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OSTEUROPA/367: Kiew hält die EU und Russland hin (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 47 vom 22. November 2013
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Notbremse oder neues Manöver?
Kiew hält die EU und Russland hin

von Willi Gerns



Nach einem Bericht des Korrespondenten der Agentur IA Regnum erklärte der ukrainische Ministerpräsident Nikolai Asarow auf der Sitzung seines Kabinetts am 13. November: "Die Ukraine kann nicht auf die Zusammenarbeit mit Russland verzichten, weil es keine Quellen für die Verluste gibt, die ein solcher Schritt mit sich bringen würde. Ich möchte, dass sich alle in der Ukraine bewusst sind: niemand hat uns angeboten den Schaden zu kompensieren, der aus dem Verlust des russischen Marktes entstehen würde, und niemand wird das tun. Und wir haben kein Recht zuzulassen, dass Unternehmen geschlossen werden und unsere Menschen ohne Löhne und Renten bleiben."

Der Ministerpräsident bezeichnete die Normalisierung der Handelsbeziehungen mit Russland als "Frage Nummer eins" für Kiew. "Präsident Wiktor Janukowitsch und ich haben über die Situation im ukrainisch-russischen Handel sehr ernste Gespräche mit den Unternehmern und Gewerkschaften geführt. Wir teilen deren tiefe Besorgnis über den möglichen Verlust von Arbeitsplätzen." Die Überwindung der Probleme in den Wirtschaftsbeziehungen mit Russland nannte Asarow einen "Befehl der Realwirtschaft an die Regierung".

Präsident Janukowitsch habe die Regierung angewiesen, die mit der Zollunion aus Russland, Kasachstan und Belarus entstandenen Handels- und technischen Fragen beschleunigt zu regulieren. Die Zollbestimmungen, Normen und andere Fragen sollen schnellstens harmonisiert und die ukrainisch-russischen Vereinbarungen auf dem Gebiet der Außenhandelstätigkeit inventarisiert werden.

Der Korrespondent von IA Regnum schreibt, eine Quelle habe versichert, dass die Ukraine in Vilnius das Assoziationsabkommen und den Vertrag über eine Freihandelszone nicht unterschreiben werde. Während des letzten Besuchs von Asarow in Donezk seien die dortigen Behörden informiert worden, dass die Administration des ukrainischen Präsidenten und die EU-Beamten bereits einen Meinungsaustausch über die Verlegung der Unterzeichnung dieser Dokumente auf 2014 oder später führen. Die Initiative dazu gehe auf die Ukraine zurück, da die EU keine Möglichkeit gefunden habe, die Verluste der ukrainischen Wirtschaft zu kompensieren, die aus der Möglichkeit eines Bruchs in den ukrainisch-russischen Wirtschaftsbeziehungen entstehen könnten. Außerdem nähmen die EU-Politiker eine harte Position hinsichtlich einer Haftentlassung Julia Timoschenkos ein. Zudem hätten Industrielle und Unternehmer Präsident Janukowitsch am 12. November gebeten, die Assoziation mit der EU wenigstens um ein Jahr zu verschieben. Die Aussagen Asanows vom 13. November unterscheiden sich drastisch von jenen, die er am 18. September bei der einstimmigen Billigung des Entwurfs der Verträge mit der EU durch die ukrainische Regierung gemacht hatte. Damals hatte er erklärt, dass die Unterzeichnung der Vereinbarungen "die konsequente Entwicklung der Ukraine zu einem europäischen Lebensniveau" befördere. Das Dokument sei die "Straßenkarte" "auf dem Weg zu jenem Land, das die Mehrheit der Ukrainer will".

Die ukrainischen Kommunisten hatten diese Behauptungen als wirklichkeitsfremd bezeichnet und vor den verheerenden Folgen gewarnt. Mit dem Verschwinden der Zollbarrieren würden die ukrainischen Märkte durch billige Produkte aus der EU überschwemmt und einheimische Produzenten kaputtkonkurriert. Auf den EU-Märkten hätten ukrainische Waren dagegen kaum Chancen. Zugleich würde der russische Markt durch höhere Zölle schrumpfen und die Preise für russisches Gas auf das Niveau steigen, das die EU-Länder zahlen müssen. Im Gefolge würden ukrainische Betriebe geschlossen und die hohe Arbeitslosigkeit noch weiter steigen. Die KPU fordert ein Referendum, in dem die Bürger entscheiden sollen, ob sie die Hinwendung zur EU unterstützen oder für die Stärkung der ökonomischen Bindungen zu Russland und den Beitritt zur Zollunion votieren.

Die ukrainische Führung war und ist dazu nicht bereit. Nach alledem stellt sich die Frage, was sie mit dem Hinauszögern des Unterzeichnungstermins für die Verträge bezweckt und ob die beschleunigte Harmonisierung der Zollund anderen wirtschaftlichen Regularien zwischen der Ukraine und der Zollunion ernst gemeint ist? Es müsste ja allen Seiten klar sein, dass dies das Aus für die Verträge zwischen der Ukraine und der EU bedeuten könnte. Haben doch sowohl die EU wie Russland erklärt, die entsprechenden Regularien der EU und der Zollunion seien nicht kompatibel. Oder verbirgt sich hinter den Aussagen Asarows nur das Bemühen, doch noch Zugeständnisse der EU zu erreichen? Angesichts der unendlichen Geschichte des Schwankens der ukrainischen Führung zwischen der EU und Russland gibt es Gründe skeptisch zu sein.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 45. Jahrgang, Nr. 47 vom 22. November 2013, Seite 7
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2013