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NAHOST/964: Wiederaufbau einer bedrängten Stadt - 10.000 Palästinenser nach Hebron zurückgekehrt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Januar 2013

Nahost: Wiederaufbau einer bedrängten Stadt - 10.000 Palästinenser nach Hebron zurückgekehrt

von Jillian Kestler D'Amours


Bild: © Jillian Kestler-D'Amours/IPS

Dank der Restaurationsarbeiten konnten 10.000 Palästinenser in die alte Stadt Hebron zurückkehren
Bild: © Jillian Kestler-D'Amours/IPS

Hebron, Westjordanland, 2. Januar (IPS) - Jeden Tag kommt Anas Maraka am Haus seiner Familie vorbei, ohne es betreten zu können. "Für meinen Großvater ist der Verlust am schlimmsten", berichtet der Palästinenser und zeigt auf die Fassade des Gebäudes an der Shuhada-Straße, einst zentraler Marktplatz der Altstadt von Hebron im Westjordanland.

Maraka hat noch nie einen Fuß in das nahe und doch so ferne Familiendomizil gesetzt. Doch allein der Anblick reicht aus, um dem Mitglied des Hebron-Rehabilitationskomitees (HRC) vor Augen zu führen, wie wichtig die fortgesetzte Präsenz der Palästinenser in der größten und spannungsgeladensten Stadt im Westjordanland ist.


"Teil unserer Kultur"

"Ich mag die alte Stadt. Sie ist Teil unserer Kultur. Wir restaurieren die verlassenen Häuser in der Altstadt, damit die Menschen dorthin zurückkehren können", sagt er und fügt hinzu, dass das HRC in den 15 Jahren seiner Existenz etwa 900 Häuser in Hebron instandgesetzt und 10.000 Palästinensern die Rückkehr ermöglicht hat.

"Nach der Zweiten Intifada sind die meisten Menschen aus Angst vor den israelischen Siedlern und Militärs geflohen", berichtet Maraka. "Da die Palästinenser nicht so einfach in der Altstadt von Hebron leben dürfen, versuchen wir sie in ihre alten Häuser zurückzuholen. Wir dürfen den Stadtteil nicht einfach aufgeben, würde er sonst an die israelischen Siedler fallen."

Wie aus seiner Studie der israelischen Menschenrechtsorganisation 'B'Tselem' von 2006 hervorgeht, führten die israelischen Restriktionen im Zentrum von Hebron dazu, dass dort 1.000 Häuser verlassen und 1.800 Geschäfte geschlossen wurden. Das entspricht einem Anteil von 42 Prozent an den ursprünglichen Privathäusern und 77 Prozent der einstigen Ladenlokale.

Derzeit leben rund 500 Israelis in fünf Siedlungen in einem als H2 bekannten Gebiet in Hebron, für deren Sicherheit tausende israelische Polizisten und Soldaten sorgen müssen. Im alten Stadtkern wohnen zudem 15.000 bis 20.000 Palästinenser, die etliche Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit hinnehmen müssen und der ständigen Gefahr von Übergriffen und Gewalt durch israelische Siedler und Soldaten ausgesetzt sind.

Am 12. Dezember hatte eine israelische Grenzpolizistin den 17-jährigen Muhammad Salayma aus Hebron nahe der Ibrahimi-Moschee erschossen. Von offizieller Seite Israels hieß es, al-Salayma habe Soldaten mit einem Gewehr bedroht, das sich später als Spielzeug herausgestellt habe. Der Tod des Jugendlichen führte zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen palästinensischen Jugendlichen und dem israelischen Militär in dem ohnehin schon spannungsreichen Stadtteil.

"Wir wollen, dass Palästinenser auch weiterhin hier leben können. Wir haben es schließlich mit einem der wichtigsten Orte innerhalb des Westjordanlandes zu tun", meint Maraka.

Bereits seit Jahrhunderten werden in Palästina historische Gebäude restauriert. Auf diese Weise konnten ganze Dörfer und Städte wiederbelebt und der Charakter und das kulturelle Erbe der Palästinenser am Leben erhalten werden, wie der palästinensische Architekt Iyad Issa erläutert, der mit dem Restaurationszentrum 'Riwaq' zusammenarbeitet. Die Sanierung der historischen Bauten gewährleiste die Erinnerung und den Fortbestand des kulturellen palästinensischen Erbes, unterstreicht er.


Hoher Sanierungsbedarf

Riwaq hat in Palästina etwa 50.000 historische Gebäude identifiziert, die renoviert werden müssten. Bisher wurden rund 100 Bauten in 90 palästinensischen Dörfern wiederhergestellt. Vier weitere Dörfer im Westjordanland werden derzeit vollständig erneuert. Der architektonische Wert und die soziale Dimension entscheiden darüber, welche Gebäude restauriert werden.

Die palästinensische Stadt Birzeit nördlich von Ramallah mit ihren 200 historischen Gebäuden gilt als Beispiel für eine besonders gelungene Wiederinstandsetzung. 100 dieser Bauten in der Altstadt stammen aus der Zeit der Mameluken (1291-1516). Die Sanierung der Gebäude, die nach dem Umzug der Birzeit-Universität leer standen, hat die soziale und wirtschaftliche Entwicklung und den Tourismus vor Ort in Gang gebracht.

Nach Ansicht von Issa ist es aber besonders wichtig, die kleineren, isolierteren Dörfer zu restaurieren, um sie für die Einwohner zu erhalten. "Der Renovierungsprozess zeigt auf, was machbar ist, um eine bessere Zukunft zu garantieren." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.btselem.org/topic/hebron
http://www.riwaq.org/2010/index.php
http://www.ipsnews.net/2012/12/renovating-an-embattled-city/

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2013