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LATEINAMERIKA/2120: Ecuador - Präsident Lasso will den Waffenkauf für Zivilist*innen erleichtern (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Ecuador
Präsident Lasso will den Waffenkauf für Zivilist*innen erleichtern

von Sean Doherty


Effektiver Selbstschutz oder Gewalteskalation? Durch eine enstsprechende Gesetzesänderung sollen Zivilist*innen sich künftig bewaffnen dürfen.

(Quito, 7. April 2023, InSight Crime) - Als Reaktion auf die wachsende Unsicherheit im Land erlaubt Ecuador Zivilist*innen, Waffen zu tragen. Das kann jedoch dazu führen, dass sich die Gewalt verschärft, da Kriminellen mehr Zugang zu Waffen gewährt wird. Präsident Guillermo Lasso kündigte am 1. April ein Dekret an, das das seit 12 Jahren geltende Verbot, Waffen zu tragen, für Zivilist*innen aufhebt. "Ecuadorianer, wir haben einen gemeinsamen Feind: Kriminalität, Drogenhandel und das organisierte Verbrechen", so der Präsident in einer Ansprache. Das Tragen von Waffen soll künftig ab einem Alter von 25 Jahren erlaubt sein. Nur ein Drogentest und ein Nachweis über die Fähigkeit zum sachkundigen Umgang mit Schusswaffen sind Voraussetzung. Menschen mit Vorstrafen oder einem Eintrag wegen häuslicher Gewalt wird der Kauf einer Waffe verwehrt.

Gespaltene Reaktionen

Mit der Aufhebung der Restriktionen bezüglich des Waffenbesitzes reagiert die Regierung auf die wachsenden Sicherheitsängste der ecuadorianischen Zivilbevölkerung. Jedoch sind ähnliche Strategien in anderen Ländern Lateinamerikas gescheitert. In Brasilien sorgte der flexible Umgang mit den Waffengesetzen dafür, dass legal erworbene Waffen in die Hände von Kriminellen gelangten. Dasselbe könnte in Ecuador passieren, meint Carla Álvarez Velasco, Professorin der Universität IAEN (Instituto de Altos Estudios Nacionales de Ecuador). "Mit diesem Dekret gießt man Öl ins Feuer, sonst nichts", so Álvarez. Die Situation in Brasilien ist jedoch etwas anders: ***Während es dort für Banden möglich ist, an legal erworbene Sturmgewehre zu kommen, ist es in Ecuador hingegen nur erlaubt, Waffen zur "eigenen Verteidigung" zu tragen. Militärische Waffen zählen nicht dazu. Verbotene Waffen können allerdings durch Waffenhandel in anderen Ländern in der Region oder über Kontakte zu Sicherheitskräften erworben werden. Es ist schwierig, realistische Schätzungen darüber zu erhalten, wie viele Waffen im Land im Umlauf sind. Der ecuadorianische Abgeordnete Esteban Torres, der sich für die Aufhebung der Waffenbeschränkungen eingesetzt hat, sprach im Dezember 2020 von 350.000 bis 400.000 illegalen Waffen, die im Land kursieren sollen.

Die Ankündigung des Präsidenten fällt in eine Zeit der extremen Gewalt im Land. Im vergangenen Jahr stieg die Mordrate um mehr als 80 Prozent. Expert*innen sehen einen direkten Zusammenhang mit dem zunehmenden Einflussbereich von Drogenbanden im Land. In den letzten zwei Jahren haben diese Gruppen einen immensen Anstieg von gewalttätigen Auseinandersetzungen innerhalb der Gefängnisse provoziert, in den wichtigsten Städten Autobomben gezündet, Justizbeamt*innen ermordet und Leichen an öffentlichen Plätzen aufgehängt, um die Bevölkerung zu terrorisieren. Nach der vom ehemaligen Präsident Rafael Correa im Jahr 2011 eingeführten Beschränkung des Waffenbesitzes ging die Mordrate in den Folgejahren steil zurück. In den letzten Jahren ist der Index jedoch wieder enorm angestiegen: von 5,7 pro 100.000 Einwohner im Jahr 2017 auf 25,7 pro 100.000 im vergangenen Jahr.


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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 25. April 2023

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