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INTERNATIONAL/055: Südafrika - Fremdenfeindlichkeit beginnt mit dem Ausschluss aus den Schulen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. April 2015

Südafrika: Fremdenfeindlichkeit beginnt mit dem Ausschluss aus den Schulen

von Lisa Vives und Karina Böckmann


New York, Berlin, 29. April (IPS) - In der südafrikanischen Verfassung ist das Recht auf eine universelle Grundschulbildung verankert. Dennoch werden Kinder von Asylsuchenden und Flüchtlingen vom Schulunterricht ausgeschlossen. Kritikern zufolge ist diese Diskriminierung ein entscheidender Faktor, der die ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit am Kap befeuert.

In einer Neuauflage der brutalen Übergriffe auf afrikanische Migranten in Durban 2008 mit mehr als 60 Toten kommt es seit Anfang April landesweit zu Unruhen, die bisher mindestens zehn Menschen das Leben gekostet und 5.000 vertrieben haben. Auch wurden Geschäfte von Ausländern geplündert.

Lokale Menschenrechtsorganisationen machen für den neuerlichen Ausbruch der fremdenfeindlichen Gewalt diskriminierende Äußerungen traditioneller Führer und Regierungsvertreter verantwortlich. So hatte am 21. März der Zulu-König Goodwill Zwelithini gegenüber den Medien erklärt, dass die Ausländer aus dem Land verschwinden sollten. Am 15. April ließ sich Edward Zuma, Sohn des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma, ebenso negativ über die Zuwanderer aus.

Nach Ansicht der 'Lawyers for Human Rights' leistet nicht zuletzt der Ausschluss von Migrantenkindern an den südafrikanischen Schulen einen Beitrag zu der schwelenden Fremdenfeindlichkeit im Lande.


Gerichtsurteil wirkungslos

Vor zwei Jahren hatte die Organisation zusammen mit dem Kinderrechtszentrum der Universität von Pretoria die Regierung verklagt, um die Einschulung von Kindern aus der Demokratischen Republik Kongo (DRC) zu erzwingen. Obwohl sich die Kläger vor Gericht durchsetzen konnten, wurde das Urteil nicht umgesetzt. "Wir haben Briefe geschrieben", sagte Neo Chokoe von der Menschenrechtsgruppe. "Doch umgesetzt wurde der Richterspruch nicht."

Ebenso wenig Erfolg hat eine private Initiative afrikanischer Lehrer, die in Johannesburg eine Schule für Flüchtlingskinder beitreibt. Die 'Albert Street Refugee School', bemüht sich seit 2008 vergeblich um ihre Anerkennung durch das südafrikanische Bildungsministerium. Stattdessen drohen die Behörden immer wieder mit der Schließung der von Methodisten gegründeten Einrichtung.

"So beginnt Fremdenfeindlichkeit", erklärte der Schulleiter William Kandowe gegenüber dem britischen Sender BBC. Wenn die Behörden das Fehlen von Feuerleitern oder einer Bibiothek bemängelten, suche die Schule Geber, die den Bau von Notausgängen und Bibliotheken finanziere.

Die Albert Street Refugee School war zunächst eine Schule für schwarze Südafrikaner gewesen, die 1958 unter dem Apartheidregime geschlossen wurde. Nach den brutalen Ausschreitungen gegen afrikanische Migranten wurde sie 2008 als Schule für Flüchtlingskinder wiedereröffnet. Inzwischen werden dort rund 600 Mädchen und Jungen aus zwölf afrikanischen Ländern, darunter 120 unbegleitete Flüchtlingskinder, von der ersten bis zur zwölften Klasse beschult.

Die wenigsten Lehrer und Schüler haben ein Zuhause. Sie gehören zu dem Heer hunderter Flüchtlinge, die im Zentrum von Johannesburg in der Missionskirche der Methodistenkirche übernachten.

Das Recht auf Schulunterricht für Flüchtlingskinder wurde von internationalen Organisationen wie dem UN-Flüchtlingshochkommissariat und vom Zentrum für Bildungsrechte und Übergang der Universität von Johannesburg angemahnt, das herausgefunden hat, dass südafrikanische Schulleiter die Einschulung von Flüchtlingskindern häufig von Papieren abhängig machen, die offiziell gar nicht erforderlich sind.


Bildungs-MDG gefährdet

Aus einem Beitrag im 'Africa Education Review', einem von der Universität von Südafrika publizierten Bildungsmagazin, geht hervor, dass der Kapstaat ohne die Beschulung von Flüchtlingskindern das UN-Millenniumsentwicklungsziel (MDG) bis Ende des Jahres allen Kindern eine Grundschulbildung zu ermöglichen, nicht erreichen kann. "Der Zugang der Flüchtlingskinder zu den weiterführenden Schulen ist ebenfalls begrenzt."

Inzwischen bemüht sich die südafrikanische Regierung um Schadensbegrenzung - zu spät, wie Kritiker und Zuwanderer sagen. Der Zulu-König ist inzwischen zurückgerudert und hat mitgeteilt, missverstanden worden zu sein. Präsident Zuma will die Ruhe und Ordnung in den Städten durch die Präsenz der Streitkräfte in den Unruhezentren wiederherstellen. (Ende/IPS/kb/2015)


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IPS-Tagesdienst vom 29. April 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2015

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