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USA/378: USA - Innenpolitisch schwache Regierung, wachsender Verteidigungshaushalt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Oktober 2014

USA: Innenpolitisch schwache Regierung, wachsender US-Verteidigungshaushalt

von Jim Lobe


Bild: © Brett Weinstein/cc by 2.0

Die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton, die auf das Präsidentenamt spekuliert
Bild: © Brett Weinstein/cc by 2.0

Washington, 17. Oktober (IPS) - Ungeachtet der anhaltenden Kriegsmüdigkeit der US-Bürger könnte der riesige US-Verteidigungshaushalt weiter zulegen. Wie aus einer neuen Studie des Think Tanks 'Center for International Policy' (CIP) hervorgeht, gibt es einen Zusammenhang zwischen innenpolitisch geschwächten Regierungen wie der von US-Präsident Barack Obama und einem Anstieg der Rüstungsausgaben.

Dies sei bereits in den Jahren von 1978 bis 1982 sowie zwischen 1998 und 2001 erkennbar gewesen, so die Studie 'Something in the Air: 'Isolationism', Defense Spending, and the U.S. Public Mood', die kürzlich in Washington vorgestellt wurde. Auch die damaligen Präsidenten Jimmy Carter und Bill Clinton seien durch innenpolitische Auseinandersetzungen geschwächt worden.

In den außenpolitischen Diskussionen habe damals der Standpunkt vorgeherrscht, dass die USA den neuen Herausforderungen in Übersee nicht gewachsen seien, heißt es in der CIP-Untersuchung. Daraufhin hätten demokratische Kongressabgeordnete, die sich erneut zur Wahl stellen wollten, härtere Positionen eingenommen.

Dieser Trend ist auch derzeit zu beobachten. "So stellt sich die führende demokratische Aspirantin auf das Präsidentenamt außenpolitisch rechts von Obama auf", erklärte der Autor der 41-Seiten-Studie, Carl Conetta, in Anspielung auf die ehemalige Außenministerin Hillary Clinton. Der Diskurs der Medien und der Experten werde sich dem der Hardliner annähern. Allerdings könnte die Öffentlichkeit eine erneute Erhöhung der Militärausgaben aufgrund der zögerlichen Wirtschaftserholung ablehnen.


Kein Freibrief für militärischen Aktionismus

Würden die Rüstungsausgaben in den nächsten Jahren ansteigen, könne dies nicht als Freibrief für militärischen Aktionismus missverstanden werden, erst recht nicht für langfristige Einsätze einer großen Zahl von Infanteristen, so Conetta, ein erfahrener Analyst, der das CIP-Projekt für Verteidigungsalternativen leitet. Denn die Kriegsführung im Irak und in Afghanistan habe die US-Amerikaner desillusioniert.

Die Studie, die Umfragedaten aus vergangenen Jahrzehnten und Entwicklungen bei den Rüstungsausgaben eingehend ausgewertet hat, erscheint knapp einen Monat vor den Kongress-Zwischenwahlen. Die Republikaner, die noch vor einem Jahr eine US-Militärreaktion auf den Chemiewaffeneinsatz des syrischen Regimes abgelehnt hatten, rüsten inzwischen wieder verbal auf. Sie werden aller Voraussicht nach die Mehrheit im Senat erlangen und die stärkste Fraktion im Abgeordnetenhaus bleiben.

Die Obama-Regierung sieht sich mit einer Vielzahl heikler außenpolitischer Probleme konfrontiert - neben dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine den spektakulären Vormarsch der radikalislamischen IS-Miliz im Irak und in Syrien und deren brutalen Umgang mit Minderheiten und westlichen Gefangenen. Die Videos, die die die Enthauptung mehrerer US-Journalisten sowie Mitarbeiter von Hilfsorganisationen zeigten, zwangen Obama dazu, mit Luftangriffen und der Entsendung hunderter US-Berater in die Krisenregion zu reagieren.


Ebola-Gefahr erschüttert Vertrauen der US-Bürger in Obama

Zudem hat die wachsende Sorge angesichts der Ausbreitung des Ebola-Fiebers in Westafrika und möglicherweise auch in den USA dazu beigetragen, dass das Vertrauen der US-Bürger in Obamas Amtsführung abnimmt. Neo-Konservative und andere Falken, insbesondere aus den Reihen der Republikaner, haben dadurch Oberwasser gewonnen. Seit langem halten sie Obama Führungsschwäche, eine beschwichtigende Haltung gegenüber angeblichen Gegnern und sogar eine 'Isolationspolitik' vor. Diese Vorwürfe dürften sich im Vorfeld der Novemberwahlen weiter verstärken.

Ehemalige führende Militäroffiziere - vor allem diejenigen, die inzwischen für große Rüstungsfirmen arbeiten - drängen unterdessen auf Rücknahme der kürzlich beschlossenen Einsparungen im Verteidigungssektor. Die Rüstungsausgaben sind im Vergleich zum Rekordbudget von fast 800 Milliarden US-Dollar 2008 inzwischen um effektiv etwa 21,5 Prozent gesenkt worden. Dennoch entsprechen sie immer noch fast 40 Prozent der globalen Militärausgaben und vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts der USA. Damit liegt das Rüstungsbudget der USA um das Doppelte über den durchschnittlichen Ausgaben der anderen Staaten der Welt.

Meinungsumfragen zufolge ist die US-Öffentlichkeit seit Jahrzehnten geteilter Meinung über die globale Rolle des Landes. Einerseits spricht sich eine Mehrheit dafür aus, dass die USA die führende Militärmacht sein sollten. Auf der anderen Seite sind viele US-Bürger aber dagegen, dass die Regierung als 'Weltpolizist' auftritt. Stattdessen wird eine kooperative, multilaterale Haltung in außenpolitischen Fragen bevorzugt. Militärisches Eingreifen und unilaterale Aktionen sollten demnach nur die Mittel der letzten Wahl sein.

Nach Ansicht von Conetta widersprechen sich diese unterschiedlichen Standpunkte nicht. "Die Öffentlichkeit betrachtet die militärische Übermacht des Landes als Mittel der Abschreckung und Sicherheit und weniger als Blanko-Scheck für militärischen Aktionismus", erklärte er.


Mehrheit für hartes Durchgreifen bei Angriffen auf US-Bürger

Über viele Jahre durchgeführte Umfragen des 'Pew Research Center', des 'Chicago Council on Global Affairs' und 'Gallup' legen nahe, dass die Öffentlichkeit entschiedene Reaktionen auf Angriffe gegen US-Bürger, auf die vitalen Interessen des Landes, Massentötungen und Völkermorde verlässlich unterstützen würde.

Eine Einmischung in Konflikte zwischen anderen Staaten oder in Bürgerkriege wird hingegen weitgehend abgelehnt. Trotz anfänglicher Begeisterung für einen 'Regimewechsel' in Afghanistan und im Irak lehnen die US-Bürger solche Anstrengungen ebenso wie eine 'bewaffnete Nationenbildung', insbesondere wenn das Vorgehen unilateral erfolgt, ab.

Nach jüngsten Umfrageergebnissen seien die meisten US-Bürger dafür, die Ausgaben des Pentagons weiter zurückzuschrauben, heißt es in der CIP-Studie. Dies könne sich aber bald ändern, vor allem während der Vorbereitungsphase für die Präsidentenwahlen 2016. (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/10/despite-publics-war-weariness-u-s-defence-budget-may-rise/

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IPS-Tagesdienst vom 17. Oktober 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Oktober 2014