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USA/389: "Sei keine Marionette" - Kritik an FBI-Programm zum Schutz gegen Islamisten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. November 2015

USA: 'Sei keine Marionette' - Kritik an FBI-Programm zum Schutz gegen Islamisten

von Katharina Federer


Bild: I, Aude, CC-BY-SA-3.0, Wikimedia Commons

Hauptsitz des FBI in Washington
Bild: I, Aude, CC-BY-SA-3.0, Wikimedia Commons

NEW YORK/BERLIN (IPS) - Die US-Bundespolizei FBI plant ein interaktives Online-Programm, das Jugendliche vor der Anwerbung durch gewaltbereite Islamisten schützen soll. Wie Medien in den USA berichten, haben Sprecher muslimischer und arabischer Gruppen sowie anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen den Vorstoß scharf kritisiert. Das FBI habe lediglich islamischen Extremismus im Visier, der bei den Amokläufen an Schulen bisher allerdings keine Rolle gespielt habe, erklärten sie.

Das Programm 'Don't be a puppet' (Sei keine Marionette), das die Bundespolizei auf einer neuen Website zugänglich machen will, soll Nutzer durch Spiele und Tipps in die Lage versetzen, potenzielle Rekruten radikaler Gruppen zu erkennen. Bei jeder richtigen Antwort schneide eine Schere auf der Website einen der Fäden einer Marionette durch, bis sie schließlich befreit sei, berichtet die 'New York Times'.

Die Strafverfolgungsbehörden in den USA arbeiten verstärkt daran, Anwerbungen durch islamistische Gruppen von vornherein zu verhindern. Dazu holen sie unter anderem Rat bei Religions- und Gemeindeführern ein. Die Kontroverse über das neue Online-Programm zeigt aber, dass strittig ist, wer daran beteiligt werden sollte, Verdächtige ausfindig zu machen und den Behörden zu melden. Wo die Grenze zwischen Prävention und Fahndungen aufgrund ethnischer Herkunft und Religionszugehörigkeit verlaufen soll, ist offenbar unklar.

"Das FBI entwickelt eine Website, um die Öffentlichkeit im Internet für die Gefahren durch gewaltbereite Islamisten zu sensibilisieren", erklärte eine Sprecherin der Behörde. Schüler, Lehrer und Vertreter der Gesellschaft sollten daran beteiligt werden.


Lehrer sollten keine Strafverfolger werden

Arjun S. Sethi, der Rechtswissenschaften am Georgetown University Law Center lehrt, warnte jedoch davor, Lehrer zu einem "verlängerten Arm der Strafverfolgung" zu machen. Nach Ansicht des Experten, der von dem FBI um seine Einschätzung gebeten worden war, basiert 'Don't be a puppet' auf "fehlerhaften Annahmen" und setze "falsche Prioritäten". Denn die Radikalisierung von Individuen verlaufe nicht auf ein- und dieselbe Weise. "Die größte Gefahr für Schulkinder in den USA ist Waffengewalt, nicht islamischer Extremismus", erklärte Sethi.

Mehrere Religionsführer gaben außerdem zu bedenken, dass nicht alle Lehrer darauf vorbereitet seien, Extremisten zu identifizieren. Sie wiesen auf den Fall eines muslimischen Schülers in Texas hin, der festgenommen und in Handschellen abgeführt wurde, weil er eine selbstgebastelte Uhr in die Schule mitgenommen hatte.

Im Sommer hatte das FBI das neue Programm auf mehreren Treffen vorgestellt und eine Strategie ausgearbeitet, um Gemeindeführer in die Prävention von Extremismus einzubinden. Arabische und muslimische Gruppen wurden per E-Mail gebeten, bis zum 16. Oktober eine Beurteilung abzugeben.

Auf einem dieser Treffen wurde Mitgliedern von sechs Organisationen, die Muslime, Araber, Jemeniten und Sikhs in den USA vertreten, das Programm im Schnelldurchlauf vorgestellt. Das FBI geht darin auf unterschiedliche gewaltbereite Gruppen und Ideologien ein und gibt Beispiele für Persönlichkeitsveränderungen, die auf eine Beeinflussung durch Islamisten hindeuten könnten. Zudem wird eine Landkarte gezeigt, auf der Orte markiert sind, an denen Terroristen Anschläge verübt haben. Hinzu kommen Interviews mit Überlebenden von Terrorangriffen.

"Von allen Teilnehmern kamen ablehnende Reaktionen. Die Atmosphäre bei dem Treffen war sehr angespannt", berichtete Abed A. Ayoub vom 'American-Arab Anti-Discrimination Committee'. "Sie erwarten, dass Lehrer für Sozial- und Staatsbürgerkunde dieses Programm im Unterricht behandeln", sagte Hoda Hawa, die dem 'Muslim Public Affairs Council' angehört. "Die Website wird aber auch für die breite Öffentlichkeit zugänglich sein."


Mangelnde Differenzierung beklagt

Hawa und andere Befragte sind vor allem über eine Frage beunruhigt, die sich darauf bezieht, welche Einträge in sozialen Netzwerken als alarmierend einzustufen seien. Zur Wahl standen etwa ein Posting einer Person, die eine politische Veranstaltung besuchen wollte, oder der Eintrag einer Person mit arabischem Namen, die zu einer 'Mission' im Ausland aufbrechen wollte. Wer sich für das letztere Beispiel entschied, hatte die Frage richtig gelöst.

"Um welche Mission soll es sich dabei handeln?" fragte Hawa. "Es hätte auch ein humanitärer oder religiös motivierter Hilfseinsatz sein können." Ayoub befürchtet nun, dass Jugendliche, die dieses Programm kennenlernen, muslimische Mitschüler mobben könnten. (Ende/IPS/ck/03.11.2015)

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 3. November 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2015

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