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NAHOST/1065: Jemen - UN bereiten Friedensverhandlungen zwischen Bürgerkriegsparteien vor (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Oktober 2015

Jemen: UN bereiten Friedensverhandlungen zwischen Bürgerkriegsparteien vor


New York (IPS) - Die Vereinten Nationen haben mit den Vorbereitungen für Friedensverhandlungen im Jemen begonnen. Eine politische Lösung sei der einzige Weg, den "schrecklichen Cocktail" multipler Krisen im Jemen zu beenden, sagte der UN-Sondergesandte für den Jemen am Montag in New York. Die Verhandlungen sollen Ismail Ould Cheikh Ahmed zufolge im April 2016 beginnen und zunächst zwei Wochen dauern.

Die größte Hürde für Friedensverhandlungen ist nach Ansicht des UN-Gesandten das große Misstrauen zwischen den beiden Parteien. Deshalb sollen bei den ersten Treffen die Konfliktparteien auch nicht sofort an einen gemeinsamen Tisch gebracht werden. Stattdessen sollen Vertreter der UN mit Mitgliedern der Huthi-Rebellen und der Partei 'Allgemeiner Volkskongress' in Maskat im Oman zusammentreffen. Daneben ist ein Treffen von UN-Vertretern mit Mitgliedern der jemenitischen Regierung in der saudiarabischen Hauptstadt Riad geplant.

"Auf diesen Treffen soll die Grundlage für die tatsächlichen Friedensverhandlungen gelegt werden", so der UN-Gesandte. Dabei soll geklärt werden, welche Themen besprochen werden und welche Erwartungen die verschiedenen Parteien an die Verhandlungen haben.


Vertrauen schaffen

Das Wichtigste aber: "Wir müssen Vertrauen zwischen den Parteien schaffen. Wir müssen sie dazu bringen zu verstehen, dass es keine andere Lösung als eine friedvolle geben kann." Sollte es nicht dazu kommen, dann werde der Jemen weiterhin in einem "schrecklichen Cocktail" gefangen bleiben aus einer fast ausweglosen humanitären Situation, kontinuierlichen Kämpfen aus der Luft und am Boden, dem Ausbomben von Städten und dem Entstehen immer neuer terroristischer Gruppen.

Um die Friedensverhandlungen zu ermöglichen, müssten die Konfliktparteien allerdings aufhören, die Situation über Aussagen im Radio und in anderen Medien weiter anzuheizen. "Das hilft keiner der Parteien", so Ould Cheikh Ahmed. Ferner müssten Provokationen an den Grenzen eingestellt werden, Gefangene freigelassen und Hilfsorganisationen der Zugang zum Land erleichtert werden.

Der UN-Gesandte forderte von der internationalen Gemeinschaft und den Nachbarstaaten Jemens, dem Land und den Konfliktparteien im Übergang zu einer friedvollen Gesellschaft zu helfen, sobald die Ergebnisse der Friedensverhandlungen feststehen.

Seit der Absetzung von Präsident Abed Rabbo Mansour Hadi und Premierminister Khalid Bahah im Januar und der Auflösung des Parlaments im Februar durch schiitische Huthi-Rebellen, die bereits im September 2014 weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht hatten, ist das Land seiner legitimen Führung beraubt. Seit ein von Saudi-Arabien angeführtes Bündnis im März begann, Luftangriffe gegen pro-iranische Huthi-Rebellen zu fliegen, wurden bereits mehr als 5.000 Menschen bei den Angriffen getötet, unter ihnen 2.300 Zivilisten.


Gesundheitssystem vor Kollaps

Im April verhängte der UN-Sicherheitsrat ein Waffenembargo gegen die Rebellen. Die strengen Einfuhrbeschränkungen treffen aber auch die Zivilisten im Jemen hart. Nur selten gelangen seitdem Lebensmittel, Wasser und medizinische Güter in das Land. Die Krankenhäuser sind daher abhängig von der Unterstützung durch Hilfsorganisationen, die allerdings nicht für eine kontinuierliche Versorgung der Patienten ausreicht.

Im September warnte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) davor, dass Jemens Gesundheitssystem "am Rand des Zusammenbruchs" stehe. Sie schätzte, dass fast ein Viertel der medizinischen Einrichtungen des Landes nicht länger funktionstüchtig seien.

Bereits vor der Eroberung der Hauptstadt Sana'as durch Huthi-Rebellen im Januar hatten ungefähr 8,6 Millionen der insgesamt 25,2 Millionen Jemeniten keinen Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung. Jetzt hat sich die Lage noch verschlechtert.

Schwerkranke Patienten werden von Krankenhäusern wieder zurückgeschickt, da akuter Mangel an Ärzten und Medikamenten herrscht. Zahlreiche Einrichtungen sind zudem durch Luftangriffe während des weiter andauernden Bürgerkriegs beschädigt worden.


Mehr als 1,5 Millionen Menschen auf der Flucht

Innerhalb des Landes sind etwa 1,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Nach Angaben des Internationalen Roten Kreuzes sieht der Jemen fünf Monate nach Ausbruch des Konflikts so aus wie Syrien nach fünf Jahren. Nur wenige Flüchtlinge, die den Jemen auf dem Luftweg verlassen können, wollen in Jordanien bleiben. Ihre Wunschziele sind unter anderem die USA, Saudi-Arabien und Malaysia.

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR sind bereits mehr als 100.000 Menschen aus dem Jemen geflohen. 40.000 Flüchtlinge sind Jemeniten, der überwiegende Rest Ostafrikaner, die inzwischen in ihre Heimat zurückgekehrt sind.

UNHCR-Sprecher Andreas Needham geht von einer hohen Dunkelziffer aus, da die Statistik nur diejenigen erfasst, die sich um Hilfe an das Flüchtlingshilfswerk oder die jemenitischen Behörden wenden. (Ende/IPS/jt/27.10.2015)


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http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=52380#.Vi9EWpeLe1E

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IPS-Tagesdienst vom 27. Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Oktober 2015

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