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BERICHT/119: Frühjahrstagung der jungen AbL - Auf dem Weg für unsere bäuerliche Zukunft (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 344 - Mai 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Auf dem Weg für unsere bäuerliche Zukunft
Die junge AbL lud zur Frühjahrstagung ins Berliner Stadtgut Blankenfelde, um sich für die zukünftige Agrarpolitik zu stärken

Von Christine Weißenberg, jAbL


Es muss sich etwas tun! Wenn die europäische Agrarpolitik nicht ihren Kurs ändert, haben bäuerliche Betriebe in Zukunft keine Chance. Die jungen Bäuerinnen und Bauern haben sich in der jungen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft organisiert, um auf ihre Bedürfnisse und Forderungen für eine zukünftige Agrarpolitik hinzuweisen. Die Ende Mai startende Sternfahrt nach Berlin macht an vielen Stationen in der Republik hält, um die Diskussion mit Bürgerinnen und Bürgern zu suchen, auf Missstände aufmerksam zu machen und die gesammelten Forderungen nach Berlin zum Kanzleramt zu bringen.


Mitte April lud die junge Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (jAbL) zu ihrer Frühjahrstagung unter dem Motto "Auf dem Weg für unsere bäuerliche Zukunft" auf das Stadtgut Blankenfelde in Berlin-Pankow ein. Ganze vier Tage wurde diskutiert, informiert, geplant, geforscht und gehandelt. Zur Podiumsdiskussion am ersten Abend saßen etwa 30 junge und alte Interessierte aus ganz Deutschland im Publikum in der urigen Steinscheune des Anwesens. Verschiedene Gäste aus Landwirtschaft und Politik diskutierten und referierten zum Thema EU Agrarreform und den Visionen von Landwirtschaft nach 2013. Zunächst beschrieb Ulrich Jasper, stellvertretender Geschäftsführer der AbL in einem kurzen Impulsvortrag den Ablauf und die inhaltlichen Knackpunkte der Agrarreform und präsentierte als Einstieg die Position der AbL. Im Anschluss stellten Vertreter verschiedener politischer Parteien in ihren Eingangsstatements ihre Position und Vision einer zukunftsfähigen Landwirtschaft vor. In abendlicher Kälte erhitzten sich die Gemüter in der Runde, denn bei den Vorstellungen von Visionen einer Landwirtschaft nach 2013 gingen die Meinungen in vielen Details weit auseinander.

Wolfgang Löhe vom BMELV betonte aus Sicht der Bundesregierung, dass die Ausgestaltung der Agrarreform entscheidend vom Finanzrahmen abhänge und es insbesondere um eine faire Verteilung des Geldes sowohl innerhalb als auch zwischen den Mitgliedsstaaten gehen muss.

Inhaltlich ginge es um eine Vereinfachung des Systems, aber auch als wesentlicher Diskussionspunkt um die Beiträge der Landwirtschaft für den Umweltbereich. Hier seien die vorgeschlagenen Wege und Ansätze noch sehr unterschiedlich, so Herr Dr. Löhe. Obergrenzen für Direktzahlungen lehne die Bundesregierung jedoch ab. Stattdessen sollten die Fördermaßnahmen der 2. Säule weiterentwickelt werden. Damit das System der Co-Finanzierung besser umsetzbar ist, könne eventuell der EU-Anteil erhöht werden.

Die junge AbL ist mit dieser Aussage wenig zufrieden. "Das war eine eher passive Darstellung einer sehr statischen Regierungsposition - ohne konkrete Vorschläge", so Regine Holloh aus Berlin.

Andreas Bergmann von den Linken stellte die Konzepte für die 1. und 2. Säule vor, die von seiner Partei entwickelt wurden. Ziel sei es, von der direkten Einkommensfunktion weg zu kommen, hin zur Honorierung ökologischer und sozialer Leistungen. 80 Prozent der verfügbaren Mittel aus der ersten Säule sollen an Umweltleistungen, wie ökologische Vorrangflächen und den Verzicht auf GVO gebunden sein, schlägt er vor. Die restlichen 20 Prozent sollen aufgeschlüsselt nach Arbeitsplätzen an die Betriebe vergeben werden, die ihren Mitarbeitern den nationalen Mindestlohn zahlen.


FDP für Gentechnik

Kristel Happach-Kasan von der FDP beharrte auf ihrem Statement, Landwirte sollten ihr Einkommen am Markt erwirtschaften. Im weiteren Verlauf relativierte sie diese Aussage jedoch und forderte, dass sich im Vorfeld die Lebensmittelpreise verändern müssten, so Happach-Kasan. Eine junge Bäuerin fasste die Aussage zusammen: "Eigentlich wollen sie die Direktzahlungen nicht, aber ohne geht es auch nicht" so Lea Unterholzner von der jungen AbL.

Schwärmend vom Wohnen im schönen ländlichen Raum, räumte Happach-Kasan der 1. Säule absoluten Vorrang ein und plädiert dafür, die Landwirtschaft weltweit auf Gunststandorten durch moderne landwirtschaftliche Methoden wie z.B. Gentechnik zu intensivieren.

Matthias Miersch von der SPD stellte die Autonomie der Landwirtschaft. in den Vordergrund; er forderte, zukünftig Fördermechanismen so zu gestalten, dass sie darauf abzielen die Umwelt zu schonen und kommenden Generationen gesund zu hinterlassen. Als Rechtsanwalt der Interessengemeinschaft Nachbau wies er ausdrücklich auf die Probleme im Saatgutmarkt hin. Wenn das bäuerliche Recht des Nachbaus als Grundlage des Ackerbaus eingeschränkt bleibe und durch Patentierungen sogar weiter erschwert werde, steige die Abhängigkeit der Landwirte. Zudem eröffne die Kontrolle von Konzernen über das Saatgut Eintrittspforten für GVOs.


Agrarpolitik als Gesellschaftsdebatte

Friedrich Ostendorff von den Grünen freute sich zunächst über die große öffentliche Aufmerksamkeit für die Agrarreform. "Die Agrarpolitik ist aus dem Hinterzimmer raus - sehr gut!" Es brauche eine gesellschaftliche Debatte, wie sie in Form der Kampagne "Meine-Landwirtschaft.de" vom Bündnis der Plattformverbände angestoßen wurde. "Die Gesellschaft muss an der Entscheidung beteiligt werden, wofür Geld ausgegeben werden soll", fordert Ostendorff. Die größte Herausforderung für ihn ist der Erhalt der Biodiversität und der Klimaschutz. Strukturelemente und ökologische Vorrangflächen seien wichtig Strukturen, um ausgeräumte Landschaften zu begrünen und so vor Erosion und Naturkatastrophen zu schützen. "Es geht um den Kampf zwischen industrieller und bäuerlicher Landwirtschaft", so Ostendorif. Um die industrielle Entwicklung zu stoppen. sei es nötig, die Investitionsförderungen zu beschneiden sowie Stallbauten und Tierbesatz an Flächen zu binden. Durch die Fleischproduktion entstünden große Probleme: "Wir nehmen anderen Ländern die Futterflächen, essen die guten Fleischteile und die Reststücken schicken wir dann wieder zurück", kritisierte der Grünenpolitiker.


Junge AbLer diskussionsfreudig

In der anschließenden Diskussion wurden die Referenten mit Fragen aus dem Publikum in die Mangel genommen: "Welche Landwirtschaft wollen Sie denn nun eigentlich?", fragte Miriam Hack von der jungen AbL den BMELV-Vertreter Löhe und Frau Happach-Kasan von der FDP und forderte: "Es müssen doch erst mal konkrete Zielvorstellungen entwickelt werden, um lenkende Maßnahmen dafür zu schaffen", so Hack.

"Größtes Problem mancher Politiker scheint die Sorge zu sein, Deutschland könnte zu großer Nettozahler in der EU sein", zieht Lea Unterholzner von der jungen AbL ein eigenes Fazit aus der Diskussion: "FDP und BMELV wollen nicht, dass Direktzahlungen an Maßnahmen gebunden sind, aus dem einzigen Grund, weil Deutschlands Rolle als Nettozahler in der EU dann womöglich verstärkt würde. Das ist mir jetzt richtig deutlich geworden. Sie gehen davon aus, dass deutsche Landwirte weniger Direktzahlungen bekommen würden und somit weniger Geld aus der EU nach Deutschland zurückfließen würde."


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 344 - Mai 2011, S. 11
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2011