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USA/272: Perspektiven amerikanisch-syrischer Zusammenarbeit in Nahost (Haus Rissen)


HAUS RISSEN
Internationales Institut für Politik und Wirtschaft

American Bald Eagle umwirbt levantinischen Löwen:
Perspektiven amerikanisch-syrischer Zusammenarbeit in Nahost

Aktuelle Analyse Nr. 189 vom 31. März 2009
Von Sebastian Bruns und Jasna Makdissi


Syrien ist wieder da. Noch vor kurzem weltpolitisch ignoriert, geben sich nun hochrangige amerikanische Emissäre in Damaskus die Klinke in die Hand. Im Dezember 2008 Altpräsident Jimmy Carter, im Februar dieses Jahres der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Senats, John Kerry. Und erst kürzlich Jeffrey Feltman, Senior Director des Nationalen Sicherheitsrates, und Daniel Shapiro, Staatssekretär im US-Außenministerium für den Nahen Osten. In nicht mal 100 Tagen Amtszeit bricht der neue US-Präsident mit sämtlichen überkommenen Dogmen der Bush-Regierung und läutet eine neue Politik gegenüber Damaskus ein. Suchte George W. Bush den Frieden in Nahost noch über die Palästinenser, so soll der Weg Barack Obamas über Syrien gehen. Genau neun Jahre nach Bill Clintons verzweifeltem Versuch, zu Ende seiner Amtszeit einen israelisch-syrischen Frieden zu brokern, bemüht sich nun dessen Gattin Hillary, als Außenministerin dieser Strategie neues Leben einzuhauchen. Wie auf Brautschau umwerben die Amerikaner die arabische Republik, um sie aus der Zweckehe mit dem schiitischen Gottesstaat Iran zu lösen. Damit - so die Hoffnung - wird sich die Pattsituation in Nahost lösen und der Iran unter Druck geraten.

Äquidistanz als Antwort

Doch internationale Politik ist bekanntlich kein Nullsummenspiel: Immer wieder betont der syrische Präsident Bashar al-Assad, verbesserte Beziehungen zu Washington zögen keine verschlechterten Beziehungen zu Teheran nach sich. Vielmehr sieht sich der Syrer als Mediator zwischen dem Westen und dem Iran und bietet sich den Amerikanern als Vermittler im Streit mit den Mullahs an. Ein Abbruch der syrischen Beziehungen zum Schiitenstaat wird daher nicht erfolgen, auch wenn dies von vielen westlichen Staaten gewünscht wird. Die Isolation großer Mächte in einer Region hat ohnehin noch nie zu dauerhaftem Frieden geführt. Iran wird darüber hinaus als konstruktiver Mitspieler im Krisenbogen Nahost benötigt. Das endgültige Aufbrechen der Allianz würde daher eher Nachteile mit sich bringen: Ein isolierter Iran stellt auch eine unberechenbare Bedrohung für arabische Staaten dar, und eben nicht nur für die westliche Welt. Die Wegmarke für die amerikanisch-syrischen Beziehungen lautet Äquidistanz. Das bedeutet, Syrien für eine Partnerschaft mit den USA zu gewinnen und gleichzeitig als Medium zum Iran zu halten. Zu Recht wies die Frankfurter Allgemeine Zeitung daher auf eine zu erwartende "Diversifzierung von Assads außenpolitischen Bündnissen" hin. Auf diesem Weg liegen gleichwohl noch einige Hindernisse. Zunächst muss Obama die Scherben jahrelanger konfrontativer Bush-Politik gegenüber dem Pariastaat Syrien zusammenkehren. Dabei darf er nicht zu pro-syrisch auftreten, denn so würde er die einflussreiche jüdischstämmige Gemeinde in den USA und zahlreiche gemäßigte Republikaner vor den Kopf stoßen. Er riskierte seine Glaubwürdigkeit und geriete unter beträchtlichen innenpolitischen Druck. Die Vereinigten Staaten müssen zu jeder Zeit eine Sicherheitsgarantie für Israel als Top-Priorität ihrer Nahostpolitik gewährleisten. Gleichzeitig setzt Washington alles daran, sich als Regionalmacht im Nahen Osten gegenüber dem Iran zu behaupten. Syrien hingegen droht mit der lang ersehnten Rückkehr in die Weltgemeinschaft die Gefahr, die Beziehungen zu den strategisch wichtigen Persern zu verspielen und überdies seine Rolle als Vorkämpfer für die Sache der Palästinenser zu verlieren. Al-Assad, der sich in der Vergangenheit durch einen gewissen Anti-Amerikanismus profilieren konnte, muss nun auch innenpolitisch erklären, warum er aus wirtschaftlichen und strategischen Gründen den Schritt auf die Obama-Regierung zugeht. So befinden sich die beiden Staaten derzeit in einer Phase des Herantastens: Der amerikanische Adler umkreist den syrischen Löwen. Dieser zögert - soll er zum Sprung ansetzen oder aber die Krallen einziehen?

Obama Goes to Syria

Viel zu lang galten Syrien und der Iran als zwei Seiten derselben Medaille, ähnlich wie in der Zeit des Kalten Krieges die Sowjetunion und die Volksrepublik China. 1972 erregte Richard Nixon durch seinen Besuch in Peking großes Aufsehen und sorgte für einen Paradigmenwechsel. Nicht auszuschließen, dass es nach Nixon goes to China alsbald Obama goes to Syria heißt und es so zu einem ähnlich fundamentalen Wandel in den Beziehungen kommt. Der syrische Präsident al-Assad würde seinen amerikanischen Amtskollegen gerne treffen. In einem kürzlich veröffentlichten Interview taxierte er die Übereinstimmung amerikanisch-syrischer Interessen auf 80%. Doch über die restlichen 20% jener Interessen gehen die amerikanisch-syrischen Meinungen freilich weit auseinander. Obama fordert von Damaskus, die Unterstützung radikaler Gruppen wie der Hamas oder der Hisbollah konsequent, vollständig und umgehend aufzugeben. Zu einem Treffen kann es daher erst kommen, wenn al-Assad diese Verbindungen kappt. So könnte Obama die Syrer von der Liste der Schurkenstaaten entfernen, wie mit dem einst gebrandmarkten Libyen im Mai 2006 nach ähnlichen politischen Zugeständnissen geschehen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Auswahl der amerikanischen Gesandten zu verstehen. Mit Feltman und Shapiro schickt Obama zwei ausgewiesene Diplomaten, die gleichzeitig Kenner und Kritiker Syriens sind. Feltman unterstützte als US-Botschafter im Libanon die anti-syrische Bewegung ,,14. März". Shapiro wirkte am Syrian Accountability Act und den daraus folgenden Wirtschaftssanktionen gegen Damaskus mit. Die Einbindung Syriens ist ausdrücklich ein Mittel der amerikanischen Diplomatie und keine Belohnung. Eine pragmatische Politik steht somit ganz in der Tradition von Obamas Ankündigung aus der Antrittsrede vom 20. Januar: Ohne amerikanische Interessen aufzugeben, reicht er denen die Hand, die gewillt sind, ihre Faust zu öffnen. Der syrische Präsident ist nur allzu bereit, diese Hand zu greifen; allerdings nicht für einen Fototermin, wie er jüngst deutlich machte, sondern mit dem Ziel, konkrete Fortschritte in Nahost zu erzielen.


Jasna Makdissi, geb. 1979, ist seit Oktober 2008 Projektleiterin am HAUS RISSEN HAMBURG und arbeitet zur Krisenregion Naher Osten.

Sebastian Bruns, geb. 1982, ist seit November 2008 Projektleiter am HAUS RISSEN HAMBURG und arbeitet zu Themen der maritimen Sicherheit und den transatlantischen Beziehungen.

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Quelle:
Aktuelle Analyse Nr. 189 vom 31.03.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2009