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REDE/049: Annette Schavan zum Berufsbildungsbericht 2009, 23.04.2009 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan,
zum Berufsbildungsbericht 2009 vor dem Deutschen Bundestag am 23. April 2009 in Berlin


Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren!

Jeder Jugendliche braucht ein Angebot zu Ausbildung und Qualifizierung. Das war und ist das Ziel unserer Berufsbildungspolitik in den vergangenen Jahren. Der Berufsbildungsbericht 2009 zeigt ermutigende Fortschritte. Jugendliche in Deutschland haben wieder mehr Chancen als noch vor einigen Jahren.

Das will ich anhand der Zahlen in drei Bereichen deutlich machen.

Die erste und, wie ich finde, zentrale Zahl ist: Rund 619.000 Jugendliche waren im Jahre 2005 arbeitslos. Im Jahre 2008 waren es rund 340.000. Das sind 340.000 zu viel; aber es gab eine deutliche positive Veränderung in diesen drei Jahren.

Zweitens. Die Zahl der unvermittelten Bewerberinnen und Bewerber lag 2005 - Stichtag ist immer der 30. September - bei rund 40.000. Zum gleichen Zeitpunkt 2008 waren es rund 14.500. Das ist ein Rückgang um 64,5 Prozent.

Drittens. Die Zahl der Ausbildungsverträge stieg von 550.000 im Jahre 2005 auf rund 616.000 im Jahr 2008. Das ist eine Steigerung um zwölf Prozent.

An dem Verhältnis zwischen den Zahlen unvermittelter Bewerber und geschaffener Ausbildungsplätze wird zugleich deutlich, dass wir schon längst die Konsequenzen der demografischen Entwicklung zu tragen haben: Die Zahl der Schulabsolventen geht zurück - im vergangenen Jahr bereits um 33.000 -, und diese Entwicklung wird sich fortsetzen.

Diese Zahlen für den Zeitraum zwischen 2005 und 2008 sind das Ergebnis gemeinsamer Bemühungen im Ausbildungspakt - in der Großen Koalition, vor allem in den Unternehmen in Deutschland, beim Bund und den Ländern.

Wir wissen aber, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der enge Zusammenhang zwischen Arbeitsmarkt und Ausbildungsmarkt gilt auch jetzt. Die Erfolge bleiben nur dann bestehen, wenn alle am Ball bleiben und jedem klar ist: Ausbildung hat Vorrang. Wer in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht ausbildet, dem fehlen in wirtschaftlich guten Zeiten Fachkräfte. Das muss auch in diesem Jahr die Devise sein.

Die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Bundesinstituts für Berufsbildung, die heute veröffentlicht werden - befragt wurden rund 1.000 Unternehmen -, zeigen für 2009: 22 Prozent der Betriebe wollen ihr Ausbildungsplatzangebot im Vergleich zum letzten Ausbildungsjahr steigern; das ist die gute Nachricht. 32 Prozent der Betriebe geben an, ihr Engagement auf dem Niveau des Vorjahres halten zu wollen; auch das ist nicht schlecht. Aber immerhin 25 Prozent der Betriebe beabsichtigen, weniger Ausbildungsplätze anzubieten. Diese 25 Prozent begründen diesen Schritt, wie wir es aus der Vergangenheit kennen, mit der wirtschaftlich schwierigen Lage. Das gilt vor allen Dingen für Betriebe im Bereich Industrie und Handel und ganz besonders für Branchen, die in hohem Maße export- und konsumabhängig sind. Im Handwerk ist die Situation positiver.

Insbesondere an die Adresse dieser 25 Prozent der Betriebe sage ich: Alles, was wir auf den verschiedenen politischen Ebenen jetzt tun, ist darauf ausgerichtet, möglichst bald wieder bessere Wachstumsquoten zu erreichen. Wer sich auf die Zeit nach der Krise vorbereiten und daran mitwirken will, dass - wovon wir alle überzeugt sind - Deutschland nach der Krise stärker ist als vorher, der muss jetzt stark in Ausbildung investieren.

Es wird in den nächsten Wochen wichtig sein, dass wir alle Instrumente nutzen, um einem Abwärtstrend entgegenzusteuern. Dazu gehören Programme des Bundes wie Jobstarter, das Ausbildungsprogramm Ost, der Ausbildungsbonus und die Qualifizierungsmaßnahmen für jene Jugendliche, die noch nicht die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ausbildung erfüllen. Wichtig sind darüber hinaus auch die zahlreichen Instrumente unserer Qualifizierungsinitiative "Aufstieg durch Bildung". Dass all diese Maßnahmen helfen, zeigt die Bilanz der letzten drei Jahre. Im schwierigen Jahr 2009 sind sie umso bedeutender.

Wir - die Kollegen Scholz, zu Guttenberg und ich - werden mit unseren Partnern im Ausbildungspakt im Rahmen einer Sondersitzung im Juni dieses Jahres beraten: Welche Maßnahmen sind zusätzlich zu denen, die wir schon auf den Weg gebracht haben, von Bedeutung? Wo müssen zusätzliche Initiativen ergriffen werden? Was kann zum Beispiel getan werden, um für Unternehmen, die in Schwierigkeiten geraten sind oder die Unterstützung brauchen, um ihre Ausbildungskapazität erhöhen zu können, so etwas wie einen Schutzschirm für Ausbildungsplätze zu spannen?

An die Adresse des Deutschen Bundestages und der Ministerien sage ich: Auch wir sollten in dieser sensiblen Situation alles tun, um unsere Ausbildungsquoten zu erhöhen. Die Ausbildungsquote im Bundesbildungsministerium beträgt derzeit knapp zehn Prozent. Ich finde, das ist für alle öffentlichen Behörden eine gute Marke. Wir müssen in einer solchen Situation vorangehen, um deutlich zu machen, dass wir es ernst meinen, wenn wir sagen: Jeder Jugendliche braucht eine Chance.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser besonderes Augenmerk muss den Jugendlichen mit Migrationshintergrund gelten. Wir wissen, dass der Anteil der Jugendlichen, der die Schule ohne Abschluss verlässt, unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund doppelt so hoch ist wie unter Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Wir wissen, dass ihr Anteil an der Berufsausbildung mit 24 Prozent niedrig ist und dass sie damit unterrepräsentiert sind. Deshalb war es gut, dass unter Federführung von Herrn Staatssekretär Storm und Frau Staatsministerin Böhmer Regionalkonferenzen stattgefunden haben mit Unternehmen und Unternehmern, die selbst, wie es immer heißt, einen Migrationshintergrund haben. Wir haben vereinbart, dass im Zeitraum 2005 bis 2010 10.000 zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden. Auch das ist ein wichtiger Schritt; doch auch da dürfen wir nicht nachlassen.

An die Adresse der Länder gerichtet füge ich hinzu: Entscheidend ist - vor jeder Vermittlung derer, die keinen Schulabschluss haben -, dass wir erreichen, dass jeder Jugendliche in Deutschland einen Schulabschluss macht und damit die Voraussetzungen mitbringt, eine Ausbildung erfolgreich durchlaufen zu können.

Richtig ist auch - ich habe es anfangs erwähnt -: Die Zahl der Schulabsolventen geht zurück. Die demografische Entwicklung hat dazu geführt, dass 2008 zwei Zahlen der Bundesagentur für Arbeit ganz anders als in den Jahren zuvor waren: Auf der einen Seite waren rund 19.000 Ausbildungsplätze unbesetzt, auf der anderen Seite hatten wir 14.479 unvermittelte Bewerber. Das heißt, aus der rechnerischen Lücke, über die wir in der Vergangenheit im Herbst oft gesprochen haben, ist ein sogenannter rechnerischer Überhang geworden. Ich sage aber ausdrücklich: Das ist nicht nur ein Erfolg der Ausbildungsbilanz, sondern das steht im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung, die uns auch in den nächsten Jahren beschäftigen wird. Die Zahlen haben noch einmal gezeigt, wie sehr das Thema Fachkräftemangel mit Berufsbildung und Ausbildungsbilanzen verbunden ist.

Besonderes Augenmerk müssen wir auf die 82.000 Jugendlichen richten, die eigentlich eine Ausbildung wünschen, sich aber noch in Berufsvorbereitungsmaßnahmen und Praktika befinden. Dazu haben wir mit den Ländern beim Qualifizierungsgipfel zahlreiche Maßnahmen vereinbart. Es muss klar sein, dass nach Abschluss der Schule die Voraussetzungen für eine Ausbildung gegeben sind. Es dürfen nicht weitere Verzögerungen entstehen. Jugendliche, die so weit sind, müssen mit Vorrang ermutigt werden, indem man ihnen die Chance zu einer qualifizierten Ausbildung gibt. Es ist für sie von zentraler Bedeutung, dass sie im Anschluss an die Schule eine duale Ausbildung aufnehmen können. Schließlich sind da noch die sogenannten Altbewerber. Auch hier sage ich allerdings: Im Zeitraum von 2007 bis 2008 ist auch die Zahl der Altbewerber um fast 65.000 zurückgegangen.

Ich nenne diese wenigen Zahlen, weil sie deutlich machen: Das, was an Maßnahmen auf den Weg gebracht worden ist - übrigens mit großem Engagement der Unternehmen und mit einer neuen Konzeption der Berufsvorbereitung: mit mehr Erfahrung in der Praxis, mit mehr individueller Förderung -, wirkt. Wir müssen jetzt dafür Sorge tragen, dass die Erfolge, die in den vergangenen drei Jahren erreicht worden sind und über die der Berufsbildungsbericht 2009 Rechenschaft ablegt, nicht aufs Spiel gesetzt werden. Gerade am Ende dieses Jahres müssen wir sagen können: Dieses Jahr ist genutzt worden, um Jugendliche in Deutschland zu ermutigen und ihnen die Chance zu geben, die sie brauchen und die sie erwarten können, und um damit zugleich das zu tun, was notwendig ist, damit der Fachkräftemangel in Deutschland in den nächsten Jahren nicht zu einer zentralen Wachstumsbremse wird.


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Quelle:
Bulletin Nr. 48-1 vom 23.04.2009
Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan,
zum Berufsbildungsbericht 2009 vor dem Deutschen Bundestag am 23. April 2009 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2009