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NAHOST/966: Iran - Ehemalige Abgeordnete fordern Zugeständnisse von Teheran und Washington (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Januar 2013

Iran: Ehemalige Abgeordnete fordern Zugeständnisse von Teheran und Washington

von Jasmin Ramsey



Washington, 25. Januar (IPS) - Nach einem Jahr erfolgloser Verhandlungen, die in Kürze wiederaufgenommen werden sollen, drängen iranische und US-amerikanische Experten beide Seiten zu mehr Flexibilität und größeren Zugeständnissen.

In einem Brief haben nun sieben ehemalige iranische Abgeordnete, die inzwischen im Exil leben, an Teheran und die P5+1-Staaten USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland appelliert, ein 'Win-Win-Ergebnis' anzustreben. Ein solches Ergebnis lasse sich erreichen, wenn die beteiligten Akteure vier Punkte berücksichtigten.

Dem Brief zufolge sollte dem Iran das Recht eingeräumt werden, Uran um bis zu fünf Prozent zur friedlichen Nutzung anzureichern. Für den Fall, dass der Iran die Anreicherung von Uran um 20 Prozent einstellt und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) die Überprüfung aller existierenden Uranlager erlaubt, müsse dem Iran ausreichend Treibstoff für den Betrieb seiner medizinischen und wissenschaftlichen Forschungsreaktoren bereitgestellt und ein konkreter Zeitplan für die Aufhebung der Sanktionen vorgelegt werden. An Teheran ging die Empfehlung, als "vertrauensbildende Maßnahme" das Zusatzprotokoll umzusetzen.

"Die Vorschläge rufen uns ins Gedächtnis, dass es durchaus eine vernünftige Lösung dieser Konfrontation geben kann, die den Kerninteressen beider Seiten nutzen und jeden Grund für einen Krieg beseitigen würde", sagte Stephen Walt, Professor für internationale Beziehungen an der Harvard-Universität. "Bleibt nur die Frage, ob Washington und Teheran klug und weitsichtig genug sind, um das hinzukriegen."


"Beidseitigen Nutzen vor Augen führen"

Die ehemaligen iranischen Abgeordneten und Pro-Demokratie-Aktivisten Fatemeh Haghighatjoo and Seyed Aliakbar Mousavi forderten den Iran und die USA im Namen aller Unterzeichner des Schreibens am 24. Januar zu direkten Gesprächen auf. Ihrer Ansicht nach ließe sich noch in diesem Jahr ein entsprechendes Abkommen erzielen, da der Oberste Führer des Iran einen "kleinen Sieg" gut gebrauchen könne und US-Präsident Barack Obama nach seiner Wiederwahl keine wahltaktischen Rücksichten mehr nehmen müsse. "Beide Seiten sollten sich den Nutzen einer neuen Verhandlungsrunde vor Augen führen", meinte Haghighatjoo, eine aktive Teilnehmerin der iranischen Pro-Demokratiebewegung, in Washington.

Obwohl ein israelischer Angriff seit der Weigerung Obamas, sich der israelischen Forderung nach einer klar definierten Toleranzgrenze ("Red Line") zu beugen vorerst vom Tisch ist, ist die Gefahr eines Militärkonflikts noch nicht gebannt, tragen die Bemühungen um ein Abkommen bisher keine Früchte.

Nach Ansicht von George Perkovich, Nuklearexperte am Friedensforschungszentrum der US-amerikanischen Denkfabrik 'Carnegie Endowment for International Peace', ist der Standpunkt des Irans, in Übereinstimmung mit dem Atomwaffensperrvertrag zu einer Urananreicherung zu friedlichen Zwecken berechtigt zu sein, "eine Frage der Interpretation und weniger eine Tatsache". Aus Sicht der P5+1-Staaten wäre eine Anerkennung in dieser Frage ein ungeheures Zugeständnis, meinte er.

Perkovich zufolge wäre es wichtig, vor der Vereinbarung eines Abkommens alle Befürchtungen auszuräumen, wonach sich der Iran um die Herstellung von Atomwaffen bemüht habe, bevor die entsprechenden Aktivitäten 2003 eingestellt worden seien. Für US-Experten sei die zurückliegende Atomforschungsarbeit des Irans ein wichtiger Punkt.

"Die Empfehlungen der ehemaligen (iranischen) Abgeordneten (...) sollten nicht nur die Rechte der Vertragsstaaten des Atomwaffensperrvertrags für eine friedliche Nutzung von Atomenergieprogrammen anerkennen, sondern auch deren Pflichten, sich an die Sicherheitsrichtlinien zu halten und die Bemühungen der IAEA unterstützen, sicherzustellen, dass es zu keinem Missbrauch zugunsten militärischer Zwecke gekommen ist", meinte auch Daryl Kimball von der 'Arms Control Association'. Es liege im ureigenen Interesse des Irans, alle diesbezüglichen Zweifel auszuräumen und damit die eigene Behauptung zu untermauern, das iranische Atomprogramm diene ausschließlich friedlichen Zwecken, sagte er.


Ruf nach "gutem" statt "perfektem" Abkommen

Nach Ansicht von Reza Marashi, dem Forschungsdirektor des Nationalen Iranisch-Amerikanischen Rates, ist der Brief ein beredtes Beispiel dafür, dass die iranische Opposition verstanden habe, wie Konfliktlösungen funktionierten: nämlich dass beide Seiten gleichwertige Kompromisse eingehen müssten anstatt ein gutes Abkommen einem "perfekten" Abkommen zu opfern, meinte Marashi gegenüber IPS. "Diese Art soliden Denkens und Führerschaft kündet von einer guten Zukunft für den Iran."

Obwohl die US-geführte Sanktionspolitik gegen den Iran aufrechterhalten wird und Wirtschaft und Bevölkerung des Irans gleichermaßen trifft, sind messbare Ergebnisse bei den Verhandlungen ausgeblieben - eine Realität, die immer mehr US-Experten zur Kenntnis nehmen.

In einem Memorandum an Präsident Obama fordert Suzanne Maloney, eine Iran-Expertin der 'Brookings Institution', eine Intensivierung des diplomatischen Dialogs. Auch rät sie der Obama-Regierung dazu, eine Lockerung der Sanktionen in Aussicht zu stellen, "um überhaupt einige nennenswerte Konzessionen von Seiten Teherans zu erhalten".

Obamas Äußerungen während seiner Amtseinführung in diesem Monat lassen darauf schließen, dass er zu größeren Zugeständnissen bereit ist. Seine Regierung werde den Mut aufbringen, einen Versuch zu starten, um die Differenzen mit anderen Staaten friedlich beizulegen, "nicht weil wir aus Naivität die Gefahren übersehen, sondern um dadurch dauerhaft Misstrauen und Ängste zu überwinden", sagte er.

Doch einige Kongressabgeordnete, die Teheran vorwerfen, bei der Verabredung eines neuen Verhandlungstermins zu mauern, drängen auf eine Verschärfung der Strafmaßnahmen gegen den Iran und all diejenigen, die dem Iran bei der Umgehung der Sanktionen behilflich sind. Die Chancen für ein Nuklearabkommen sind somit gering. "Ich fürchte, wir haben es mit einem endlosen Dejà vu zu tun", meinte der MIT-Experte für internationale Sicherheit, Jim Walsh. "Man kann nicht wie immer verfahren und dann ein anderes Ergebnis erwarten." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.huffingtonpost.com/dr-fatemeh-haghighatjoo/irans-nuclear-program-issue_b_2482420.html
http://www.ipsnews.net/2013/01/devil-is-in-the-details-for-iran-nuclear-deal/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. Januar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2013