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NAHOST/1067: Jordanien - Amnesty dringt auf freie Einreise für Flüchtlinge aus Syrien (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Dezember 2015

Jordanien: Amnesty dringt auf freie Einreise für Flüchtlinge aus Syrien

von Bernhard Schell


AMMAN (IDN/IPS) - Amnesty International fordert von Jordanien unverzügliche Hilfe für bis zu 12.000 syrische Flüchtlinge, die an der Grenze des Landes festsitzen. Diese Menschen kämpften in strenger Kälte in einem "Niemandsland" um ihr Überleben, heißt es im Appell der Hilfsorganisation.

Kurz zuvor hatte der Hohe UN-Flüchtlingskommissar (UNHCR) "tiefe Besorgnis" angesichts des Schicksals der Flüchtlinge geäußert, die in abgelegenen Gebieten entlang der nordöstlichen Grenze zwischen Syrien und Jordanien gestrandet sind. Die Regierung in Amman wurde dringend aufgefordert, diese Menschen ins Land zu lassen und den besonders Schutzbedürftigen Vortritt zu gewähren.

Etwa 11.000 Syrer halten sich derzeit in Rukban auf, etwa acht Kilometer westlich vom Dreiländereck Irak, Syrien und Jordanien. Weitere 1.000 Menschen befinden sich ungefähr 90 Kilometer weiter westlich in Hadalat. Laut den Vereinten Nationen hat sich die Zahl der Flüchtlinge in den vergangenen Wochen immer weiter erhöht. "Unter ihnen sind auch Ältere, Kranke und Verwundete, Kinder, Frauen und andere Hilfsbedürftige", sagte UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming am 8. Dezember in Genf.


Amnesty warnt vor "humanitärer Katastrophe" im Grenzgebiet

"Die jordanischen Behörden, die Zivilisten Schutz innerhalb ihrer Landesgrenzen verwehren, treiben damit eine humanitäre Katastrophe voran", warnte Sherif Elsayed-Ali, Leiter der Abteilung für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten bei Amnesty International. "Tausende Menschen haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um die gefährliche Reise durch das Kriegsland Syrien hinter sich zu bringen. An der Grenze zu Jordanien müssen sie dann feststellen, dass sie herzlos abgewiesen werden."

Die Hilfsorganisation ist der Auffassung, dass jeder syrische Asylsuchende aufgrund der weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen in seinem Herkunftsland internationalen Schutz erhalten müsse. In Syrien würden "Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen", erklärte Amnesty in einer am 9. Dezember verbreiteten Mitteilung. "Die Grenze für Asylsuchende zu schließen, verstößt gegen den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung. Individuen dürfen nicht dorthin zurückgeschickt werden, wo sie durch Verfolgung und international anerkannte Menschenrechtsverstöße bedroht sind."

Seit 2011 hat Jordanien bereits 632.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen. UNHCR teilte am 8. Dezember mit, dass die Zahl der Flüchtlinge an der Grenze zwischen Syrien und Jordanien seit Anfang November von etwa 4.000 auf 12.000 Menschen angestiegen sei. Grund dafür seien die Verschärfung der Kampfhandlungen in Syrien und die Tatsache, dass auch die Nachbarländer Libanon und Türkei inzwischen ihre Grenzen geschlossen hätten.

Jordanien zählt allerdings zu den fünf Staaten in der Region, die bereits etwa 95 Prozent der syrischen Flüchtlinge aufgenommen haben. Das Land ist durch den Zustrom so vieler Menschen unter großen Druck geraten. Internationale Geber haben bisher erst ungefähr 52 Prozent der benötigten Hilfen bereitgestellt. Die jordanischen Behörden appellieren daher an die Staatengemeinschaft, ihre Beiträge substanziell aufzustocken.


Hilfsappelle an Staatengemeinschaft

"Die internationale Gemeinschaft muss Jordanien stärker unterstützen und ebenfalls Verantwortung für eine Beilegung der Krise übernehmen", fordert Sherif Elsayed-Ali. "Jordanien und andere Länder in der Region sind durch den Zulauf von Flüchtlingen unter unglaublichen Druck geraten. Die jordanischen Behörden können aber nicht einfach zusehen, wie Tausende Menschen in bitterer Kälte um ihr Überleben kämpfen und kaum Lebensmittel, sauberes Wasser, warme Kleidung und Unterkünfte haben." Andere Staaten müssten daher mehr humanitäre Hilfe und höhere Finanzhilfen zur Verfügung stellen sowie eine größere Zahl von Syrern aufnehmen.

Angesichts des fortdauernden Konflikts in Syrien hält es Amnesty International für dringend notwendig, dass die Grenzen zu Jordanien und den Nachbarländern für Verfolgte offen bleiben. Die Regierung in Amman hatte bereits im Jahr 2012 den Grenzübertritt eingeschränkt. Unter anderem wurden aus Syrien fliehende Palästinenser, allein reisende Männer ohne nachgewiesene Verwandte in Jordanien und Personen ohne Ausweispapiere abgewiesen. Seit Mitte 2013 ist der größte Teil der Grenzübergänge mit wenigen Ausnahmen für syrische Flüchtlinge gesperrt.

Im vergangenen Jahr verschärfte Jordanien abermals die Restriktionen an den Übergängen im Osten des Landes. Über den internationalen Flughafen des Landes dürfen Syrer seit Mai 2014 nur noch einreisen, wenn sie eine Aufenthaltsgenehmigung für Jordanien vorweisen können oder unter spezifische Ausnahmeregelungen fallen. Seit Dezember letzten Jahres wird nur wenigen Flüchtlingen die Weiterreise zum Aufnahmelager Ruweishid gestattet, wo sie vor der Verlegung ins UNHCR-Flüchtlingslager Asrak, wo bereits 27.000 Menschen leben, genau überprüft werden.

Immer mehr Syrer sitzen inzwischen in einem Niemandsland vor einer Sandbarriere fest, die nahe Rukban und Hadalat den Übergang nach Jordanien markiert. Einige von ihnen harren bis zu drei Monate dort aus, ehe sie schließlich in das Nachbarland gelangen. Andere werden abgewiesen. Manche dieser Menschen haben sich freiwillig wieder auf den Rückweg gemacht, nachdem sie mehrere Wochen unter unzumutbaren Bedingungen an der Grenze gewartet hatten.

Die Behörden Jordaniens erschweren seit Juli 2014 internationalen Organisationen den Zutritt zu diesen Gebieten. Amnesty appelliert nun an Amman, diese Beschränkungen aufzuheben, damit den Flüchtlingen an der Grenze geholfen werden kann.


Im Lager Asrak ist laut Amnesty noch Platz

Es gebe keinerlei Rechtfertigung dafür, Menschen über Wochen oder sogar Monate im Ungewissen zu lassen. Das Flüchtlingslager Asrak im Osten Jordaniens habe seine Kapazitätsgrenzen noch nicht erreicht, so Amnesty. Auch in anderen Transitzonen gebe es noch Platz. Die Organisation fordert, dass mehr Unterstützung für den Zuzug von Syrern in jordanische Städte bereitgestellt werden müsse.

Täglich gelangen zurzeit etwa 40 Menschen über die Grenze von Syrien nach Jordanien. Eine weitaus höhere Zahl von Syrern wird nach einer Überprüfung wieder zurückgeschickt. Allein in diesem Jahr sind auf diese Weise möglicherweise Tausende Flüchtlinge dazu gezwungen worden, den Rückweg anzutreten. Laut UNHCR-Statistiken ist die Zahl der in Jordanien ankommenden Syrer von etwa 310.000 Menschen im Jahr 2013 auf 82.400 im vergangenen Jahr und auf 25.532 im Zeitraum Januar bis Oktober 2015 gesunken. (Ende/IPS/kf/11.12.2015)


Link:

http://www.indepthnews.info/index.php/global-issues/2612-jordan-risking-humanitarian-disaster-by-denying-entry-to-syrian-refugees

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. Dezember 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2015

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