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MELDUNG/116: Protestcamp "Alternative Universität" (Aktionsplenum der Universität Hamburg)


Aktionsplenum der Universität Hamburg - Pressemitteilung vom 7. Juni 2011

Großdemonstration, Rathausmarktbesetzung und Protestcamp am Jungfernstieg gegen Kürzungsvorhaben des UniEtats


10.000nde Studierende, Professor*innen, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, Interessierte und Unterstützer*innen gingen heute auf die Straße für bessere Bildung und Wissenschaft, gegen erneute Kürzungen und gegen Studiengebühren. Tausende besetzten den Rathausmarkt und begannen das öffentlich angekündigte Protestcamp aufzubauen. Aufgrund des massiven Eingriffs der Polizei und der drohenden Räumung des Camps zogen die Protestierenden mit ihren Zelten und Schlafsäcken um auf den Jungfernstieg direkt an die Alster. Dort finden die nächsten Tage offene Vorlesungen, Seminare, Workshops und Aktionen statt.

Wo bleibt die Bildung?
Der Haushalt der Hamburger Hochschulen soll um 6-10 Prozent gekürzt werden. Für das laufende Jahr 2011 bedeutet das Einsparungen von 20 Millionen Euro. Dies hätte massiven Stellenabbau und die Streichung ganzer Studiengänge oder sogar Fachbereiche zur Folge. Von drastischen Kürzungen über Legislaturperioden hinweg ist aber nicht nur die Wissenschaft betroffen, sondern das gesamte Sozial- und Bildungssystem. Es macht keinen Unterschied welche Partei in welcher Koalition die Regierung bildet, diese Politik hat seit Jahrzehnten Kontinuität. Selbst wenn die SPD vor der Wahl verspricht die Studiengebühren abzuschaffen, kürzt sie nach der Wahl 6-10 Prozent des Uni-Etats. Das ist Wahlbetrug.

Wir wollen mehr als nur gegen die Kürzungen zu demonstrieren!

Für die Ausfinanzierung der Hochschulen! Für sofortige Gebührenfreiheit!
Für die radikale Reform des Bachelor-Master-Systems! Für die grundlegende Redemokratisierung der Hochschulen!

Großdemonstration zum Rathaus Die Demo startete um 14 Uhr mit zwei Zügen vom Dammtor und vom Berliner Tor aus in Richtung Rathaus. Die Polizei spricht von 10000, die TAZ von 15000 Demonstrierenden. Alle Hochschulen und Statusgruppen waren vertreten. Die Demo war ein großer Erfolg. Zum Abschluss der Demonstration wurde noch auf die um 17 Uhr stattfindende Wissenschaftsausschusssitzung hingewiesen. Da die Sitzung öffentlich war, musste die Polizei die Demonstrierenden durch die Absperrungen auf den Rathausmarkt lassen.

Rathausmarktbesetzung
Nach dem Abschluss des Sternmarsches aller Hamburger Hochschulen besetzten die Protestierenden den Rathausmarkt - trotz starkem Polizeiaufgebots. Hunderte dort versammelte Menschen bauten sofort Zelte und Sitzgelegenheiten auf. "Gleich gibt es Essen und Getränke! Danach überlegen wir im großen Kreis, wie es weiter geht. Wir sind gekommen, um zu bleiben" tönten die Megaphone. Eine beteiligte Demonstrierende äußerte: "Die Stimmung ist super, wir bleiben hier!"
Die Idee hinter der Besetzung war es, eine alternative Uni auf dem Rathausmarkt aufzubauen, um die Wichtigkeit von Bildung und Wissenschaft zu demonstrieren. Gleichzeitig sollten alle Menschen die Möglichkeit haben an dem Camp und den offenen Bildungsangeboten teilzunehmen, sowie diese mitzugestalten. Dazu luden und laden wir alle ein!
Doch bevor das Essen an die Demonstrierenden verteilt werden konnte, bezog die Polizei Stellung und forderte die Protestierenden auf, das Protestcamp wieder abzubauen. In der Bannmeile vor der "demokratischen" Institution Rathaus seien Versammlungen, sowie das Aufbauen von Zelten verboten. Der Polizei dauerte der Umzug des Camps auf den vorgesehenen und angemeldeten Platz am Jungfernstieg zu lange. Sie ging offensiv in die Demonstration und versuchte die verbliebenen Zelte zu beschlagnahmen. Dies führte zur Eskalation der Situation. Mehrere Demonstranten wurden verletzt und viele Zelte zerstört. Trotz der Auseinandersetzungen blieben hunderte Menschen auf dem Rathausmarkt. Die Stimmung beruhigte sich, die Menschen zogen langsam zum Jungfernstieg, wo die ersten Zelte wieder aufgebaut wurden.

Protestcamp "Alternative Universität"
Die nächsten Tage wird es ein vielseitiges Programm geben: alternative Vorlesungen, Workshops, Kulturprogramm. Das Programm ist im Anhang zu finden. Das Camp soll Möglichkeiten für Gespräche und weitere Ideen schaffen.

Wie könnte eine Alternative Uni aussehen?
Offenes Bildungsangebot für Alle!
Selbstbestimmtes - nach Interesse geleitetes Lernen!
Kritischer Umgang mit Bildung, Wissenschaft, Uni und Gesellschaft!

Das Protestcamp auf dem Jungfernstieg möchte genau diesen Weg gehen, mit offenen Vorlesungen und Workshops (siehe unten im Programm). Zudem wollen wir in der Stadt über die prekäre finanzielle Lage der Universität informieren und mit den Menschen ins Gespräch kommen. Gleichzeitig soll die Wichtigkeit der Uni, der Wissenschaft und der Bildung für alle Teile der Bevölkerung aufgezeigt werden, indem die Bevölkerung im öffentlichen Raum unbegrenzt an den Vorlesungen und Veranstaltungen teilnehmen kann. Die Universität darf nicht nur für kleine Teile der Bevölkerung sein. Sie muss jedem Menschen unabhängig von Herkunft, sozialem Hintergrund und Geldbeutel, offen stehen. Die geplanten Kürzungen, sowie der derzeitige Umgang mit Bildung und Lernen in dieser Gesellschaft stellen die Universität als solche in Frage.

Gleichzeitig wollen wir durch die symbolische Besetzung darauf aufmerksam machen, dass es für die Kürzungsvorhaben keinen Unterschied macht, welche Farben an den Tapeten des Senats kleben. Wir fühlen uns nicht vertreten, wir machen uns unsere Bildung selber, an der jede*r teilnehmen und mitgestalten kann.
Wir laden Alle herzlich ein, sich an der alternativen Uni am Jungfernstieg, Ecke Reesendamm, zu beteiligen. "Schaut vorbei, unterstützt uns!"

Kritische Reflektion der Rolle des Uni-Präsidenten
"Unsere Uni als Prestigeprojekt. Das wäre viel besser für Hamburg als all die Hochglanzbauten und die Schwebebahn." prankt es an einigen offiziellen Protestplakaten. Wer bei den letzten Bildungsprotesten in Hamburg dabei war und den Rauswurf der letzten Uni-Präsidentin Auweter-Kurz mitbekommen hat, wird sich wundern. Hier findet ein Protest statt, der massiv von der Uni-Marketing-Gmbh und dem Präsidum vereinnahmt wurde. Es geht ihnen dabei nicht um eine offene, demokratische Uni, in der selbstbestimmte, kritische Bildung stattfindet. Hier geht es um eine Universität, wo Bildung als Ware gedacht wird; neoliberales Denken die Strukturen, die Arbeit, Forschung und Lehre bestimmen; Demokratisierung nur als leere Worthülse gebraucht wird.
Betrachtet man den Zustand der Freien Universität in Berlin, die der damalige Präsdent Lenzen entdemokratisiert und ökonomisiert hat - sollten wir uns überlegen, wer hier wen für welche Zwecke instrumentalisiert.

Wir setzen dem die Alternative Uni entgegen:

Offenes Bildungsangebot für Alle!
Selbstbestimmtes, demokratisches - nach Interesse geleitetes Lernen!
Kritischer Umgang mit Bildung, Wissenschaft, Uni und Gesellschaft!

Verfasst vom Aktionsplenum der Universität Hamburg



Programm

Dienstag, 7.6.2011
ca. 16:00 Aufbau, Organisieren, Essen&Trinken
17:00 Wissenschaftsausschusssitzung
19:30 gemeinsames Plenum: Organisierung des Camps

Mittwoch, 8.6.2011 und Donnerstag, 9.6.2011
10:00 Gemeinsamens Frühstück und Infoplenum: Warum sind wir hier?
12:00 Alternative Vorlesungen im öffentlichen Raum
14:00 Mittagspause
15:00 Beginn Bürgerschaftssitzung: "Wir geben unser letztes Hemd"
16:00 Workshops "Bildet euch, bildet andere, bildet ...!" (Jede*r kann etwas anbieten)
18:30 Info-/Diskussionsplenum:
20:00 Unterstützer*innen-Treffen

danach: Open-Stage: Bringt Eure Instrumente mit!



Bisher bestätigte Vorlesungen:

Mi, 12:00 Uhr, "Privatisierung - Was ist das und wie wirkt es sich bei Hochschulen aus?" - Trudel Karcher
Mi, 13:00 Uhr: "Studienfinanzierung und soziale Verantwortung" - Prof. Dr. Udo Reifner
Mi, 17:00 Uhr, "Von der "urbanen sozialen Bewegung" zum "Recht auf Stadt"" - Dr. Peter Birke
Do, 12:00 Uhr, "Was kann die Studentenbewegung von Antonio Gramsci lernen?!" - Andreas Merkens
Do, 17:00 Uhr "Haushaltskonsolidierung" - Dr. Peter Birke


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Quelle:
Pressemitteilung des Aktionsplenums zur Planung
des Protestcamps "Alternative Universität" vom 7. Juni 2011
E-Mail: alternativeuni@fastmail.fm


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2011