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NAHOST/1034: Israel/Palästina - Wie weiter im Friedensprozess? (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 18 vom 2. Mai 2014
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Wie weiter im Friedensprozess?
Versöhnung zwischen PLO und Hamas kann neue Bedingungen für die Anerkennung Palästinas schaffen

von Dirk Grobe



"Herr Netanjahu und seine Regierung haben die Spaltung der Palästinenser als Ausrede benutzt, um keinen Frieden zu machen. Jetzt möchten sie die Versöhnung der Palästinenser zum gleichen Zweck als Ausrede benutzen. Das ist äußerst absurd. Die einzige logische Schlussfolgerung ist, dass Netanjahus Regierung keinen Frieden will". Mit diesen Worten bewertete der palästinensische Chefunterhändler Dr. Saeb Erekat, Mitglied des Exekutivkomitees der PLO, die Reaktion der israelischen Rechtsregierung auf das am 23. April überraschend bekannt gegebene Versöhnungsabkommen zwischen PLO und Hamas. Er verwies damit auf den Kern der Schwierigkeiten, der einen erfolgreichen Verlauf der Verhandlungen zwischen Israel und Palästina blockierte.

Es ist derzeit nicht abzusehen, wie es mit dem Nahost-Friedensprozess überhaupt weitergehen wird, nachdem am vergangenen Dienstag (29. April) die seit Juli letzten Jahres wieder aufgenommenen Direktverhandlungen zwischen Israel und Palästina entsprechend der bei Beginn vereinbarten Frist ausgelaufen sind, ohne dass auch nur der Ansatz einer einvernehmlichen Regelung erkennbar geworden wäre.

Das Abkommen zwischen der im Westjordanland regierenden PLO und der im Gaza-Streifen die Macht ausübenden Hamas war für die Netanjahu-Regierung offensichtlich nur ein weiterer Vorwand, eine Friedensregelung auf der Basis einer Zwei-Staaten-Lösung zu sabotieren. Netanjahu beschuldigte Abbas, statt des Friedens den Pakt mit der Hamas gewählt zu haben und erklärte, mit einer palästinensischen Regierung, der die Hamas angehöre, die er als "mörderische terroristische Organisation" bezeichnete, werde er niemals verhandeln. Zugleich drohte er den Palästinensern weitere "Strafmaßnahmen" an.

In Wahrheit hatte Netanjahu die Friedensverhandlungen schon Ende März platzen lassen, als er sich weigerte, die vereinbarte Freilassung von 26 langjährigen palästinensischen Häftlingen tatsächlich zu vollziehen (s. UZ v. 11.4.). Während der ganzen neunmonatigen Verhandlungen war keine Aussicht auf ein Abkommen zu erreichen gewesen, weil die israelische Seite dies mit für die Palästinenser unannehmbaren Bedingungen und mit der Politik der vollendeten Tatsachen durch den immer weiter vorangetriebenen Siedlungsbau verhinderte. Dr. Erekat berichtete aus seinen Verhandlungserfahrungen, dass sich die Netanjahu-Regierung geweigert hat, eine Karte vorzulegen, aus der der von Israel geforderte Verlauf der Grenze des Staates Israels ersichtlich gewesen wäre. Ebenso weigerte sich Netanjahu, eine formelle Anerkennung des Existenzrechtes eines Staates Palästina auf der Grundlage der Grenzen von 1967 auszusprechen.

Das neue Versöhnungsabkommen zwischen PLO und Hamas könnte, wenn es tatsächlich umgesetzt wird, die Voraussetzungen für den Friedensprozess im Nahen Osten erheblich verändern. Innerhalb von fünf Wochen soll unter dem Vorsitz von Präsident Abbas und einem hochrangigen Vertreter der Hamas eine "Regierung des nationalen Konsenses" aus unabhängigen Fachleuten gebildet werden, die innerhalb von sechs Monaten Neuwahlen zum "Palästinensischen Legislativrat", dem Parlament der palästinensischen Autonomiegebiete vorbereiten und abhalten soll.

Gleichzeitig verständigten sich beide Seiten - was in der internationalen Medienberichterstattung weitgehend unterbelichtet blieb - auf eine gemeinsame politische Grundlage für ihr weiteres Vorgehen. Die für beide Seiten verbindliche Grundlage sollen die Prinzipien der nationalen Aussöhnung sein, die schon 2011 und 2012 in den damals vereinbarten, aber nicht verwirklichten Versöhnungsabkommen von Kairo und Doha festgelegt worden waren. Diese sehen unter anderem ausdrücklich die Anerkennung aller bisher von der Palästinensischen Autonomiebehörde abgeschlossenen Abkommen mit Israel vor, die von der Hamas bisher abgelehnt worden sind. Faktisch wird damit der Behauptung, die Hamas lehne jede Vereinbarung mit Israel ab, weil ihr Ziel die Zerstörung des Staates Israel sei, der Boden entzogen. Dies war von den USA und der EU bisher als Begründung für ihre Einstufung der Hamas als "terroristische Organisation" benutzt worden. Die Anerkennung aller bisherigen Abkommen der Palästinenserbehörde mit Israel bedeutet eine De-facto-Akzeptierung der Existenz Israels auch durch die Hamas.

Zugleich betonten PLO und Hamas in ihrer Vereinbarung aber auch, dass keine der beiden Seiten eine Wiederaufnahme der jetzt ausgelaufenen Verhandlungen mit Israel akzeptieren wird, wenn nicht vorher klare Vorgaben oder Leitlinien dafür erreicht worden sind, die eine endlose Fortsetzung der Gespräche bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag ohne konkrete Ergebnisse verhindern, wie sie die Netanjahu-Regierung offensichtlich anstrebt.

Die Versöhnungsvereinbarung zwischen PLO und Hamas kann also, wen sie umgesetzt wird, nicht nur der seit 2007 vorhandenen Spaltung der Palästinenser in das PLO-regierte Westjordanland und den Hamas-regierten Gazastreifen ein Ende machen. Auch ein Hindernis, das bisher einer weiteren internationalen Anerkennung Palästinas als eigenständiger souveräner Staat im Weg stand, nämlich das Fehlen eines einheitlichen palästinensischen Staates, könnte damit ausgeräumt werden. Eine vermehrte internationale Anerkennung Palästinas durch mehr andere Staaten als bisher könnte wiederum dazu beitragen, auch in Israel die Einsicht zu fördern, dass die Sicherheit und die Zukunft des Staates Israels nicht durch die Ausweitung des israelischen Siedlungsbaus und die Verewigung des Besatzungsregimes gewährleistet werden kann, sondern nur durch eine Vereinbarung über das friedliche Nebeneinander von zwei souveränen Staaten Israel und Palästina auf der Grundlage der in den UNO-Resolutionen fixierten internationalen Rechtsgrundlagen.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 46. Jahrgang, Nr. 18 vom 2. Mai 2014, Seite ...
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2014