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LATEINAMERIKA/1272: Mexiko - Verbrechenshochburg statt Wirtschaftsmacht - Image stark beschädigt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Juni 2011

Mexiko: Verbrechenshochburg statt Wirtschaftsmacht - Image des Landes stark beschädigt

Von Kenya D'Almeida


Washington, 7. Juni (IPS) - Als 1994 das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) in Kraft trat, galt Mexiko als aufstrebende Wirtschaftsnation. Inzwischen macht das lateinamerikanische Land jedoch vor allem durch seine Kriminalstatistiken von sich reden.

Robert Newell vom Mexikanischen Institut für Wettbewerbsfähigkeit erklärte kürzlich auf einer Tagung in Washington, dass der internationale Ruf Mexikos bereits erheblich gelitten habe. Auf einem Index für Markenwahrnehmung, für den das Ranking von 200 Staaten untersucht wurde, kam das Land nur auf Platz 191.

"Aus der glänzenden wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte ist eine schauerliche Verbrechensgeschichte geworden", sagte Newell im 'Woodrow Wilson Center for International Scholars'. Straftaten sorgten für die meisten Schlagzeilen, während andere Aspekte weitgehend unterbelichtet blieben.

Newell sparte nicht mit Kritik an den Medien: Diese Sichtweise entspreche vielleicht der Realität, spiegele aber auch die Interessen von Zeitungsmogulen wie Rupert Murdoch wider, kritisierte er.

Doch nicht nur die Medien in den USA jagen nach Sensationen. Wie Untersuchungen in Mexiko ergaben, bezogen sich im April und Mai dieses Jahres mehr als die Hälfte aller Titel in der führenden mexikanischen Tageszeitung 'La Reforma' auf blutige Storys aus dem Milieu der Drogenkriminalität.


Zehntausende Tote im Anti-Drogen-Kampf

Politische Beobachter führen diesen Trend auf die starke Zunahme von Gewalt seitens staatlicher und nichtstaatlicher Akteure in dem Land zurück. Seit dem Wahlsieg von Präsident Felipe Calderón im Dezember 2006 hat sich die Sicherheitslage deutlich verschlimmert. In dem von Calderón mit US-Unterstützung vorangetriebenen Kampf gegen den Drogenhandel wurden bis Ende 2010 rund 36.000 Menschen getötet.

"Diese barbarische Gewalt wird weiterhin Schlagzeilen produzieren", meinte Adam Isaacson von der Menschenrechtsorganisation WOLA im Gespräch mit IPS. "Meiner Ansicht nach verdient ein Fund von hunderten Leichen in einem Massengrab sogar noch mehr Aufmerksamkeit, als dies bisher der Fall war."

Newell weist hingegen darauf hin, dass die Mordrate in Mexiko niedriger ist als beispielsweise in Brasilien. Zudem liege die Lebenserwartung in dem Land höher als Brasilien, China, Indien und Russland. Mexiko solle daher die Chance erhalten, sein internationales Image aufzubessern.

Um einen Schritt in diese Richtung zu tun, schlossen sich vor knapp zwei Monaten zahlreiche staatliche und unabhängige Medien in Mexiko in einer Initiative zusammen. Sie unterzeichneten ein freiwilliges Zehn-Punkte-Abkommen, um die Berichterstattung über den Anti-Drogenkampf untereinander abzustimmen.


Medien entwerfen Richtlinien

Im Rahmen der 'Mexiko-Initiative' wurden Richtlinien entworfen, die unter anderem eine Glorifizierung von Gewalt in der Berichterstattung verhindern, Manipulation der Medien durch die Drogenmafia vorbeugen und eine Verbreitung von Nachrichten, "die den Armee- und Polizeieinsätzen diametral zuwiderlaufen", unterbinden sollen.

Laura Carlsen vom Zentrum für Internationale Politik (CIP) in Mexiko-Stadt kritisierte jedoch, dass die Initiative Journalisten einen Maulkorb verpasse, um das internationale Ansehen des Landes zu steigern. "Die ehrliche Presse wird über das berichten, was auf der Straße passiert", erklärte sie. "Und eine ehrliche Regierung wird nicht versuchen, dies zu verhindern."

Beobachter zweifeln daran, dass sich die weltweite Wahrnehmung von Mexiko in absehbarer Zeit verändern wird. "Solange 10.000 Menschen im Jahr im Drogenkrieg sterben, wird die Presse jeden Tag viel über grausige Dinge zu berichten haben", meinte Isaacson.

Präsident Calderón wird verängstigte Touristen wohl kaum damit beruhigen können, dass die einzigen Schüsse, denen Urlauber ausgesetzt seien, "tequila shots" seien. Das US-Außenministerium hat seine Bürger unlängst vor Reisen in das Nachbarland gewarnt. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2011