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INTERNATIONAL/031: Pazifik - Volle Klassenzimmer, doch Kinder können kaum lesen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Juli 2013

Pazifik: Volle Klassenzimmer - Doch Kinder können kaum lesen

von Catherine Wilson


Bild: Catherine Wilson/IPS

Schulkinder in Papua-Neuguinea
Bild: Catherine Wilson/IPS

Sydney, 9. Juli (IPS) - Den meisten Inselstaaten des Pazifik ist es gelungen, ihre Einschulungsraten zu erhöhen. 14 des 16 Länder umfassenden Pazifik-Insel-Forums nehmen Kurs auf das zweite UN-Millenniumsziel, bis 2015 allen Kindern eine Schulbildung zu garantieren. Ein genauerer Blick in die Klassenzimmer enthüllt jedoch eine schockierend niedrige Alphabetisierungsrate.

Zwei Organisationen - die Asien-Südpazifik-Vereinigung für Grund- und Erwachsenenbildung (ASPBAE) und das Bildungsförderungsnetzwerk von Papua-Neuguinea (PEAN) - haben gemeinsam die Auswirkungen staatlicher Bildung auf die Bevölkerung der Provinz Madang in Papua-Neuguinea im Alter von 15 bis 60 Jahren untersucht. In dem südwestpazifischen Inselstaat leben insgesamt etwa sieben Millionen Menschen.

Die Ergebnisse der Untersuchung legen nahe, dass die so genannten Fortschritte im Bildungssektor nur bescheidene Auswirkungen gehabt haben. Die Alphabetisierungsrate in den nationalen Sprachen Englisch und Tok Pisin liegt demnach bei nur 23 Prozent. Viele Schüler sind auch nach dem Abschluss der Grundschule nicht in der Lage zu lesen und zu schreiben.

Ähnliche Resultate wurden auch aus anderen Ländern im südwestlichen Pazifikraum bekannt. 2011 beobachtete ASPBAE 1.475 Personen über 15 Jahre in der Provinz Shefa im Inselstaat Vanuatu. Obwohl 85 Prozent von ihnen angaben, einen einfachen Brief in den offiziellen Sprachen Bislama, Französisch oder Englisch lesen und schreiben zu können, stellte sich bei individuellen Tests heraus, dass nur 27,6 Prozent tatsächlich dazu imstande waren.

Dabei kann Vanuatu sogar eine Einschulungsrate von 88 Prozent vorweisen. Doch obgleich 90 Prozent aller Befragten staatliche Schulen besuchten, schlossen lediglich 40 Prozent die Grundschule ab.


Schulen schlecht ausgestattet

Auf den Salomonen, einer Inselgruppe südöstlich von Papua-Neuguinea, ließ die Regierung verlauten, dass sich das Land in bemerkenswerter Weise von dem fünfjährigen Bürgerkrieg von 1998 bis 2003 erholt habe. Die Einschulungsrate wurde mit 91 Prozent angegeben. Die schlechte Ausstattung von Schulen in ländlichen Räumen und ein Desinteresse am Lernen werden jedoch dafür verantwortlich gemacht, dass sich die Kenntnisse der Schüler auf einem kritischen Niveau befinden.

Dabei hatten 97,7 Prozent der rund 2.200 Personen, die von ASPBAE in der Hauptstadt Honiara und in der Provinz Malaita befragt worden waren, erklärt, sie hielten den Schulbesuch von Kindern für wichtig. Dennoch gingen 53,8 Prozent aller Mädchen und 37,6 Prozent der Jungen im Alter von 15 bis 19 Jahren nicht zur Schule.

"Die Kinder nehmen zu Hause und in der Schule nur selten Bücher in die Hand. Viele von ihnen arbeiten nach der Schule, um die Familie zu unterstützen. Deshalb haben sie keine Zeit zum Lesen", erläutert Lice Taufaga von der 'University of the South Pacific'. "Vor allem diejenigen, die nicht in ihrer ersten Sprache unterrichtet werden, können schlecht lesen und schreiben." Wie die Expertin erklärt, findet an den meisten Schulen der Region der Unterricht auf Englisch, also in der Geschäfts- und Verkehrssprache, statt. Zudem werde Lesen in vielen Gesellschaften im Pazifikraum nicht hoch angesehen.


Linguistische Vielfalt

Die Vermittlung von Lesen und Schreiben in einer Region mit einer Bevölkerung von insgesamt zehn Millionen Menschen ist nicht zuletzt deshalb eine große Herausforderung, weil dort etwa ein Fünftel aller Sprachen auf der Welt gesprochen werden. Hinzu kommt Englisch, das in der Kolonialzeit eingeführt wurde.

In den Staaten Melanesiens werden hunderte indigene Sprachen und Mundarten praktiziert, von denen viele nur mündlich überliefert sind. Sie werden von 88 Prozent der Bevölkerung von Vanuatu gesprochen, während 60 Prozent angeben, täglich Bislama, Englisch oder Französisch zu benutzen.

Wie die Weltbank in einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie feststellte, sind aber auch die Kenntnisse der indigenen Sprachen dürftig. In dem Staat Tonga wurde ermittelt, dass nur 30 Prozent der Schüler in drei Jahren Grundschulausbildung fließend Texte in Englisch oder der Sprache Tonga lesen konnten.

Vor rund zehn Jahren hatten Pädagogen die Aufwertung der pazifischen Sprachen und Kulturen im Bildungssystem gefordert. In der Realität wird aber weiter vorwiegend auf Englisch und Französisch unterrichtet, um den Kindern das Leben in einer globalisierten Welt zu erleichtern.

Nach Angaben der Weltbank stellt die Regierung von Vanuatu 23,7 Prozent ihrer Ausgaben für den Bildungsbereich bereit. Auf den Salomonen sind es demnach sogar 34 Prozent, während der Anteil in Neuseeland bei 16,1 Prozent und in Australien bei 13,5 Prozent liegt. Bis zu 90 Prozent dieser Ausgaben im Pazifikraum werden für die Gehälter von Lehrern aufgewendet. Für die Weiterentwicklung der Bildungssysteme und der entsprechenden Infrastruktur bleibt nur wenig übrig. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.aspbae.org/
http://www.forumsec.org/
http://www.ipsnews.net/2013/07/the-classrooms-are-full-but-the-students-cant-read/

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IPS-Tagesdienst vom 9. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2013