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NAHOST/749: Israels Siedlungspolitik - Druck auf UN-Sicherheitsrat wächst (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Januar 2011

Nahost: Israels Siedlungspolitik - Druck auf UN-Sicherheitsrat wächst

Von Haider Rizvi


New York, 7. Januar (IPS) - Israels umstrittene Siedlungspolitik in den besetzten Palästinensergebieten und die Zunahme militärischer Übergriffe auf Zivilisten sorgen weltweit für immer mehr Unmut. Dennoch macht der 15 Mitglieder zählende UN-Sicherheitsrat keine Anstalten, um die Nahost-Friedensverhandlungen voranzubringen.

"Ich möchte derzeit keine voreilige Einschätzung abgeben", antwortete Ivan Barbaliæ, Vorsitzender des UN-Sicherheitsrats für den Monat Januar, auf die Frage, ob der Rat bald über die Situation in Nahost beraten werde.

In der letzten Dezemberwoche hatte der palästinensische Gesandte Riyad Mansour in einen Brief an die US-Botschafterin Susan Rice, der damaligen Ratsvorsitzenden, die derzeitige Lage in Palästina als "ernst" geschildert. Ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft einschließlich des UN-Sicherheitsrats sei dringend erforderlich.

Der Brief, der auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und Barbaliæ zuging, geht detailliert auf die israelische Siedlungspolitik in den besetzten palästinensischen Gebieten ein. Der Bau der Siedlungen diene dem Zweck, die demographische Zusammensetzung der palästinensischen Bevölkerung und den Charakter und den rechtlichen Status der Palästinenser durch Vertreibungen, Zerstörung und Widerrufung von Wohnrecht und weiteren Maßnahmen zugunsten Israels zu verschieben, heißt es in dem Schreiben. Die Vorgehensweise sei jedoch ein Verstoß gegen internationale Beschlüsse und gegen die letzte UN-Sicherheitsresolution.

Die Palästinenser haben einen Resolutionsentwurf in Umlauf gebracht, in denen sie die Siedlungen, die Israel in Ostjerusalem baut, als illegal bezeichnen. Der palästinensischen Führung zufolge ist jeder Versuch, den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen, solange nutzlos, bis die Weltgemeinschaft Israel mit Hilfe einer UN-Resolution dazu verpflichtet, den illegalen Siedlungsbau im Westjordanland und in anderen palästinensischen Gebieten wie Ostjerusalem einzufrieren.


Vermittler sollen handeln

Am 5. Januar, als israelische Truppen zwei Palästinenser nahe der Grenze zu Gaza töteten, wiederholte der palästinensische Unterhändler Saeb Erekat seine Forderung nach einem entschlossenen Handeln des in den Friedensprozess involvierten Quartetts aus Vereinten Nationen, USA, Russland und Europäischer Union.

Israel wiederum beharrt hingegen auf der Position, mit den Palästinensern direkte Gespräche zu führen. Die Forderung dürfte jedoch bei der palästinensischen Führung auf taube Ohren stoßen, der es vor allem um mehr internationale Unterstützung zur Legitimierung ihres Kampfes gelegen ist.

Die Palästinenser genießen in der 192 Mitgliedsländer zählenden UN-Vollversammlung eine breite diplomatische Unterstützung. Im UN-Sicherheitsrat sind die Verhältnisse anders. Dort blockieren die USA seit vielen Jahren Resolutionen zugunsten der Palästinenser und gegen Israel.

Aus UN-Quellen ist zu erfahren, dass der palästinensische Chefdiplomat Ende Dezember mit Botschafterin Rice zusammengetroffen ist, aber keine klare Antwort auf seine Frage erhalten habe, ob der UN-Sicherheitsrat den israelischen Siedlungsbau mit einer Resolution zu stoppen gedenke. "Es ist klar, dass die USA im Augenblick nicht zu einer solchen Ratsresolution, den Siedlungsbau einzufrieren, bereit sind", sagte ein UN-Diplomat, der sich Anonymität ausbat.

Allerdings dürfte es für die USA nicht leicht sein, ihre bisherige bedingungslose Hilfe für Israel aufrechtzuerhalten. Der Druck auf Washington nimmt zu, auch wenn die pro-israelische Lobby in den USA einflussreicher ist als andere Interessengruppen.


Druck von Menschenrechtsorganisationen

Im vergangenen Monat hatte die Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' Washington dazu aufgefordert, seine Finanzhilfe für Israel um den Betrag zu kürzen, den das Empfängerland für die Unterstützung der Siedlungen ausgibt. Auch soll sie finanzielle Beiträge an Israel von US-Organisationen kontrollieren, die Steuerfreiheit genießen und gegen internationales Recht verstoßen. Angesichts der Tatsache, dass die USA Israels größter Waffenlieferant sind, fordert 'Amnesty International' ein Waffenembargo für Israel.

Seitdem sich Palästina international über mehr Zuspruch freuen darf, hält auch der US-Linguistikprofessor und Analyst Noam Chomsky einen Wandel der US-Politik gegenüber Israel für möglich. Um aber den Stillstand in den Nahostfriedensverhandlungen zu beenden, sei es notwendig, sich von der Illusion zu verabschieden, dass Washington ein ehrlicher Vermittler sei, der sich verzweifelt um die Aussöhnung der beiden Erzfeinde einsetze, schrieb Chomsky unlängst in einem Kommentar. Die ernsthaften Gespräche müssten zwischen USA und Israel auf der einen Seite und dem Rest der Welt auf der anderen Seite stattfinden. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2011