Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

USA/316: Keine Frage der Moral - USA liefern Autokraten mehr Waffen als China (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Januar 2011

Afrika: Keine Frage der Moral - USA liefern Autokraten mehr Waffen als China

Von Grit Porsch


Berlin, 10. Januar (IPS) - Unmoralisch und destabilisierend sind gern bemühte Vokabeln, mit denen die US-Regierung seit Jahren Chinas Waffenexporte nach Afrika kritisiert. Sie wirft Peking vor, vornehmlich autokratische Staaten aufzurüsten, in denen Menschenrechte wenig gelten. Doch die norwegischen Politologen Indra de Soysa und Paul Midford kamen bei einer Analyse der für Afrika bestimmten US-amerikanischen Waffenexporte zwischen 1989 und 2008 zu dem Schluss, dass die Vereinigten Staaten bei weitem mehr Rüstungsgüter an repressive Regime liefern als der aufsteigende Global Player China.

"Wenn es um die Verfolgung ihrer strategischen Interessen geht, scheuen die USA auch nicht vor der Unterstützung autoritärer Regierungen zurück", betonte Paul Midford. Den Chinesen sei es im Untersuchungszeitraum beim Waffentransfer nach Afrika um den Ausbau ihrer Wirtschaftsbeziehungen gegangen und nicht um die von Washington gern propagierten Ziele wie die Stärkung von Demokratie und Menschenrechten.

Als weitweit größter Waffenhändler exportierten die USA 2009 Rüstungsgüter im Wert von 6,8 Milliarden US-Dollar. Chinas internationale Waffengeschäfte machten 0,9 Milliarden Dollar aus.

Als Grundlagenmaterial ihrer Untersuchung werteten die beiden Wissenschaftler die vom unabhängigen Stockholmer Friedensforschungsinstitut (SIPRI) regelmäßig veröffentlichten internationalen Rüstungsstatistiken aus. Kommentatoren kritisieren, dass die Studie den Handel mit Kleinwaffen, bei dem China eine weit größere Rolle spielt als die USA, nicht berücksichtigt. Dabei kosteten gerade Kleinwaffen in afrikanischen Bürgerkriegen unzähligen Menschen Leben und Gesundheit.

Die Autoren erhoben aber auch schwere Vorwürfe gegen Chinas Rüstungspolitik. So hatte die Volksrepublik im Untersuchungszeitraum Simbabwes diktatorischem Staatspräsidenten Robert Mugabe Waffen im Wert von 28 Millionen Dollar geliefert. In den Sudan, in dem im Süden und im westlichen Darfur mörderischen Bürgerkriege ausgetragen wurden, exportierte das Reich der Mitte im gleichen Zeitraum Waffen im Wert von 139 Millionen Dollar.

Allerdings relativiert sich der Betrag im Vergleich mit dem Ausmaß der Rüstungslieferungen anderer Länder. So war Russland mit 701 Millionen Dollar an Sudans Waffengeschäften beteiligt. Die USA lieferten dem nordostafrikanischen Staat zwar keine Waffen, doch 2007 lobte das US-amerikanische Außenministerium die Regierung in Khartum als "starken Partner im Kampf gegen den Terror" und unterhielt Berichten zufolge enge Kontakte zu sudanesischen Militärs und Geheimdienstvertretern.


US-Waffen im Wert von 14,19 Milliarden Dollar an Ägypten

Den Löwenanteil der US-amerikanischen Rüstungsexporte nach Afrika (92 Prozent) erhielt Ägypten, in dem Staatspräsident Hosni Mubarak seit zwei Jahrzehnten mit eiserner Hand regiert. Nach dem von SIPRI verwendeten Dollar-Referenzkurs belief sich der Wert dieser Waffenlieferungen zwischen 1989 und 2008 auf 14,19 Milliarden Dollar. Im gleichen Zeitraum lieferte China Ägypten mit Waffen im Wert von 425 Millionen Dollar, deutlich mehr als Pekings gesamte Rüstungsexporte nach Simbabwe und Sudan (312 Millionen Dollar).

Auch Marokko, ein Land ohne demokratische Reputation, war im Untersuchungszeitraum ein von den USA bevorzugter Empfänger von Waffenexporten, die sich auf insgesamt 420 Millionen Dollar beliefen. Peking lieferte der nordafrikanischen Monarchie keine Rüstungsgüter. Dagegen wurde China nach der Unabhängigkeit Namibias 1990 der wichtigste Waffenlieferant des demokratisch regierten Landes. Mit insgesamt 244 Millionen Dollar machten chinesische Waffen bis 2008 70 Prozent der namibischen Rüstungsimporte aus.

Anders als westliche Kritiker rechnen die Verfasser der Studie nicht damit, dass Peking seine künftigen Waffengeschäfte mit anderen Staaten massiv ausweitet. Chinas Außenhandel sei vom Waffenexport weniger abhängig als etwa die auf Expansion gerichteten USA, begründeten sie ihre Prognose.


Washington erleichtert den Waffenexport

In den USA hat die Obama-Regierung inzwischen die Exportvorschriften für Waffen gelockert, um die einheimische Rüstungsindustrie und den Außenhandel anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen. So etwa stellte Washington der Regierung Nigerias verstärkte militärische Unterstützung in Aussicht, damit sie im ölreichen Nigerdelta besser gegen Aufständische gerüstet ist. Die USA beziehen zehn Prozent ihrer Erdölimporte aus Nigeria.

Chinas wachsende Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent wird in den USA als bedrohliche Konkurrenz gesehen. Vor hochrangigen, in Nairobi tagenden Vertretern von Erdölkonzernen nahm Johnnie Carson, Washingtons Spitzendiplomatin in Afrika, kein Blatt vor den Mund, als sie erklärte: "China ist ein sehr aggressiver und verderblicher Wirtschaftskonkurrent ohne jegliche Moral." WikiLeaks machte das undiplomatische Statement publik. (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.sipri.org/
http://www.allacademic.com

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. Januar 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Januar 2011