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MEDIEN/223: HoF-Publikation - Schrumpfende Regionen, dynamische Hochschulen (idw)


Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Kerstin Martin, 31.07.2015

HoF/IWH/FSU-Publikation: Schrumpfende Regionen - dynamische Hochschulen


Neben der Bildungsfunktion nehmen Hochschulen auch wichtige regionale Funktionen in Forschung und Wissenstransfer wahr. Die Impulse zur Regionalentwicklung stehen vor dem Hintergrund demografisch herausgeforderter Regionen, in denen Voraussetzungen für selbsttragende Entwicklungen und gleichwertige Lebensverhältnisse zu organisieren sind, im Zentrum der Beiträge des Bandes.


Seit 2011 hatte HoF das Verbundprojekt "Hochschulstrategien für Beiträge zur Regionalentwicklung unter Bedingungen demografischen Wandels" koordiniert. Es wurde im Rahmen des BMBF-Förderprogramms "Wissenschaftsökonomie" realisiert; die Verbundpartner waren das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und die Professur für Unternehmensentwicklung und Innovation der Universität Jena.

Untersucht wurde, wie Hochschulen auf veränderte Umfeldbedingungen reagieren und welche demografischen Herausforderungen durch die Hochschulen selbst (mit-)bearbeitet werden (können). Welche Beiträge können Hochschulen leisten, um die Voraussetzungen für selbsttragende Regionalentwicklungen und gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen - und dies unter Bedingungen bis 2020 deutlich abgesenkter Landeshaushalte? Diese Frage stellt sich insbesondere deshalb, weil der Ausbau der Hochschulen in den letzten Jahrzehnten weitgehend versorgungsorientiert erfolgte, mit dem primären Ziel, ein ausreichendes Angebot an Studienplätzen zur Verfügung zu stellen.

Die Analyse hochschulischer Aufgaben und Funktionen zeigt sehr deutlich, dass die Hochschulen eine Vielzahl an Beiträgen zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung auch an ihren jeweiligen Standorten leisten, die weit über die Ausbildungsfunktion hinausgehen. Vor diesem Hintergrund wird eine vorwiegend an Studierendenzahlen ausgerichtete Politik der Hochschulfinanzierung und -steuerung infragegestellt und ein alternatives Hochschulfinanzierungsmodell vorgeschlagen.


Zu den Ergebnissen im einzelnen zählen folgende Punkte:

Hochschulen nehmen eine Gatekeeper-Funktion wahr, indem sie außerhalb der Region erzeugtes Wissen absorbieren, aufbereiten und durch gemeinsame Forschungsprojekte, aber auch durch Stimulierung von Unternehmensgründungen in den Wirtschaftssektor einbringen. Diese Verflechtungen haben für regionale Innovationsprozesse einen zentralen Stellenwert.

Beziehungen zu regionalen Akteuren werden auch aus nicht-ökonomischen Motiven unterhalten. Durch die Integration in regionale Strukturen, sei es in institutionalisierter oder projektbezogener Zusammenarbeit mit Stadtverwaltungen, Kammern, Vereinen sowie mit anderen Hochschulen bzw. Forschungseinrichtungen, nehmen Hochschulen aktiv Einfluss auf die regionale Entwicklung.

Ein großer Teil der Interaktionen zwischen Hochschule und Region ist vorwiegend an individuelles Engagement gebunden bzw. auf Institutsebene verankert. Den Hochschulleitungen ist dies typischerweise nur unvollständig bekannt. Entsprechend gering ausgeprägt ist an den Hochschulen die Kommunikationsfähigkeit zu diesem Thema. Eine strategische Nutzung der bereits laufenden Aktivitäten zur Festigung der eigenen Organisationsposition kann besser gelingen, wenn die Hochschulen diese Aktivitäten auch strategisch kommunizieren.

Die Transferfunktion von Hochschulen wird insbesondere mit Blick auf Ausgründungen vom demografischen Wandel beeinflusst. An Hochschulen in Regionen mit einem hohen Anteil älterer Personen werden beispielsweise relativ wenige EXIST-Gründerstipendien zur Vorbereitung einer Gründung angemeldet.

Wissensgesellschaftliche Erfolgsgeschichten sind nicht auf starke Ballungszentren begrenzt. Vielmehr gibt es zahlreiche Beispiele von Städten kleinerer und mittlerer Größe, die durchaus dazu in der Lage sind, Wissensdomänen und damit verbundene Aktivitäten an sich zu binden. Dafür müssen allerdings entsprechende, die wissensgesellschaftliche Entwicklung fördernde Angebote und Akteure, vorhanden sein: eine gute physische und kommunikative Erreichbarkeit, hochwertige Einrichtungen der Bildung, Aus- und Weiterbildung, die den Pool an hochqualifizierten Fachkräften stabilisieren und ausweiten können, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die einen internationalen Spitzenplatz auf bestimmten Wissensfeldern einnehmen.

Die Analyse innovativer Kooperationen, die neben Ko-Patentierungen Ko-Publikation sowie FuE-Verbundprojekte berücksichtigt, belegt, dass Hochschulen in regionalen Innovationssystemen eine Verteilerfunktion wahrnehmen. In jeder der analysierten Ebenen nehmen Hochschulen in der Regel eine zentrale Position innerhalb des Netzwerkes ein.

Hochschulen in demografisch herausgeforderten Regionen, so lässt sich zusammenfassen, können dann aktiv zur Regionalentwicklung beitragen, wenn sie sich auf die gegebenen Umfeldbedingungen einlassen und wenn die regionalen Akteure entsprechende Resonanzfähigkeiten für die hochschulischen Angebote ausbilden. Der Politik obliegt es, die Handlungsbedingungen der Hochschulen zu sichern, indem sie diese Beiträge angemessen honoriert und sich bei der Ausstattung der Hochschulen nicht allein von den Studierendenzahlen leiten lässt.


Die Inhalte des Bandes im einzelnen:

Hochschulische Regionalbezüge im demografischen Wandel. Ausgangspunkte und Fragestellungen
(Peer Pasternack)

Wissensgesellschaftliche Raumdifferenzierung in Deutschland
(Hans Joachim Kujath)

Die Rolle von Hochschulen in der Regionalentwicklung
(Michaela Trippl)

Regionaler demographischer Wandel und Hochschulentwicklung
(Michael Fritsch, Matthias Piontek)

Programmatik und Aktivitäten. Die hochschulischen Leistungsstrukturen in regionalen Kontexten
(Peer Pasternack, Sebastian Schneider, Steffen Zierold)

Die Bedeutung von Hochschulen für regionale Innovationsaktivitäten
(Michael Fritsch)

Die Förderung von Gründungen und Gründungskultur an Hochschulen vor dem Hintergrund demografischen Wandels
(Matthias Piontek, Michael Wyrwich)

Entrepreneurship-Förderung an Hochschulen - Erfahrungen und Optionen
(Matthias Notz)

Die Bedeutung von verschiedenen Kooperationspartnern im Innovationsprozess
(Gunnar Pippel)

Von Anwesenheits- zu Aktivitätseffekten. Interaktionen zwischen Regionen und ihren Hochschulen
(Sebastian Schneider, Peer Pasternack, Steffen Zierold)

Netzwerke zwischen Hochschulen und Wirtschaft: Ein Mehrebenenansatz
(Wilfried Ehrenfeld, Gunnar Pippel, Mirko Titze)

Demografiesensibel und Regionalbezüge fördernd. Ein Modell für die künftige Hochschulfinanzierung
(Peer Pasternack)

Strategieentwicklung trotz Hindernissen. Hochschulaktivitäten und Bedarfslagen in schrumpfenden Regionen
(Peer Pasternack, Steffen Zierold)

Regionale Hochschulwirkungen aktiv gestalten: Ein Modell für Third-Mission-Entwicklungsstrategien
(Peer Pasternack, Steffen Zierold)

Demografischer Wandel und Hochschulentwicklung. Ein Gesamtfazit
(Michael Fritsch, Peer Pasternack, Mirko Titze)

Michael Fritsch / Peer Pasternack / Mirko Titze (Hg.): Schrumpfende Regionen - dynamische Hochschulen. Hochschulstrategien im demografischen Wandel, Springer VS-Verlag, Wiesbaden 2015, 302 S. ISBN 978-3-658-09123-1.


Weitere Informationen unter:
http://www.hof.uni-halle.de/publikation/regdemo-abschlussband
http://www.springer.com/de/book/9783658091231

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution370

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg, Kerstin Martin, 31.07.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2015

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