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LATEINAMERIKA/1670: Mexiko - Regierung attackiert Präsidentschaftskandidaten wegen Aussagen zu Streitkräften (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Mexiko
Attacke der Regierung auf AMLO wegen Aussagen zu Streitkräften

Von Gerd Goertz


(Mexiko-Stadt, 28. März 2017, npl) - Noch ist es ein langer Weg bis zu den mexikanischen Präsidentschaftswahlen im Sommer 2018. Die Umfragewerte für den so gut wie sicheren Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador (AMLO) machen die PRI-Regierung unter Präsident Enrique Peña Nieto aber bereits nervös. AMLO, von der von ihm selbst gegründeten neuen Oppositionspartei Morena, hat Zulauf aus fast allen anderen Parteien einschließlich der Partei der Institutionalisierten Revolution PRI (Partido Revolucionario Institucional). Selbst Unternehmerkreise und die beiden privaten Fernsehkonzerne Televisa und Tv Azteca fahren anders als in den vorherigen Jahren derzeit nicht den absoluten Konfrontationskurs gegen López Obrador (siehe Text von Luis Hernández). Dieser macht sich Hoffnungen, im dritten Anlauf nach 2006 und 2012 ein so gutes Wahlergebnis einzufahren, dass selbst mögliche Manipulationen wie bei der Präsidentschaftswahl 2006 seinen Sieg nicht verhindern könnten.


Der Fall Ayotzinapa: AMLO spricht bei Wahlkampfauftritt von Intervention des Militärs

Angesichts dieser Entwicklung sucht die Regierung nach den Schwachstellen des Kandidaten. Dabei hat sie jüngst AMLOs Aussagen über eine Verwicklung der Streitkräfte in das Verschwindenlassen der 43 Studenten von Ayotzinapa im September 2014 ausgemacht. Bei einer Art vorgezogener Wahlkampfreise in den USA hatte López Obrador sich Mitte März vor mexikanischen Migrant*innen angesichts der kritischen Hinterfragung durch einen ebenfalls anwesenden Vater eines der verschwundenen Studenten damit verteidigt, Beschwerden sollten an den Präsidenten Peña und an die Streitkräfte gehen, "die in diesem Verbrechen intervenierten".

Bei den zahlreichen Verweisen auf die ungeklärte Rolle der in unmittelbarer Nähe der Tat stationierten Streitkräfte des 27. Infanteriebataillons in den beiden umfangreichen Berichten der interdisziplinären Internationalen Unabhängigen Expert*innengruppe (GIEI) der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) eine logische Forderung (die die Familienangehörigen der Studenten nicht müde werden zu stellen). Von den meisten anderen Politiker*innen wird sie jedoch nicht öffentlich ausgesprochen.


Scharfe Töne aus der Ministerriege

Wenige Tage später verbat sich Mexikos Innenminister und in 2018 möglicher Widersacher Miguel Ángel Osorio Chong in scharfem Ton den Angriff AMLOs auf das Militär. Präsidentensprecher Eduardo Sánchez legte nach und sprach von Beschuldigungen "ohne Grundlage". Das Verteidigungsministerium schickte den Leiter seiner Menschenrechtsabteilung, General José Carlos Beltrán, vor. Ohne López Obrador namentlich zu nennen, erwähnte auch dieser Anschuldigungen "ohne den geringsten Beweis" gegen seine Institution und fügte eine unterschwellige Warnung hinzu: "Wir haben Belege für Toleranz und Besonnenheit bei einer Unzahl von Anlässen gezeigt."

Der heftigen Reaktion können gleich mehrere Absichten unterstellt werden. Die Regierung bekräftigt ein weiteres Mal ihre Position, die Streitkräfte vorbehaltlos zu unterstützen. Zugleich nutzt sie aus, dass große Teile der Bevölkerung das Militär trotz aller nachgewiesenen Menschenrechtsverletzungen immer noch als die vertrauenswürdigste Institution des Landes ansehen. Ein Nestbeschmutzer AMLO hat keine Stimme der Wähler*innen verdient, so lässt sich zwischen den Zeilen lesen. Diese Botschaft geht ebenso an die "Truppe". Unter den etwa eine Viertelmillion einfachen Soldaten soll López Obrador große Unterstützung genießen. Die Regierung macht zudem wieder deutlich, wie wenig sie bereit ist, den Empfehlungen der GIEI für eine lückenlose Aufklärung des Verbrechens von Ayotzinapa zu folgen.


"Bevölkerung in Uniform"

López Obrador, der gerne von den Streitkräften als "Bevölkerung in Uniform" spricht, hat erwidert, eine Aufklärung schwäche die Institution nicht. Sie werde im Gegenteil gestärkt, wenn die "ganze Wahrheit" gesagt werde. Das Problem seien nicht die Institutionen an sich, sondern die Personen, die die Wahrheit verbergen würden. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass die Rolle der Streitkräfte eine Rolle im mexikanischen Wahlkampf spielt.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2017

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