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NAHOST/819: Arabischer Frühling beflügelt Waffenhandel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Mai 2011

Nahost/Nordafrika: Arabischer Frühling beflügelt Waffenhandel

Von Mona Alami


Beirut, 16. Mai (IPS) - Seitdem die Volksaufstände in Syrien in Gewalt übergegangen sind, boomt im Libanon der Schwarzmarkt mit Waffen. Die zunehmende Nachfrage nach leichten und kleinen Waffen geht nicht nur von Syrern aus, sondern auch von Libanesen, die sich aus Angst vor einem Überschwappen des Konflikts ebenfalls bewaffnen.

In Syrien reagiert die Regierung auf die Proteste der letzten drei Monate mit blutiger Gewalt. Die Pro-Demokratie-Aktivisten geben die Zahl der Todesopfer mit 800 an. Die Behörden machen "bewaffnete Banden" für die Unruhen verantwortlich. Wie die staatliche Nachrichtenagentur SANA unter Hinweis auf eine Militärquelle berichtete, machen die Sicherheitskräfte Jagd auf "bewaffnete Terroristengruppen", die am 11. Mai ein Waffenlager in Baba Amr, einem Stadtteil der westsyrischen Stadt Homs, geplündert haben sollen. Dabei kamen SANA zufolge zwei Militärangehörige ums Leben, fünf weitere wurden verletzt.

Teilnehmer der Protestbewegung haben den Vorwurf, sich zu bewaffnen, entschieden zurückgewiesen. Auch die Anschuldigung, den Tod der beiden Militärs verursacht zu haben, weisen sie zurück. Sie verweisen vielmehr auf die Geheimpolizei, welche Berichten zufolge Soldaten niederschießt, die sich weigern, das Feuer auf Demonstranten zu eröffnen. "Wir sind nicht bewaffnet", sagte ein syrischer Aktivist, der sich Anonymität ausbat. "Das ist Blödsinn."

Die Situation in Syrien ist unklar, zumal es keine Journalisten gibt, die die Vorwürfe auf beiden Seiten prüfen könnten. Ausländischen Berichterstattern wird die Einreise ins Land untersagt. Im benachbarten Libanon berichten jedoch Waffenhändler, dass viele Syrier ins Land kommen, um sich aus Gründen der Selbstverteidigung Waffen zu beschaffen. Einige Geschäfte lassen ihrer Meinung nach den Schluss zu, dass die Waffen für einen konzertierten Einsatz gedacht sein könnten.

"Es ist jedoch äußerst schwierig, die Kunden einzuordnen, da sie sich ja nicht zu erkennen geben", meinte dazu Wael, ein libanesischer Waffenhändler. "Doch auch unsere Leute kaufen Waffen", fügte sein Kollege Brahim hinzu. "Sie haben Angst, dass aufgrund der Destabilisierung des syrischen Regimes (von Präsident Hafis al-Assad) religiöse Gewalt auch bei uns ausbricht."


Kräftiger Preissteigerung

Auf den Straßen der libanesischen Hauptstadt Beirut ist der Preis für ein AK-47-Sturmgewehr von 850 auf 1.450 US-Dollar gestiegen. Ein M4, für das Händler bis vor kurzem 5.800 Dollar verlangten, wird inzwischen für 7.500 Dollar gehandelt. Der Preis für ein M16-Gewehr hat sich inzwischen auf 2.500 Dollar verdoppelt. M16-Gewehre wurden von den USA im Vietnamkrieg eingesetzt, M4-Karabiner im Irak und in Afghanistan eingesetzt.

Ein PKC-Maschinengewehr ist im Libanon für 4.200 Dollar zu haben, 900 Dollar teurer als noch vor wenigen Monaten. Der US-Granatenwerfer 'Energa', erzielt nicht mehr 80, sondern 350 Dollar. Ein-B7-Gewehr wechselt für 1.000 Dollar den Besitzer - bis vor kurzem lag der Preis noch bei 700 Dollar. "Auch die Munition ist deutlich teurer geworden", versicherte Brahim.


Politische Parteien am Geschäft beteiligt

Für Waffenhändler ist der Libanon aufgrund der politischen Instabilität bereits seit dem Ende des Bürgerkriegs 1990 eine lukrative Einnahmequelle. Brahim und Wael zufolge dominieren prominente Mitglieder politischer Parteien das Geschäft. Sie ließen ihre guten Beziehungen spielen, um zu verhindern, dass Waffenhändler strafrechtlich verfolgt würden, sagen zwei, die es wissen müssen. Jede Partei verlässt sich demnach auf einen Hauptlieferanten, der über das nötige Insiderwissen und die erforderlichen Auslandskontakte verfügt.

Brahim zufolge sind die Waffenlieferungen per Schiff in den vergangenen Monaten erheblich gestiegen. In aller Regel gelangen sie über die porösen irakischen und syrischen Grenzen in den Libanon. Wael zufolge sieht es im Licht der regionalen Entwicklungen ganz danach aus, "als ob die libanesischen Parteien dem Handel mit leichten und kleinen Waffen tolerieren, den Handel mit schweren Waffen wie Kanonen und Raketen verbieten". (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2011