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FINANZEN/391: Ökonom der Uni Bochum schlägt System nachgelagerter Studienbeiträge vor (RUB)


RUB - Ruhr-Universität Bochum - 22. November 2010

RUB-Ökonom schlägt System nachgelagerter Studienbeiträge vor

- 26. November: Anhörung im Landtag
- Australisches Erfolgssystem ließe sich auf NRW übertragen


In der Debatte um Studienbeiträge stehen sich Befürworter und Gegner unversöhnlich gegenüber: Während die einen sie für unverzichtbar für ein qualitativ hochwertiges Studium und eine langfristige Hochschulfinanzierung halten, befürchten die anderen eine soziale Selektionswirkung und plädieren für die Abschaffung. Dass Studienbeiträge aber auch ohne den unerwünschten Nebeneffekt der sozialen Selektion möglich sind, legt Prof. Dr. Stefan Winter dar. Er hat ein Modell für nachgelagerte Studienbeiträge entwickelt, das sich am australischen Erfolgsmodell orientiert. Seinen Vorschlag wird er bei einer Anhörung im NRW-Landtag am 26. November präsentieren.

Das komplette Papier von Prof. Winter finden Sie im Internet unter:
http://aktuell.ruhr-uni-bochum.de/pm2010/pm00390.html.de



Abschaffung wäre sozial ungerecht

Bessere Betreuungsverhältnisse, ein größeres Lehrangebot, kleine Seminargruppen, eine moderne Lernumgebung, mehr Beratung: Die Studienbeiträge haben in den letzten Jahren viel dazu beigetragen, die Studienbedingungen zu verbessern. Mit ihrer Abschaffung sehen viele nicht nur diese Errungenschaften gefährdet. "Der komplette Verzicht auf Studienbeiträge ist auch hochgradig sozial ungerecht", argumentiert Winter, da in dem Fall die gesamte Bevölkerung für das Privileg des Studiums von Wenigen aufkommt und die Nutznießer selbst bei höheren Einkommen und somit höheren Steuern die Kosten ihres Studiums nie ganz zurückzahlen. Für bestimmte, teils sehr gut verdiende Berufsgruppen zeigt sich sogar, dass diese sich auch nachträglich überhaupt nicht an der Finanzierung ihrer Studienkosten beteiligen.


Beiträge werden nur bei höherem Einkommen fällig

Sein Vorschlag: Nachgelagerte Studienbeiträge, die sich an der Höhe des Einkommens bemessen. Studienzeit sowie Zeiten der Arbeitslosigkeit und Kindererziehung sollen beitragsfrei sein. Zahlungen werden nur dann fällig, wenn das jährliche Einkommen eine bestimmte Mindestsumme übersteigt, in Winters Beispiel 32.000 Euro. Zehn Prozent der Summe, um die das Einkommen diesen Wert übersteigt, würden im Jahr als Studienbeitrag gezahlt, z.B. bei einem Einkommen von 39.000 Euro (= 7.000 Euro mehr als das Mindesteinkommen) 700 Euro pro Jahr. Ist eine festgelegte Höchstsumme gezahlt, die je nach Kosten von einem Studienfach zu anderen unterschiedlich sein kann, endet die Zahlungspflicht.


Mehr Mittel für die Hochschulen

"Eine derartige Konstruktion hätte zur Folge, dass ausgebildete Akademiker mit hohem Einkommen nachträglich hohe Studienbeiträge leisten würden, während solche mit niedrigem Einkommen keine oder sehr niedrige Beiträge bezahlen würden", erklärt Prof. Winter. Kreditrisiken und finanzielle Engpässe bei Karriereunterbrechungen wären ausgeschlossen. Anhand der Verhältnisse in NRW rechnet er vor, dass sich durch das am australischen System orientierte Modell langfristig rund 650 Mio. Euro Studienbeiträge p.a. einnehmen ließen - mehr als doppelt so viel wie derzeit durch die Studienbeiträge in die Kassen der Hochschulen fließen. Die langjährigen Erfahrungen aus Australien seit 1989 haben gezeigt, dass der Anteil der studierenden Kinder aus einkommensschwachen Familien nicht gesunken ist. Tatsächlich konnte mit den eingenommenen Studienbeiträgen die Anzahl verfügbarer Studienplätze sogar um 50% erhöht werden, wovon in vollem Umfang auch Kinder aus wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungsschichten profitiert haben. "Australien hat es damit geschafft, einen echten Schritt hin zu einer Wissensgesellschaft zu gehen", so Winter. Neuseeland, Südafrika und Großbritannien haben das System inzwischen übernommen.


Gesellschaftlicher Nutzen gut ausgebildeter Akademiker kein Grund für Beitragsfreiheit

In der öffentlichen Debatte wird häufig argumentiert, dass eine Gesellschaft von gut ausgebildeten Akademikern profitiere und daher deren Ausbildungskosten übernehmen müsse. "Dieses Argument ist indessen nicht tragfähig", so Prof. Winter. Da eine akademische Ausbildung auch private Erträge ermögliche, spreche das Argument des gesellschaftlichen Nutzens allenfalls dafür, die Kosten der Ausbildung zu teilen. Winters Vorschlag erlaubt dies, indem für Studiengänge individuell festgelegt werden kann, in welchem Umfang die Absolventen die Kosten tragen und in welchem Umfang die Gesellschaft sie trägt. Das australische Modell hat gezeigt, dass bei Kostenteilung der gesamtgesellschaftliche Nutzen deutlich gesteigert werden kann. Winter schließt in seiner Stellungnahme mit der Bemerkung, dass selbst sein eigenes Studium überwiegend von der Gesellschaft bezahlt worden ist. "Angesichts meines eigenen Lebensstandards halte ich das für sozial hochgradig ungerecht."

Redaktion: Meike Drießen


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 388 vom 22. November 2010
RUB - Ruhr-Universität Bochum
Dr. Josef König - Pressestelle - 44780 Bochum
Telefon: 0234/32-22830, -23930; Fax: 0234/32-14136
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Internet: ruhr-uni-bochum.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2010