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LATEINAMERIKA/1359: Mexiko - Frauen stellen mehr als ein Drittel des Parlaments (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Juli 2012

Mexiko: Frauen stellen mehr als ein Drittel des Parlaments - Historisches Wahlergebnis

von Anayeli García Martínez



Mexiko-Stadt, 13. Juli (IPS/Cimac*) - Nach den Parlamentswahlen Anfang Juli in Mexiko werden Frauen zum ersten Mal in der Geschichte des lateinamerikanischen Landes mehr als ein Drittel der Sitze in beiden Kammern des Parlaments halten. Möglich gemacht hat dies die gesetzlich eingeführte Frauenquote, nach der die im Parlament vertretenen Parteien 40 Prozent der Kandidaten- und Abgeordnetenplätze für Frauen reservieren müssen. Der Quote ist ein 20 Jahre währender Kampf für die Rechte der Frauen vorausgegangen.

Dem vorläufigen Wahlergebnis zufolge, das das Bundeswahlinstitut IFE veröffentlicht hat, wurden über die Wahllisten 91 Mexikanerinnen ins Abgeordnetenhaus gewählt und weitere 95 Frauen per Direktwahl bestimmt. Das bedeutet einen Anteil von 31,7 Prozent der Sitze und damit fast doppelt so viele wie bei der vorangegangenen Wahl im Jahr 2009, als die Frauen 52 Direktmandate (17,33 Prozent) errangen. Acht der Frauen traten damals jedoch kurz nach der Wahl zurück und überließen Männern ihren Sitz.

In der neuen Legislaturperiode, die am 1. September beginnt, könnten somit 186 der 500 Unterhaussitze von Frauen belegt werden. 35 Prozent der 128 Senatssitze könnten ebenfalls an die Frauen gehen.

Obwohl im Rahmen der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 1. Juli von Irregularitäten an den Wahlurnen ausgegangen wird, die der Partei der Institutionellen Revolution des nun gewählten Präsidenten Enrique Peña Nieto mehr Stimmen verschafft haben sollen, feiern die mexikanischen Frauen das für sie gute Wahlergebnis.


"Frauen treffen Entscheidungen für Frauen"

"Das ist ein historischer Erfolg", sagte Clara Scherer, Spezialistin für Geschlechterfragen und Mitglied von 'Suma' (Summe aller Teile), einem Projekt der UN-Frauenorganisation 'UN Women'. "Endlich werden mehr Frauen Entscheidungen auch für Frauen fällen. Wir gehen allerdings nicht davon aus, dass sich die Landespolitik von heute auf morgen ändern wird - so naiv sind wir nicht. Jeder weitere Millimeter voran wird uns mehr Kraft kosten als der vorherige."

Die Expertin wies außerdem darauf hin, dass das Ziel, 40 Prozent des Parlaments mit Frauen zu besetzen, nicht erreicht werden konnte. Die Quote geht auf eine erfolgreiche Klage von Aktivistinnen aus dem vergangenen Jahr vor dem Wahltribunal der Judikative (TEPJF) zurück, wonach mindestens 40 Prozent der Kandidaten, der Abgeordneten, Senatoren und deren Vertreter Frauen sein müssen.

Martha Tagle ist eine der Initiatorinnen der Klage. Jetzt müsse dafür gesorgt werden, dass die Frauen, die einen Platz im Kongress erhalten haben, auch tatsächlich eine Agenda aufstellen, um Frauen bessere Chancen zu ermöglichen, sagte die Aktivistin der 'Bürgerbewegung', die zur stellvertretenden Senatorin gewählt wurde.

Für Ruth Zavaleta ist es nun Aufgabe der Politikerinnen, sich zu behaupten. Und sie müssten sich nun nehmen, was ihnen gehöre: Bisher seien die Frauen von den Männern meist in die Sozialreferate abgedrängt worden. "Die Mexikanerinnen können jetzt aber auch im Innen-, Justiz-, Haushalts- und Landwirtschaftsministerium eine tragende Rolle spielen. Quoten reichen nicht aus. Frauen müssen sich in den Vordergrund drängen, um Entscheidungen treffen zu können, die sie sichtbarer machen. Damit können sie dann letztlich auch gegen unsere machistische Kultur ankämpfen", fügte Zavaleta an.

Eine der Frauen, die diese Herausforderung bereits angenommen hat, ist Angélica de la Peña, die für die Partei der demokratischen Revolution (PRD) einen Sitz im Senat erhalten hat. De la Peña will an den Gesetzen schrauben, sodass Frauen einfacher auf hohe Posten gelangen können, ohne erst den Rechtsweg bestreiten zu müssen.


Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Ihrer Ansicht nach fehlt es an einer Umsetzung der Vorgaben der Quoten-Entscheidung des Wahltribunals. In den Gesetzen schlagen sie sich bisher nicht nieder - nicht nur, was die Sphäre der Politik anbelangt, sondern auch die der Gewerkschaften und Unternehmen.

Der Kampf um mehr Frauen in der Politik ging nur schrittweise voran und schlug sich zum ersten Mal 1993 auf höchster Ebene nieder, als das Wahlgesetz reformiert wurde. Damals wurden erste Kriterien ausgearbeitet, um die politische Benachteiligung der Frau zu beseitigen. 1996 wurde dann schließlich eine Klausel in das Wahlgesetz aufgenommen, die den Parteien vorschrieb, nicht mehr als 70 Prozent der Sitze an Menschen des gleichen Geschlechts zu vergeben. 2002 beschloss das Abgeordnetenhaus einstimmig zunächst die 30-Prozent-Quote.

In ganz Lateinamerika haben bisher 13 Länder Frauenquoten für die Parlamente verabschiedet: Neben Mexiko sind dies Argentinien, Brasilien, Bolivien, Kolumbien, Costa Rica, Ecuador, Honduras, Panama, Paraguay, Peru, die Dominikanische Republik und Venezuela. Weltweit betrug der Anteil der Frauen in den Parlamenten bis April 2011 19,5 Prozent in den Abgeordnetenhäusern und 18,3 Prozent im jeweiligen Senat. (Ende/IPS/jt/2012)

* Dieser Beitrag wurde IPS von der mexikanischen Frauennachrichtenagentur Cimac bereitgestellt.


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http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101171

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. Juli 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2012