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NAHOST/540: Israel, Südafrika und Apartheid (inamo)


inamo Heft 57 - Berichte & Analysen - Sommer 2009
Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten

Israel, Südafrika und Apartheid

Von John Dugard


John Dugard war Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über Menschenrechtsverletzungen in den besetzten palästinensischen Gebieten. Der folgende Text ist seine Rede zum Gedenken an Hisham B. Sharabi, der 2005 in Beirut verstarb.

Hisham Sharabi war Professor für Geschichte und hatte den Omar al-Mukhtar Lehrstuhl für Arabische Kultur. John Dugard stellt in seiner Rede, die er am 26. März im Palästinensischen Zentrum in Washington D.C. hielt, die wesentlichen Unterschiede zwischen dem südafrikanischen und dem israelischen Apartheidsystem dar.


[...] Unser Besuch (im Gazastreifen. Dugard ist Mitglied einer Untersuchungskommission der Arabischen Liga. Red.) fand Ende Februar statt und dauerte eine Woche lang. Und wir schreiben noch immer an dem Bericht. Ich kann also zu diesem Zeitpunkt unsere Ergebnisse noch nicht kommentieren. Sie werden es verstehen, dass jeder Versuch, Israel Verantwortung zuzuschieben, ein sensibles Problem ist und zu beträchtlicher Kritik führen muss. Wir wollen unsere Arbeit an dem Bericht also sehr sorgfältig machen.

Heute werde ich jedoch nicht über den Gazastreifen sprechen. Ich will über Besatzung und Apartheid reden. Allein der Vergleich mit der Apartheid ist schon ein sehr sensibles Thema. Das ist mir bewusst. Ich sollte nur diese Verbindung erwähnen, da es ein Thema ist, das wahrscheinlich bei der Durban-II-Konferenz in Genf Mitte April angesprochen werden wird. Es gibt eine Vergleichsstudie, die vom Südafrikanischen Forschungsrat für Humanwissenschaften erstellt wurde. Diese Studiengruppe wird ihren ziemlich langen Bericht über dieses Thema (300 Seiten) im Mai in London und in SA im Juni veröffentlichen. Dies ist also ein sehr aktuelles Thema, auch wenn es in gewissen Kreisen als anstößig angesehen wird. Ich werde über Besatzung und Apartheid sprechen. Lassen sie mich mit der Besatzung beginnen. Das palästinensische Gebiet ist ganz klar besetztes Gebiet. Das ist für die internationale Gemeinschaft hinsichtlich der Westbank gar keine Frage. Israel behauptete, dass es seit 2005, als es seine Siedler und sein Militär aus dem Gazastreifen abgezogen hatte, kein besetztes Gebiet mehr ist; aber die internationale Gemeinschaft des Roten Kreuzes und ich denke, die ganze internationale Gemeinschaft - mit Ausnahme der USA - weisen diese Behauptung zurück. Sie vertreten die Ansicht, dass der Gazastreifen weiter effektiv von Israel besetzt ist, weil Israel die Kontrolle über seine Landgrenzen, den Küstenbereich und den Luftraum hat und militärische Überfälle ins Gebiet ziemlich regelmäßig durchführt. Ich denke, dass die Position der USA, von der früheren Außenministerin der USA Condoleezza Rice verkündet, die war, dass es eine ziemlich feindselige Entität sei. Was das nun bedeutet, weiß man nicht so genau. Man kann nur hoffen, dass die US-Regierung von Obama es bald deutlich machen wird, dass sie den Gazastreifen und die Westbank als besetztes Gebiet ansieht.


Kolonialismus und Apartheid

Militärische Besatzung ist ein Regime, das vom Völkerrecht toleriert wird. Sie wird nicht gut geheißen. Nach der Vierten Genfer Konvention, die das Verhalten der Besatzungsmacht reguliert, ist die Besatzungsmacht verpflichtet, für das Wohlergehen des besetzten Volkes Sorge zutragen, besonders dafür zu sorgen, dass die medizinischen und pädagogischen Einrichtungen respektiert und gefördert werden. Wir wissen allerdings, dass Israel genau diese Verpflichtungen ignoriert, weil in Palästina die internationale Gebergemeinschaft weithin diese Verpflichtung für das Wohlergehen des palästinensischen Volkes übernommen hat. Doch ist klar, dass das Völkerrecht eine lange Besatzungsperiode nicht in Erwägung zieht, und schon gar nicht - wie in diesem Fall - eine so lange von über 40 Jahren. Die israelische Regierung tendiert dahin, die Ansicht zu vertreten, dass je länger die Besatzung sei, desto weniger hätte sie Verpflichtungen. Aber ich denke, dass die allgemein angenommene Ansicht genau das Gegenteil ist.

Israel ist also Besatzungsmacht. Aber während der vergangenen 40 Jahre sind noch zwei andere Elemente hinzugekommen: Das sind Kolonialismus und Apartheid. Und das verschlimmert den Zustand der palästinensischen Gebiete. Ich denke, dass es keine Fragen über die Kolonisierung der palästinensischen Gebiete gibt, besonders in der Westbank - besonders seitdem die Siedler 2005 aus Gaza abgezogen wurden. Fast eine halbe Million von Siedlern befinden sich in der Westbank. Diese Zahl wächst trotz Versprechen aufeinanderfolgender Regierungen, dass sie den Siedlungsbau stoppen würden. Es ist interessant, dass in etwa 88 von 149 Siedlungen weitergebaut wird. Die Wachstumsrate in den Siedlungen beträgt 4,5 % verglichen mit 1,5 % in Israel selbst. Dabei sollte man nicht nur auf die Siedlungen schauen, sondern auch auf die Gebiete in der Westbank, die für militärische Zwecke und als Naturreservate eingeplant werden. Und man kann sagen, dass grob 38 % der Westbank für Palästinenser nicht zugänglich sind. Es ist also eine Art Kolonialismus in der Westbank, die vom Völkerrecht nicht toleriert wird. Es ist eindeutig ungesetzlich. Es sind nicht nur die Siedlungen, die eine Art Kolonialismus darstellen. Sie verletzten auch die Genfer Konvention. Das ist ganz klar illegal.

Das andere Element, das eingeführt wurde, ist das der Apartheid. Und man muss betonen, dass Apartheid nicht nur in Südafrika selbst illegal ist, sie wird auch im Völkerrecht als ungesetzlich erklärt. 1973 gab es eine Konvention über Apartheid, die von den Vereinten Nationen übernommen wurde. Zusammengefasst heißt es dort: Gemäß dieser Konvention sind das ernsthaften Zufügen von körperlichem oder psychischem Leid gegen eine ethnische Gruppe, unmenschliche oder demütigende Behandlung, die absichtliche Verursachung von Umständen, die die Entwicklung einer ethnischen Gruppe verhindert geächtet. Weiterhin führt die Konvention die Verweigerung von grundsätzlichen Menschenrechten und Freiheit auf und wenn solche Taten zu dem Zweck begangen werden, die Vorherrschaft einer ethnischen Gruppe über eine andere ethnische Gruppe zu erlangen und diese systematisch unterdrückt wird. Dafür gibt es eine Definition, eine allgemeine Definition von Apartheid.

Diese Definition ist nun in die Rom-Statuten des Internationalen Gerichtshofes übertragen worden, und das Verbrechen von Apartheid wird als eine Art Verbrechen gegen die Menschlichkeit angesehen. So wird deutlich, dass Apartheid nach dem Völkerrecht ungesetzlich ist. Israel behauptet natürlich, dass seine Politik keine Apartheid darstellt und dass es keine rassistische Diskriminierung in seiner Praxis oder Politik gibt. Israel behauptet weiterhin, dass der Zweck seiner Besatzung einfach zur Aufrechterhaltung von Gesetz und Ordnung sei. Es gäbe keine Herrschaft der einen Gruppe über die andere.


Politik und Praxis

Ich denke, es ist wichtig zu betonen, dass es zwischen der Apartheid wie sie in Südafrika angewandt wurde und der Politik und der Praxis in den besetzten Gebieten größere Unterschiede gibt. Die Systeme sind eindeutig nicht identisch. Aber es gibt viele ähnliche Charakterzüge. Ich möchte hier über das sprechen, was ich als die drei vorherrschenden Eigenschaften der Apartheid in Südafrika ansehe und prüfe, wie weit sie in den palästinensischen Gebieten zutreffen.

Als erstes gab es das, was man "große Apartheid" nennt; das war die territoriale Trennung, dann gab es zweitens das, was ungenau als "kleine Apartheid" beschrieben wurde, das war die rassistische Diskriminierung. Und drittens gab es die Sicherheitsgesetze.

Wie sieht es nun in Israel aus, was die "große Apartheid" betrifft? Gibt es Bantustans in der Westbank? Ich denke, dass man dies mit Ja beantworten muss. Wir sehen territoriale Fragmentierung in der Art, wie sie die südafrikanische Regierung mit ihrer Bantustanpolitik lieferte. Wir sehen vor allem eine klare Trennung zwischen der Westbank und dem Gazastreifen. Aber innerhalb der Westbank selbst sehen wir eine Trennung von im Wesentlichen drei oder mehr Bezirken und einigen zusätzlichen Enklaven mit einem Zentrum, im Norden und einem im Süden. Und es ist ganz klar, dass die israelische Regierung die palästinensische Behörde als eine Art Bantustan-Marionettenregime betrachtet. Also es gibt Ähnlichkeiten dieser Art.

Kommen wir zur "kleinen Apartheid" - zur Diskriminierung. Da gibt es eine Menge Beweise für solch eine Diskriminierung. Da gibt es vor allem die getrennten Straßen, die für Siedler und die für Palästinenser. Da will ich gleich hinzufügen, dass es in Südafrika keine getrennten Straßen für Schwarze und Weiße gab. Dann gibt es im Grenzgebiet (Seam Zone) Diskriminierung. Es ist die Zone zwischen der Grünen Linie und der Mauer. Israelis dürfen dieses Grenzgebiet frei betreten, aber Palästinenser müssen Passierscheine haben, und diese werden selten gewährt.

Dann gibt es die große Frage der Baurechte. Wie Sie wissen, dürfen Palästinenser in Ost-Jerusalem oder in der Zone C der Westbank nicht ohne Genehmigung bauen (und diese Zone C ist der größte Teil der Westbank). Und in den allermeisten Fällen wird keine Genehmigung erteilt. Die Folge davon ist eine unglaubliche Zerstörung von Häusern aus so genannten administrativen Gründen. Und wir sehen, wie dies im heutigen Jerusalem geschieht. Dies ist eine Hauszerstörungspolitik, ähnlich der, wie sie in Südafrika geschah.

Viertens die Bewegungsfreiheit: In Südafrika hatten wir ein Gesetzsystem, das von allen Schwarzen forderte, dass sie Dokumente mit sich trugen, mit denen sie ihre Präsenz rechtfertigen mussten, egal wo sie gerade waren. Sie wurden daran gehindert, städtische Bereiche ohne Sondergenehmigung zu betreten. Es gab also ernsthafte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Aber ich denke, es stimmt, dass den Palästinensern viel schwerwiegendere Einschränkungen auferlegt wurden. Innerhalb der Westbank allein gibt es mehr als 600 Checkpoints. Ziemlich seltsam ist es, dass Israel behauptet, es habe eine sogenannte Sicherheitsbarriere gebaut, um Selbstmordattentäter aus Israel fern zu halten, aber dann errichtet es zusätzlich diese Kontrollpunkte. Ich neige zu der Ansicht, dass der einzige Zweck dieser Kontrollpunkte der ist, die Menschen zu diskriminieren und zu demütigen.

Fünftens gibt es das Problem der Familienzusammenführung: Auch dies ist eine offensichtlich diskriminierende Praxis. Wie Sie wissen, ist es in Israel lebenden Palästinensern nicht erlaubt, ihre Frau, wenn sie aus den besetzten Gebieten stammt, nach Israel zu bringen. Und Palästinenser aus den besetzten Gebieten dürfen keine ausländischen Frauen mitbringen. Es ist also ein diskriminierendes System.


Der Sicherheitsapparat

Um die Kontrolle der Weißen aufrecht zu erhalten, führten die südafrikanischen Behörden drakonische Sicherheitsgesetze ein. Die Folge davon waren Verhaftungen und Verfolgung einer großen Anzahl von politischen Aktivisten. Dasselbe geschieht natürlich auch in Israel. Es gibt inzwischen über 11 000 palästinensische Gefangene in Israels Gefängnissen und sehr ernst zu nehmende Behauptungen, dass Verhaftete und Gefangene gefoltert werden.

Was ist also der wesentliche Unterschied? Der wesentliche Unterschied, den ich zwischen dem südafrikanischen Apartheidsystem und dem in den besetzen palästinensischen Gebieten sehe, ist, dass das südafrikanische Apartheidsystem "ehrlicher" war. Wir hatten ein strenges Rechtssystem, das im Detail beschrieb, wie die Diskriminierung geschehen sollte. Es gab eine Manie selbst für Details und Legalität fast in derselben Art, wie im Nazi-Deutschland diskriminiert wurde. Es war offen, aber gleichzeitig war es ehrlich. Im Falle Israel ist sie verschleiert. Da gibt es eine nette Geschichte, von Shulamit Aloni erzählt, einer früheren Bildungsministerin in Israel: bei einer Gelegenheit war sie unterwegs mit einem IDF-Soldaten konfrontiert, der dabei war, einen Palästinenser zu verhaften, weil er auf einer Siedlerstraße fuhr. Er nahm ihm den Ausweis weg. Sie sagte zu ihm: "Aber wie soll er wissen, dass diese Straße nur für Siedler ist? Das steht nirgendwo geschrieben." Er antwortete: Die Palästinenser wissen es natürlich oder sollten es wenigstens wissen. Was wollen Sie, das wir tun sollen? Wollen Sie vielleicht, dass wir Schilder aufstellen, dass die eine Straße nur für Palästinenser und diese Straße nur für Siedler ist? Damit nachher jeder sagen kann, dass wir ein Apartheidstaat wie Südafrika sind? Und so wird die Diskriminierung verschleiert. Das sind die Unterschiede.


Welches Regime ist schlimmer?

Es ist für mich schwierig, diese Frage zu beantworten, da ich ein weißer Südafrikaner bin, obwohl ich während der Apartheidperiode in Südafrika gelebt habe. Die diskriminierenden Gesetze betrafen mich nicht, sie waren für die Schwarzen bestimmt. Interessant ist, dass jeder schwarze Südafrikaner, mit dem ich ins Gespräch kam und der die palästinensischen Gebiete besucht hatte, erschrocken war und ohne zu zögern sagte, dass das System, das in Palästina angewandt wird, schlimmer ist. Und dafür gibt es einige Gründe.

Erstens kann man sagen, dass es Merkmale des israelischen Regimes in den besetzten Gebieten gibt, die den Südafrikanern unbekannt sind. Wir hatten nie eine Mauer, die Schwarze und Weiße trennt. Ich weiß, sie wird Apartheidmauer genannt, doch das ist eine falsche Bezeichnung, weil es solch eine Art von Mauer nicht gegeben hat. Und wie ich schon sagte, es gab keine getrennten Straßen. Das sind neue Merkmale des israelischen Apartheidsystems.

Zweitens die Durchführung der Herrschaft ist viel strenger. Es gibt wiederholt militärische Überfälle in die Westbank, abgesehen vom Gazastreifen. Der Gazastreifen zieht mehr Aufmerksamkeit auf sich, aber es finden regelmäßig Überfälle der Armee in der Westbank statt und Verhaftungen. Palästinenser werden beschossen und getötet. Und was noch interessant ist, in Südafrika kamen die politischen Aktivisten vor eine reguläres Gericht des Landes und es fand eine offene Gerichtsverhandlung statt. Während in Israel die Palästinenser vor Militärgerichte kommen, und nach Notstandsregeln und - verordnungen verurteilen werden, die von den Briten übernommen wurden. Sie sind keine eigentlichen Gerichte.

Ich denke, dass das bedeutendste unterschiedliche Merkmal dasjenige ist, dass die israelische Apartheid keine positiven Merkmale hat. Das Südafrikanische Apartheidregime versuchte, die schwarze Mehrheit zu befrieden, indem sie ihr materielle Begünstigungen lieferte. Und so wurden vom Apartheidregime Schulen, Universitäten und Krankenhäuser gebaut. Besondere Fabriken wurden in den Schwarzen-Vierteln errichtet, um die Arbeiter zu ermutigen, in den afrikanischen Gegenden zu arbeiten. Dies war eine sehr positive Seite der Apartheid, auch wenn es aus materialistischen Gründen geschah. Hingegen im Falle der Israel-Apartheid leistet diese keinen tatsächlichen Beitrag zum Wohlergehen des palästinensischen Volkes. Israel überlässt dies der Gebergemeinschaft. So kommt natürlich auch die Frage hoch, die in Palästina heftig diskutiert wird, ob es für die Gebergemeinschaft so klug ist, Israel auf diese Weise aus der Patsche zu helfen; wäre es nicht klüger, sich zurückzuziehen damit die ganze Welt sieht, wie abscheulich Israel in Palästina ist. Aber das ist eine spezielle Frage.


Internationale Reaktionen

Sie erinnern sich, dass das Apartheidregime international in den Vereinigten Staaten, im Westen und in aller Welt diffamiert wurde. Die Staaten erließen Sanktionen gegen das Apartheidregime. Die UNO wurde aktiv, mit weiteren Sanktionen. Die internationale Gemeinschaft war der Ansicht, dass Apartheid ein illegales Regime wäre, und dass alles getan werden soll, um dieses zu beenden. Dagegen ist uns bekannt, dass im Falle Israel, obgleich es dort ernsthafte und offenkundige Verletzungen des Völkerrechts gibt, von westlichen Staaten oder der internationalen Gemeinschaft nichts unternommen wird. Wir kennen alle die Gründe. Vermutlich werden Sie sagen, dass es letztlich die Macht der AIPAC ist und der evangelikalen Lobby, aber ich denke, dass es im Westen vor allem Schuldgefühle wegen des Holocausts sind, als ob die Palästinenser für den Holocaust verantwortlich gewesen wären und nicht die Europäer. So sehen wir, wie hinsichtlich Israel zweierlei Maßstäbe angelegt werden. Dies hat ernsthafte Auswirkungen auf die Zukunft. Man kann den Kommentar des (sudanesischen) Präsidenten al-Bashir verstehen: "Ich werde wohl eine Gefängnisstrafe bekommen, aber was ist mit Gaza?" Dies ist ein Argument, das man in den Entwicklungsländern immer wieder hört. Man bittet uns, etwas gegen die Menschenrechtsverletzungen im Sudan, Zimbabwe, Burma zu tun. Und ich glaube, dass tatsächlich etwas gegen diese Länder unternommen werden sollte. Aber die Entwicklungsländer sagen: "Warum fordert ihr uns auf, gegen diese Staaten etwas zu unternehmen, ihr selbst aber schützt Israel."

Es ist wirklich schwierig, was man in solch einer Situation machen soll. Ich hin ziemlich enttäuscht über die UNO. UN-Vollversammlung und Menschenrechtsrat haben sehr wenig Macht. Der Generalsekretär der UNO ist zaghaft. Der Sicherheitsrat ist gehandikapt durch das Veto, und das Quartett, dessen Ursprung allein schon zweifelhaft ist, ist deutlich unter der Kontrolle der USA. 2004 erklärte der Internationale Gerichtshof in einem Rechtsgutachten die Mauer für illegal. Das wurde vom Sicherheitsrat, dem Generalsekretär und vom Quartett ganz einfach ignoriert. Es gibt Forderungen nach einem neuen Rechtsgutachten zur Frage der Folgen der so langen Besatzung in Verbindung mit Apartheid und Kolonisierung. Aber auch solch ein Rechtsgutachten - selbst wenn es zustande käme - würde höchstwahrscheinlich ignoriert werden.

Aber es gibt ein paar hoffnungsvolle Anzeichen hinsichtlich von Bewegungen. in der zivilen Gesellschaft. Wir sehen, wie die Frage über Aktionen gegen Israel wegen Palästina auf dem Gelände von Universitäten, in Kirchen und Handelsunionen gestellt wird. Ich tendiere zu der Ansicht und bekomme den Eindruck, dass die öffentliche Meinung sich zu verändern beginnt, auch wenn die Regierungspolitik dieselbe bleibt.


Prof. John Dugard ist ein früherer UN-Sonderberichterstatter über Menschenrechtsverletzungen in den besetzten palästinensischen Gebieten und ein angesehener Jurist an der Duke-Universität, Südafrika. Von der Redaktion gekürzt. Aus dem Englischen von Ellen Rohlfs.

Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Die Rede als Video finden Sie unter:
http://www.palestinecenterblog.org/2009/03/apartheid-and-occupation-under.html

Eine Transkript der Rede auf Englisch ist zu finden unter:
http://www.palestinecenterblog.org/2009/03/edited-transcript-of-remarks-by.html


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Inhaltsverzeichnis - inamo Nr. 57, Sommer 2009

Gastkommentar - Ein Turban tragender Militärdiktator: absurd, aber..., von Bahman Nirumand

Sudan
- Bilanz: 20 Jahr unter al-Bashir, von Mohamed Mahmoud
- Machtstrukturen und politische Lager, von Annette Weber
- Vier Jahr nach dem Comprehensive Peace Agreement (CPA), von Maria Peters
- Wahlen 2010, von Roman Deckert
- Unter einem Genozid interessiert Darfur nicht! Von Julie Flint und Alex de Waal
- Der Internationale Strafgerichtshof und Darfur: Wie störend ist Gerechtigkeit?,
   von Annette Weber und Denis M. Tull
- Eine Kritik am Haftbefehl gegen Omar al-Bashir, von Alex de Waal
- Warum nutzt der Sudan nicht sein Entwicklungspotenzial? Von Anja Dargatz
- Ausdruck des Wandels: Die Beziehungen China - Sudan, von Daniel Large

Iran
- 30 Jahr Islamische Revolution: Fortschritt, Rückschritt, Stillstand,
   von Mohssen Massarrat
- Youtubing Teheran. Für eine Ethik des Betrachtens, von Patricia Edema


Libanon
- Hisbullah nach Doha: Neue Ära? Neue Politik? Von Manuel Samir Sakmani

Israel/Palästina
- Israel, Südafrika und Apartheid, von John Dugard
- 60 Jahre Nakba: Von ethnischer Säuberung zur Dekolonisierung?
   Von Ali Fathollah-Nejad

Wirtschaftskommentar
- Konjunkturspritze aus dem Morgenland, von Barik Schuber

Zeitensprung
- Juli 1908: Konstitutionelle Revolution im Osmanischen Reich, von Vangelis Kechriotis

Literatur
- Zwischen Politik und Zimtaroma: Die Autorin Samar Yasbek, von Amall Breijawi-Mousa
- Lehm, von Samar Yazbek
- Der Andere, von Hamid Fadlallah
- Fertiges Szenario, von Mahmud Darwish

Ex Libris
- Johannes M. Becker, Herbert Wulf (Hg.), Zerstörter Irak - Zukunft des Irak,
   von Werner Ruf

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Quelle:
INAMO Nr. 57, Jahrgang 15, Sommer 2009, Seite 52 - 55
Berichte & Analysen zu Politik und Gesellschaft des Nahen und
Mittleren Ostens
Herausgeber: Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2009