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FRAGEN/002: Romuald Schaber zu Politik, Bewegung und wie es weiter gehen muß (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 328 - Dezember 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Alternative bietet nur ein starkes Milchboard"
Der BDM-Vorsitzende Romuald Schaber im Interview zu Politik, Bewegung und wie es weiter gehen muss

Von Marcus Nürnberger


UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Die zweite Jahreshälfte war geprägt vom Milchstreik, vielen Aktionen, aber auch der Bundestagswahl. Man hat das Gefühl, die Politiker haben sich nach der Wahl zurückgezogen, sind in internen Auseinandersetzungen gefangen. Wie bekommt man die Milchbauern wieder auf die Tagesordnung?

ROMUALD SCHABER: In Deutschland ist geplant, an alle neu gewählten Abgeordneten unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit heranzutreten. Jetzt, solange sie noch nicht vom Bauernverband getrimmt sind, müssen wir ihnen unsere Positionen klar machen. Auch bei den Bundesländern werden wir dran bleiben. In Baden-Württemberg steht eine Wahl an und da wäre es natürlich gut, wenn Herr Hauk abgelöst würde. Kein anderer Minister hat so massiv eine Mengensteuerung abgeblockt und damit den Milchbauern geschadet. Auch gab er damit den anderen Ländern wie zum Beispiel Niedersachsen die Möglichkeit, sich hinter einem Land mit eher bäuerlichen Strukturen zu verstecken.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Die Politik hat aber schon reagiert und Hilfe zugesagt.

ROMUALD SCHABER: Bisher ist kein Problem gelöst. Das Geld, was die Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner jetzt bereitstellt, entspricht etwa einem Cent mehr pro Liter Milch und ist schnell ausgegeben.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Es wird weiter versucht, auf die Politik Einfluss zu nehmen, obwohl diese bisher versucht hat, alle Forderungen ins Leere laufen zu lassen. Gibt es nicht mit dem Milkboard ein Instrument, dass die Bauern unabhängig von der Politik organisieren können, um Marktmacht zu erlangen?

ROMUALD SCHABER: Die Politik ist so wichtig, dass wir sie nicht außer acht lassen können. Wir müssen weiter deutlich machen, was schief läuft. Wir werden viele Infoversammlungen machen, versuchen, die Leute zu motivieren, und überlegen, wie der Kampf weitergeführt werden kann. Dem Milchboard, das hat sich gezeigt, treten die Bauern nicht so einfach bei. Für viele muss erst ein praktischer Bezug zu ihrem Alltag sichtbar werden. Daran arbeiten wir jetzt verstärkt. Es wird aber noch ein bis zwei Jahre dauern, bis wir 80 Prozent der Bauern beisammen haben.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Das erfordert viel Geduld, auch von den Milchbauern.

ROMUALD SCHABER: Entscheidend ist, dass wir einen Schritt vor der Molkereiwirtschaft sind. Die Genossenschaften fangen jetzt an, ihren Mitgliedern zu zeigen, wo es ihren Vorstellungen nach hingehen soll. Die Lieferverträge ändern sich zu Ungunsten der Lieferanten, Abhängigkeiten werden noch größer. In Frankreich, wo schon mehr Verträge mit entsprechenden knebelnden Passagen bis hin zur Vertragslandwirtschaft im Umlauf sind, zeigt sich, dass die Bauern das nicht hinnehmen. Dort ist der Widerstand ungebrochen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Ende November ist es erstmals bei Vertreterversammlungen, der Hochwald Molkerei gelungen Bauern des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) in den Gremien zu installieren. Zeigt das nicht, wie es gehen könnte? Sind das nicht Keimzellen?

ROMUALD SCHABER: Ja, selbstverständlich. Aber wir wissen aus Erfahrung, dass solche Aktionen gut vorbereitet sein müssen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Welche Rolle spielt dabei das Milchboard?

ROMUALD SCHABER: Die Bauern bei Hochwald haben sofort das Milchboard ins Spiel gebracht. Wenn es der Vertreterversammlung gelingt zu erzwingen, dass Hochwald in die Satzung aufnimmt, dass sich die Molkerei an einen vom Milchboard festgesetzten Preis halten muss, dann wäre dies ein Riesenfortschritt. Ein Signal weit über Hochwald hinaus.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Andererseits gibt es von Seiten der Molkereien Bestrebungen das Milchboard zu ächten und dessen Mitglieder nicht mehr aufzunehmen. Wie geht man damit um?

ROMUALD SCHABER: Die Molkereien drohen, Verträge zu kündigen, wenn jemand dem Milchboard beitritt, mit der Begründung, es stünde in der Satzung man dürfe nicht in zwei vergleichbaren Liefergemeinschaften gleichzeitig sein. Aber das Milchboard ist nicht vergleichbar, sie dürfen aus dem Grund nicht kündigen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Die Zielvorgabe des Milchboards war ein hoher Organisationsgrad, um Satzungsänderungen in den Genossenschaften organisieren zu können. Hat sich daran was geändert?

ROMUALD SCHABER: Bei der Allgäuland oder der Breisgaumilch harten wir mit diesem Konzept schon Erfolg. Inzwischen haben unsere Leute die Mehrheit in der Vertreterversammlung. Aber der Ansatz: 'Bevor wir bundesweit nicht 80 Prozent haben, fangen wir nicht an zu handeln' ist nicht ausreichend. Wir werden auch mit einem geringeren Organisationsgrad anfangen zu arbeiten. Aber es bleibt dabei, man braucht eine kritische Masse, damit alle Molkereien unter Druck geraten und mit dem Milchboard zusammenarbeiten müssen. Eine deutschlandweite Alternative bietet nur ein starkes Milchboard.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Welche Aufgaben hat das Milchboard?

ROMUALD SCHABER: Zum einen gibt es die Möglichkeit, politisch zu arbeiten, in die Genossenschaften, die Vertreterversammlungen hineinzuwirken, Satzungsänderungen zugunsten eines vom Milchboard festzusetzenden Preises herbeizuführen. Eine zweite Möglichkeit ist, das Milchboard als Handelsplattform zu nutzen. Wenn man aber die Vermarktung in die Hand nehmen will, muss man aufpassen, dass man sich nicht die Nase verbrennt. Das ist eine Mammutaufgabe. Vielleicht hilft uns die faire Milch als Ventil, aber man muss auch sehen, dass die Branche versucht, alles platt zu machen, was eine Alternative sein könnte. Die Molkereien gehen geschickt vor und haben den perfekten Informationsfluss zu den Höfen. Sie können alle zwei Tage bei der Milchabholung Informationsblätter mitschicken und Stimmung machen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Die Milchbauern solidarisieren sich derzeit europaweit. Müsste das Milchboard nicht auch zu einer europäischen Organisation werden?

ROMUALD SCHABER: Natürlich kann man das Milchboard auch europäisch denken, aber der Schritt davor ist, dass man sich national bündelt. Wir klären gerade juristisch, ob wir auch Bauern aus unseren Nachbarländern, welche an deutsche Molkereien liefern" im Milchboard aufnehmen können. Unsere Kollegen in Österreich überlegen, selbst in den Milchhandel einzusteigen, weil sie keine andere Möglichkeit mehr sehen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation? Wo ist der Erfolg der bisherigen Arbeit?

ROMUALD SCHABER: Wir haben die europäische Politik gegen den Willen der Kommission bewegt, das ist ein nicht zu unterschätzender Erfolg. Aus den vielen Aktivitäten der letzten Zeit ist eine starke Bewegung entstanden. Eine Solidarisierung unter den europäischen Milchbauern von nie da gewesenem Ausmaß. Das hat auch die Politik begriffen. Sie reagiert sehr widerwillig. Dennoch hat die EU-Kommission die Möglichkeit geschaffen, dass die Nationalstaaten durch Rauskaufen von Quoten, Abschaffung der Saldierung und Einfrieren von Quotenerhöhungen in der Reserve in unserem Sinne handeln können. Dass sich die deutsche Politik verweigert, ist ein Affront gegenüber den um ihre Existenz kämpfenden Milcherzeugern. Dennoch werden wir uns nicht entmutigen lassen. Wir machen auf vielen Ebenen weiter.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Vielen Dank für das Gespräch!


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 328 - Dezember 2009, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2010