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NAHOST/742: Israel unternimmt Schritte zur Legalisierung allein Juden vorbehaltener Gemeinden (Jonathan Cook)


The Electronic Intifada - 15. Dezember 2010

Israel unternimmt Schritte zur Legalisierung exklusiver, Juden vorbehaltener Gemeinden

Von Jonathan Cook, Auslandskorrespondent


Das hübsche, zweistöckige, von Adel und Iman Kaadan gebaute Haus mit dem rotem Ziegeldach, unterscheidet sich im Aussehen nicht von den anderen Häuserreihen in Katzir, einer kleinen, auf einem Hügel gelegenen Gemeinde in Nordisrael nahe der besetzten Westbank. Im Unterschied zu den anderen Anwohnern Katzirs konnten die Kaadans ihr Traumhäuschen jedoch erst in diesem Monat nach einem 12 Jahre währenden Kampf vor israelischen Gerichten beziehen. Der kleine Sieg der Kaadans, die zur palästinsisch-arabischen Minderheit Israels gehören, versetzte der staatlichen Politik, die über Jahrzehnte hinweg den Großteil der Flächen des Landes Juden vorbehalten hat, einen heftigen Schlag. Katzir ist eine von 695 sogenannten "genossenschaftlichen Kooperativen"; das sind Gemeinden, die in ihrer Mehrzahl seit der Gründung Israels im Jahr 1948 entstanden sind und deren hauptsächlicher Zweck darin besteht, Nichtjuden als Anwohner auszuschließen.

Im Oktober machte sich das israelische Parlament daran, das Recht dieser Kooperativen, die fast 70% aller Gemeinden Israels stellen, gesetzlich festzuschreiben, nur Juden zuzulassen. Der Ausschuß für Verfassungsfragen, Recht und Justiz nahm ein Gesetz über die private Mitgliedschaft an, das die Berechtigung des jeweiligen Aufnahmegremiums der Gemeinden bestätigt, palästinensisch-arabische Staatsbürger, die ein Fünftel der Bevölkerung ausmachen, weiterhin auszuschließen. Es steht zu erwarten, daß das Gesetz in den nächsten Wochen in letzter Lesung verabschiedet wird.

Kommentatoren haben diese Gesetzgebung mit Südafrikas berüchtigten Apartheidsgesetzen wie dem 'Group Areas Act' verglichen. Mordechai Kremnitzer, führender Jurist an der Hebräischen Universität in Jerusalem, meinte, der Gesetzentwurf verströme "den fauligen Geruch des Rassismus". Unterstützer wie Gegner betrachten den Erlaß dieses Gesetzes übereinstimmend als eine Art Nachhutgefecht, das die Möglichkeit ausschließen soll, daß andere arabische Bürger sich ermuntert fühlen könnten, dem Beispiel der Kaadans zu folgen.

Israel Hasson von der Zentrumspartei Kadima, der die Novelle mitformuliert hat, erklärte, sie spiegele "die Festlegung des Staates auf die Verwirklichung der zionistischen Vision in Israel" wider. Diese Vision hat ihren konkreten Ausdruck in einem jahrzehntealten "Judaisierungs"-Programm gefunden, mit dem so viele Juden wie möglich im vorwiegend arabisch bewohnten Norden angesiedelt werden sollen.

Suhad Bishara, Anwältin bei Adalah, dem Rechtsberatungszentrum für die arabische Minderheit, erklärte, daß der seit langer Zeit bestehenden Praxis, Aufnahmegremien zur Eliminierung der Anträge arabischer Bürger einzusetzen, erstmals eine rechtliche Grundlage verliehen wurde. "Der Erlaß dieses Gesetzes macht auf sehr unverblümte Art deutlich, daß die politische Stoßrichtung in Israel dahingeht, die Wohnorte jüdischer und arabischer Bürger zu trennen", stellte sie fest. Die Frage der Kontrolle über den Landbesitz, meinte Bishara, macht sich besonders stark für die arabische Minorität bemerkbar, weil der Staat über 93 Prozent des Territoriums innerhalb seiner anerkannten Grenzen zu Staatseigentum erklärt hat.

Genossenschaftliche, auf jeweils nicht mehr als 500 Familien beschränkte Kooperativen haben die Verfügungsgewalt über den größten Teil des besiedelbaren Landes und werden von den Behörden als Bollwerk gegen eine arabische Übernahme angesehen. Die arabischen Bürger sind mittlerweile im wesentlichen auf 124 Städte und Dörfer beschränkt und kontrollieren 2,5 Prozent des israelischen Territoriums. Planungs- und Baurecht schränken die Entwicklung und Erweiterung der arabischen Gemeinden ein, was zu Übervölkerung führt. Zehntausende arabische Familien, die gezwungenermaßen auf nicht eingezontem Gelände bauen, leben in Häusern, deren Abriß verfügt wurde.

Kaadan, 54 Jahre alt und Krankenpfleger von Beruf, erklärte, er wollte nach Katzir ziehen, um die Lebensqualität seiner Familie zu erhöhen. Die zehn Kilometer von Katzir entfernte, arabische Stadt Baqa al-Gharbiyya, in der sie vorher wohnten, war dicht besiedelt, und es fehlte an öffentlichen Dienstleistungen; die örtlichen Schulen für seine fünf Kinder waren unterfinanziert und baufällig. Charakteristischerweise erhalten arabische Gemeindeverwaltungen nur ein Drittel des Etats der jüdischen Gemeinden. Kaadan meinte, er hätte sich für Katzir beworben, als er hörte, daß die Baugrundstücke dort staatlichlicherseits sehr stark subventioniert und für ein Fünftel des Preises verkauft würden, der in Baqa al-Gharbiyya verlangt wurde.

Der Rechtsstreit der Familie um einen Platz in Katzir war eine enorme Anstrengung. Fünf Jahre dauerte es, bis das Oberste Gericht sein Urteil über die Entscheidung der Gemeinde von 1995 fällte, die Kaadans abzuweisen, weil sie Araber sind. In "einer der schwersten Entscheidungen meines Lebens" wies der Präsident des Gerichtshofs, Aharon Barak, Katzirs Aufnahmegremium mit der Verwarnung an, daß man sie nicht aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit abweisen dürfe, den Antrag der Familie zu überdenken. Katzir schuf aus dem Grund ein neues Aufnahmekriterium: "soziale Eignung", und die Kaadans fielen erneut durch. Jedem war klar, meinte Kaadan, daß sich "Eignung" auf die Tatsache bezog, daß sie keine Juden sind. Als die Kaadans erneut vor Gericht klagten, gab die Landverwaltung, eine staatliche Institution, die in Israel das Land vergibt, nach und verkaufte der Familie 2007 ein Baugrundstück. Trotzdem hat der Fall noch immer sein Nachspiel.

Andere exklusiv-jüdische Gemeinden in Galilea suchten ihre eigene Lösung, um den Zuzug arabischer Familien zu blockieren, nachdem Ahmed und Fatina Zbeidat aus der arabischen Stadt Sakhnin einen Antrag bei der genossenschaftlichen Kooperative Rakafet in der Region Misgav gestellt hatten. Das Aufnahmegremium Rakafets entschied 2006, daß die Zbeidats nicht geeignet seien: Fatina sei zu "individualistisch," während ihr Mann keine "Kenntnisse über kultivierte zwischenmenschliche Beziehungen besitze". Wie die Kaadans klagten die Zbeidats vor dem Obersten Gericht. Eine Reihe jüdischer Gemeinden in der Nähe von Rakafet änderte im letzten Sommer eilig ihre Satzungen und nahm einen Treueschwur mit auf. Ganz typisch war der von Manof, der Bewerber verpflichtet, "die Werte der zionistischen Bewegung, das jüdische Erbe, die Besiedlung des Landes Israel ... und die Einhaltung der jüdischen Feiertage" zu pflegen.

Bishara vertritt die Zbeidats und erklärte, das Paar versuche, ein Urteil gegen den Einsatz von Aufnahmegremien zur Verteilung von Land und Wohnraum zu erreichen. Die Richter forderten die Regierung auf, diese Praxis bei einer Anhörung im nächsten Monat zu rechtfertigen. Der neue Gesetzentwurf, bekannt als 'Admissions Committee Bill', soll dazu dienen, jeder gerichtlichen Entscheidung zuvorzukommen.

Gush Shalom, eine israelische Friedensgruppe erklärte, sie werde eine Petition an das Oberste Gericht richten, die Novelle zu kippen, wenn diese wie erwartet in den nächsten Wochen Gesetzeskraft erhält. Die liberale Zeitung Haaretz nannte die Novelle einen "empörenden" Versuch, in Gemeinden wie Katzir und Rakafet die "jüdische Reinheit" zu erhalten. Die rechtsgerichtete Zeitung Jerusalem Post hingegen unterstützte den Entwurf und kommentierte: Israelische Juden "sollten das Recht haben, in einer Gemeinde zu leben, in der nicht die Gefahr von Mischehen besteht oder daß sie zu einer kulturellen oder religiösen Minderheit werden."


Über den Autor:

Jonathan Cook lebt als Autor und Journalist in Nazareth, Israel. Seine jüngsten Bücher sind Israel and the Clash of Civilisations: Iraq, Iran and the Plan to Remake the Middle East (Pluto Press) and Disappearing Palestine: Israel's Experiments in Human Despair (Zed Books). Seine Website ist über www.jkcook.net zu erreichen.


Erstveröffentlichung einer englischsprachigen Fassung dieses Artikels in der Zeitung "The National", Abu Dhabi, http://thenational.ae


Anmerkungen der Redaktion Schattenblick:
'Group Areas Act': 'Gruppengebietsgesetz', d.i. Gesetz zur räumlichen Trennung der ethnischen Gruppen
'Admissions Committee Bill' - 'Aufnahmegremiumsnovelle'


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Quelle:
The Electronic Intifada - 15. Dezember 2010
http://electronicintifada.net/v2/article11676.shtml
© Jonathan Cook, 15. Dezember 2010
Internet: www.jkcook.net
mit freundlicher Genehmigung des Autors
in einer Übersetzung des Schattenblick aus dem Englischen


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2010