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SYRIEN/106: Dominostein Damaskus - viele Köche und kein Ende ... (IPPNW)


IPPNW-Pressemitteilung vom 29. April 2016
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Kriegsparteien sollen sich zur Einhaltung der Genfer Konvention verpflichten

Bombardierung des Al Quds Krankenhauses in Aleppo


Angesichts der kontinuierlichen Angriffe auf die zivile Infrastruktur in Aleppo und insbesondere des erneuten Angriffs auf ein Krankenhaus äußert sich die ärztliche Friedensorganisation IPPNW zutiefst besorgt über die bröckelnde Waffenruhe in Syrien. Die ÄrztInnen fordern von den Kriegsparteien eine Fortsetzung der Friedensgespräche in Genf und die Aufrechterhaltung der Waffenruhe zum Schutz der Bevölkerung. Jegliche kriegerischen Handlungen müssen gestoppt und die Genfer Konventionen eingehalten werden.

Die ausländischen Staaten, die direkt oder indirekt am Bürgerkrieg in Syrien beteiligt sind, werden aufgefordert, jegliche Form von militärischer Unterstützung, Angriffsflüge, Waffenlieferungen oder logistische Unterstützung einzelner Kriegsparteien einzustellen und stattdessen auf die verbündeten Parteien im Land einzuwirken, die Verhandlungen fortzusetzen und Kompromisse zu finden. Dies betrifft auch explizit die Bundesrepublik Deutschland, die durch militärische Unterstützung wesentlicher Konfliktparteien wie der Türkei, Saudi Arabiens und der Kurden sowie als einer der größten Waffenlieferanten der Welt direkt und indirekt in den Konflikt involviert ist und eine Mitverantwortung für dessen Fortführung und Intensivierung trägt.

Seit Ende Februar brachte die in Genf ausgehandelte Waffenruhe der Zivilbevölkerung eine kurze Phase der relativen Sicherheit. Der syrischen Bürgerkrieg wird seit fünf Jahren von allen Konfliktparteien mit äußerster Brutalität und massiver ausländischer Beteiligung geführt. Alle Seiten haben sich in diesem sinnlosen Krieg Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht und die Genfer Konventionen mehrfach gebrochen.

Die Zerstörung des Al Quds Krankenhauses, der größten internistischen Klinik im rebellenkontrollierten Osten der Stadt sowie der Tod von Pflegern und Ärzten, darunter der letzte verbliebene Kinderarzt Dr. Wasim Maaz, wird die Situation der verbliebenen Zivilbevölkerung weiter verschlechtern, so IPPNW-Vorstandsmitglied Dr. Alex Rosen. Er ist selber Kinderarzt und hat 2003 das nun zerstörte Krankenhaus besucht. "Wir sehen in Syrien bereits seit Jahren die absichtliche Zerstörung ziviler Infrastruktur, auch von Krankenhäusern. Man muss es klar benennen: Das sind Kriegsverbrechen, die einzig und allein die Zivilbevölkerung treffen und unsägliches Leid verursachen - durch die direkten Opfer dieser Angriffe, aber auch durch die Zerstörung der Möglichkeit, medizinische und humanitäre Hilfe zu leisten.

Während sich die Kriegsparteien gegenseitig beschuldigen, die Waffenruhe zu brechen, stirbt laut Angaben der Vereinten Nationen alle 25 Minuten ein syrischer Zivilist. Allein in Aleppo seien seit letzter Woche mehr als 130 Zivilisten gestorben, davon mindestens 23 Kinder und 15 Frauen. Der neueste Angriff auf das Krankenhaus hatte mehrere Dutzend Todesopfer zur Folge, darunter erneut viele Kinder. Mehr als 40.000 Menschen sind in den letzten Wochen aus Aleppo geflohen, die meisten davon in Richtung Türkei.

"Dieser Konflikt kann nicht militärisch gewonnen werden - am Ende sind alle Syrer die Verlierer," so Rosen. "Die Bundesregierung muss ihr politisches Gewicht nutzen, um die Genfer Gespräche zu reaktivieren. Ein Stopp aller Waffenlieferungen in die Region, die sofortige Beendigung der Tornado-Mission und die Absage an jegliche Form militärischer Einmischung müssen auf den Tisch". Auch fordert die IPPNW angesichts der anhaltend großen Zahl flüchtender Menschen die Gewährung des Grundrechts auf Asyl und die direkte Aufnahme syrischer Asylsuchender in die Staaten der EU.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 29. April 2016
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
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Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2016

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