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BERICHT/071: Milch Board in der Praxis (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 328 - Dezember 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Milch Board in der Praxis
Bauern überlassen die Macht über die Milch nicht allein den Molkereien

Von Ulrich Jasper


Das Milch Board ist in der Praxis schon viel präsenter, als Vielen das bisher bewusst ist. Das ist eine Schlussfolgerung aus den vielen Beiträgen, mit denen sich Milchbäuerinnen und Milchbauern an dem Milch-Forum auf der Bundestagung der AbL in Altenkirchen Ende November beteiligten.


Molkereien haben Respekt

Alice Endres, Milchbäuerin im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) Rheinland-Pfalz, brachte die zwei Alternativen zu Beginn auf den Punkt: "Jetzt müssen wir die Bündelung im Milch Board angehen und vorantreiben. Wenn die Anderen von Bündelung der Erzeuger sprechen, meinen sie die Bündelung in den Molkerei-Genossenschaften." Die Erfahrung zeige ja, dass diese Art der Bündelung den Erzeugern nicht den notwendigen Fortschritt bringe. Schon bei diesem Beitrag zeichnete sich ab, dass vom Milch Board im Grunde immer dann schon die Rede ist, wenn Milcherzeuger aktiv sind, um den Molkereien ein Stück von ihrer alleinigen Macht über die Milch abzuringen. Offenbar ist das den Molkerei-Spitzen schon bewusster als so manchen Milcherzeugern. Denn Endres berichtete: "Von den zwei Genossenschaftsmolkereien Hochwald und Milchunion Hocheifel läuft offenbar bereits eine Einschüchterungskampagne." Es mehrten sich Berichte, dass diese Molkereien gegen Milcherzeuger vorgehen würden, die im Milch Board Mitglied sind. "Das läuft bisher noch alles mündlich, aber auch das reicht bei einigen schon, um sie einzuschüchtern", berichtete Endres. Auch andere konnten Beispiele nennen, wie Molkereien ihre Interessen gegen Milcherzeuger durchsetzen. Dorothee Lindenkamp, Milchbäuerin vom Niederrhein, berichtete davon, wie die Milcherzeugergemeinschaft Westmünsterland (60 Betriebe, 32 Mio. kg) gescheitert sei, bei der Molkerei Oetker einen Vertrag mit kürzerer Laufzeit zu erreichen. Die Molkerei habe den Vertrag schließlich gar nicht verlängert.


Das Board ist ohne Alternative

Regine Lehmeier aus Bayern erzählte, dass die Nabtaler Molkerei für eine neue Vermarktungsschiene nur ausgewählte Lieferanten eingeladen und sie nun mit "Premium-Lieferverträgen" gelockt habe. "Wir dürfen die Bündelung der Milchbauern nicht den Anderen überlassen, sondern selbst konseqent und schnell betreiben", forderte auch Johanna Böse-Hartje, Milchbäuerin aus Niedersachsen die Kolleginnen und Kollegen im Saal auf. Jürgen Klauster ergänzte: "Das Milch Board ist alternativlos. Wir müssen es für die Bauern nur noch stärker erfahrbar machen, z.B. indem wir uns in Musterprozessen gegen solche Praktiken wehren." Ludwig Seegers, Milcherzeuger aus Rheinland-Pfalz, berichtete davon, wie er und viele Kollegen bei der Molkerei Hochwald vorgehen. Schon im letzten Jahr haben sie versucht, mit gewählten Vertretern aus ihren Reihen in der Vertreterversammlung der Genossenschaft Beschlüsse in ihrem Sinne zu fassen. Das klappte nicht, etliche Vertreter kamen erst gar nicht zur Versammlung, mit vielerlei Entschuldigungen. Beim nächsten Mal haben sie einen Bus gechartert, mit dem sie die Kollegen einzeln auf ihren Höfen abgeholt haben - da fehlten dann viel weniger. Und bei denen, die nicht konnten, haben sie die unterschriebenen Vertretungsberechtigungs-Scheine abgeholt. "Auf unserer Bezirksversammlung haben wir es geschafft, dass nur Leute von uns zu Vertretern gewählt wurden", berichtete ein Kollege.

"Das ist längst Arbeit des Milch Boards, auch wenn Ihr das bisher nicht so nennt", bringt der AbL-Vorsitzende Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf die Aktivitäten zusammen. Er sei zwar skeptisch, ob es auf diesem Wege, sich in die Gremien wählen zu lassen, gelingen könne, die Politik der Molkerei zu ändern. Aber es zu schaffen, mit einer wachsenden Gruppe in die Vertreterversammlung gewählt zu werden, sei bereits ein Teil der Auseinandersetzung um die Macht, weil deutlich werde, wie um diese Macht gerungen werde. "Jede Auseinandersetzung ist wichtig, um den Berufskollegen und auch der Öffentlichkeit überhaupt erst sichtbar zu machen, wie das System bisher funktioniert", ergänzte der Österreicher Ernst Halbmayr von der IG Milch.


Selbst handeln

Gemeinsam mit Anderen hat Halbmayr den Schluss gezogen, selbst stärker in den Handel mit Milch einzusteigen. Bisher sammeln sie nun täglich einen LKW Biomilch und einen LKW konventionelle Milch ein und verkaufen die Milch in Jahresverträgen an Molkereien. Zur Zeit erreichen sie damit sogar einen höheren Preis, als ihn die Molkereien an deren Vertragslieferanten auszahlen. "Aber auch ohne den Mehrpreis sind viele Kollegen einfach froh, wenn sie aus den Genossenschaften rauskommen und eine Alternative finden."

Wenn das Milchforum ein Gradmesser für die Stimmung unter den Milcherzeugern ist, dann wächst da etwas Neues mit nüchterner Entschlossenheit und viel Perspektive.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 328 - Dezember 2009, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Februar 2010