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NAHOST/954: Unerwünschter Gast - Palästinenserpräsident will seine Geburtsstadt in Israel besuchen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. November 2012

Nahost: Unerwünschter Gast - Palästinenserpräsident will Geburtsstadt in Israel besuchen

von Pierre Klochendler


Gaby Hameiri vor dem Haus in Safed, in dem früher Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wohnte - Bild: © Pierre Klochendler/IPS

Gaby Hameiri vor dem Haus in Safed, in dem früher Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wohnte
Bild: © Pierre Klochendler/IPS

Safed, Nordisrael, 13. November (IPS) - Für die Bewohner der nordisraelischen Stadt Safed in den Hügeln von Galiläa kam die Erklärung wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas sagte Anfang November im zweiten israelischen Fernsehkanal: "Ich möchte Safed sehen! Es ist mein Recht, es zu sehen, aber nicht dort zu leben."

Während des israelischen Unabhängigkeitskriegs 1948 bis 1949 flohen alle Palästinenser aus der Stadt, in der sie fortan Seite an Seite mit jüdischen Nachbarn gelebt hätten. Abbas selbst wurde in Safed geboren und verließ die Stadt mit seinen Eltern, als er 13 war.

Der Palästinenserpräsident bezog sich mit seiner Äußerung auf das "Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge" in die von Israelis bewohnte Stadt. Diese Forderung gehört zu den elementaren Streitthemen des Nahostkonflikts.

Die meisten Israelis verstehen die historische Forderung der Palästinenser als existenzielle Bedrohung. Sollten Millionen Flüchtlinge nach Israel zurückkehren dürfen, würde ihr Staat von innen zerstört, argumentieren sie. Juden wären dann ein für allemal nicht mehr in der Mehrheit.

Indem Abbas auf die Sorgen Israels Rücksicht nimmt, scheint er das aufzugeben, was die meisten Palästinenser als ihr unveräußerliches Recht sehen. Später stellte der Präsident klar, dass er lediglich von sich gesprochen habe.

"Es gibt keine Verbindung zwischen den Äußerungen des Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomiebehörde und seinen tatsächlichen Handlungen", ließ Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verlauten, der derzeit mit einem rechten Diskurs für seine Wiederwahl wirbt.

Safed ist eine Stadt mit einer großen spirituellen Tradition. Hier waren die Kabbala und die jüdische Mystik vor Hunderten von Jahren entstanden. Einmal im Jahr versammeln sich die Gläubigen vor dem Grab des Rabbi Schimon Bar Jochai, der im zweiten Jahrhundert nach Christus das tiefsinnigste Schriftwerk der Kabbala, den 'Sohar', verfasste.

Nach der Vertreibung der Juden aus Spanien während der Inquisition kamen bedeutende Rabbis wie Isaac Luria und Josef Karo nach Safed. Wie Eyal Reiss, der Direktor des 'Tzfat Kabbalah Centre', erklärt, schafft die Kabbala spirituell keinen Konflikt mit anderen Traditionen und Religionen. Von Safed aus werde eine "rein göttliche und friedliche Botschaft" gesandt.

Safed ist außerdem eine der vier Städte, die dem Judentum heilig sind. Jede von ihnen entspricht einem der vier fundamentalen Elemente der Schöpfung. Hebron steht für Land. In der Schöpfungsgeschichte tätigt der biblische Urvater Abraham den ersten Landkauf in dem Gebiet. Wegen des Sees Genezareth gilt der Ort Tiberias als Symbol für Wasser. Jerusalem steht für Feuer, das den zweiten jüdischen Tempel im Jahr 70 nach Christus niederbrannte,

Safed hat bewegte Zeiten erlebt. Die Stadt wurde von Kreuzrittern, Mameluken, Ottomanen und Briten erobert, durchlebte Seuchen und Erdbeben sowie Pogrome der Araber gegen Juden, zuletzt 1929.

Die gläubigen Juden sind dennoch weiterhin davon überzeugt, dass der Messias aus Safed nach Jerusalem kommen wird. Abbas' 'Recht auf Rückkehr' als Gast ist daher zum Stadtgespräch geworden. Die Einwohner reagieren ungläubig darauf, dass der Palästinenserpräsident früher hier lebte. Manche wollen ihn keineswegs in der Stadt sehen.


Bürgermeister erwartet von Abbas Reue

Bürgermeister Ilan Schohat sieht einen möglichen Besuch von Abbas dagegen nicht als Problem. "Wir empfangen jedes Jahr 1,2 Millionen Touristen", sagte er. "Einen weiteren Gast bringen wir ohne Schwierigkeiten unter", erklärt er, allerdings nicht ohne Zynismus. Denn Abbas war nach Ansicht vieler Israelis 1974 an der Planung einer Geiselnahme in einer Grundschule durch palästinensische Extremisten beteiligt. 22 Kinder wurden dabei getötet, 20 von ihnen stammten aus Safed. "Solange sich Abbas nicht entschuldigt oder Reue zeigt, ist er ein unerwünschter Besucher", betont der Bürgermeister.

Gaby Hameiri will sich sogar noch an Abbas erinnern. "Er überquerte auf dem Heimweg immer diese Brücke", erklärt der ältere Mann. Er ist nur zwei Jahre älter als ich. Unsere Väter waren Geschäftspartner, meiner hatte einen Milchladen und die Familie von Abbas besaß Ziegen."

Wie Hameiri weiter berichtet, begleitete er 1944 seinen Vater zum Haus der Abbas, um seinen Geschäftspartner zu bitten, sich für einen Bruder zu verwenden, der von den britischen Behörden festgenommen worden war. Dieser Bruder wurde für ein Mitglied der zionistischen Stern-Bande gehalten, die gegen den britischen Mandatsträger im besetzten Palästina kämpfte. Abbas' Vater habe gesagt: "Dein Sohn ist ein Terrorist." Darauf habe Hameiris Vater entgegnet: "Wir schützen uns nur vor euch Arabern." (Ende/IPS/ck/2012)


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http://www.ipsnews.net/2012/11/home-is-not-for-visiting/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. November 2012