Menschenrechtsverletzungen vor die CIDH bringt. Der Konflikt müsse auf jeden Fall juristisch und friedlich gelöst und die Empfehlungen der CIDH befolgt werden.

Seit geraumer Zeit sind beide Länder um eine Normalisierung der Beziehungen bemüht. Auch wenn bisher keine Botschafter ins jeweilige Nachbarland entsandt wurden, so [haben] die Staaten inzwischen immerhin wieder Geschäftsträger vertreten. Die vollständige Aufnahme der diplomatischen Beziehungen macht Ecuador davon abhängig, ob Kolumbien die Informationen bereitstellt, die Auskunft über die Hintergründe der umstrittenen Militärintervention geben.

Am 18. November will sich Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño mit seiner kolumbianischen Amtskollegin María Ángela Holguín treffen, um über "heikle Themen" zu sprechen. Erwartet wird, dass es dabei auch um den Fall Aisalla gehen wird. "Ausgerechnet jetzt, wo sich die Beziehungen beider Länder verbessern, kommt der CIDH-Beschluss. Er ist zwar wichtig, könnte aber bei dem Zusammentreffen der Außenminister für Unruhe sorgen", befürchtet Iñigo Salvador, Leiter des Forschungszentrums für Menschenrechte der Päpstlichen Katholischen Universität von Ecuador.

Auch wenn die OAS Kolumbien für die Militärintervention in Ecuador nicht verurteilt hat, beschuldigte sie das südamerikanische Land, gegen Territorialrecht verstoßen zu haben. Kolumbiens damaliger Staatschef Uribe (2002-2010) reagierte auf die Kritik mit einer öffentlichen Entschuldigung und versprach, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholen würde.

Nach der Zulassung der ecuadorianischen Klage sind beide Länder verpflichtet, Beweise anzubringen, die ihre jeweiligen Positionen erhärten. "Dass dies nun in aller Öffentlichkeit und auf internationaler Ebene erfolgt, scheint uns nur recht und billig, um sicherzustellen, dass sich ein solcher Vorfall tatsächlich nicht wiederholt", meinte der Jurist Carreño.


Streit um Todesursache

Nach Ansicht von Ecuador war Aisalla von den kolumbianischen Streitkräften lebend festgenommen und später hingerichtet worden. Bogotá bringt den Tod des Ecuadorianers mit Verletzungen durch den Bombenanschlag in Verbindung. Kolumbiens rechtsmedizinischem Institut zufolge hatten Bombensplitter in Schädel, Gehirn und Eingeweiden den Tod herbeigeführt.

Dass Kolumbien die Leiche Aisallas zunächst mit der des kolumbianischen Rebellen Julián Conrado und später mit der des Ecuadorianers Franklin Ponelia verwechselt hatte, hat das Misstrauen Ecuadors nur noch vergrößert. Nach Ansicht der Regierung in Quito sprechen auch die Schädelverletzungen dafür, dass Aisalla extralegal hingerichtet wurde. So heißt es in dem kriminalistischen Bericht der Polizei der Provinz Pichincha, in der auch Quito liegt, es gebe eine Schädelbruchstelle von einem Durchmesser von sechs bis acht Zentimeter am Hinterkopf und drei Verletzungen am Thorax, die darauf hindeuteten.

Die CIDH kann Empfehlungen unterbreiten. Wird der Fall jedoch weiterverfolgt, landet er vor dem Interamerikanischen Strafgerichtshof. "Ich persönlich wäre dafür, den Prozess nicht unnötig in die Länge und ziehen und vor den Gerichtshof zu bringen", meint der ecuadorianische Staatsanwalt Diego García, der die Klägerseite vertritt. Den kolumbianischen Vorwurf, Aisalla sei ein Guerrillero, der sich zum Zeitpunkt seines Todes im FARC-Lager aufgehalten habe, wies er entschieden zurück.

Ecuador gehe es um die Anerkennung der Tatsache, dass die kolumbianischen Streitkräfte im Rahmen ihrer Operation Phönix die Kontrolle über ein Gebiet auf ecuadorianischen Terrain übernommen und den Bürger Aisalla summarisch exekutiert habe, sagte García. Außerdem soll Kolumbien sich dazu verpflichten, nicht noch einmal in ecuadorianisches Territorium vorzudringen und die Eltern Aisallas entschädigen. (Ende/IPS/kb/2010)


Links:
http://www.colectivodeabogados.org/
http://cidh.org/annualrep/2010sp/EC-CO.PI-02ADM.SP.doc
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=96848


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2010