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FORSCHUNG/945: Direktsaat nur in trockenen Regionen von Vorteil (idw)


Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich) - 22.10.2014

Direktsaat nur in trockenen Regionen von Vorteil



Wissenschaftler nahmen eine vieldiskutierte landwirtschaftliche Methode, die «Conservation Agriculture», genau unter die Lupe und untersuchten deren Produktivität. In einer grossangelegten Übersichtsstudie zeichnen sie ein differenziertes Bild dieser bodenschonenden Anbaumethode: Hohe Erträge lassen sich damit nur in trockenen Regionen erzielen.

Während Schweizer Bauern ihre Äcker in der Regel pflügen, bevor sie eine neue Feldfrucht säen, verzichtet ein grosser Teil ihrer südamerikanischen Kollegen darauf. Stattdessen pflegen diese Landwirte die sogenannte Direktsaat: Sie lassen die Stoppeln der Vorkultur auf dem Feld stehen, ziehen mit einer speziellen Maschine Schlitze in den Boden, in welche die Maschine im selben Arbeitsschritt die nachfolgende Frucht sät. Die Direktsaat ist Teil einer Anbaumethode, die auf Englisch als «Conservation Agriculture» bezeichnet wird. Weil damit auf das Pflügen verzichtet werden kann, gilt die Conservation Agriculture gegenüber der herkömmlichen Anbaupraxis als zeit- und kosteneffizienter. Umstritten ist allerdings, wie es auf der Ertragsseite aussieht. Einige frühere Studien zeigten, dass die Conservation Agriculture zu geringeren Erträgen pro Fläche führt.

Ein internationales Team von Forschern unter der Leitung der University of California in Davis und mit Beteiligung von ETH-Wissenschaftlern untersuchte nun die Erträge der Conservation Agriculture in einer grossangelegten Übersichtsstudie. Die Wissenschaftler analysierten dazu die Daten von mehreren hundert Feldversuchen anhand der wissenschaftlichen Literatur.


Ertragssteigerung in trockenen Regionen

Sie kommen zum Schluss, dass die Conservation Agriculture in feuchten Klimaregionen, wo genügend Niederschläge fallen, tatsächlich zu tieferen Erträgen führt. Die Erträge sind gegenüber der konventionellen Landwirtschaft durchschnittlich sechs bis neun Prozent tiefer. Anders sieht es in trockenen Gegenden aus: Werden alle Massnahmen der Conservation Agriculture konsequent umgesetzt, kann sogar mit einer Ertragssteigerung von durchschnittlich sieben Prozent gerechnet werden.

Zu diesen Massnahmen gehören neben dem Verzicht auf das Pflügen auch das Stehenlassen der Stoppeln der Vorkultur sowie das Bebauen eines Feldes mit unterschiedlichen Nutzpflanzen in zeitlicher Abfolge, also Fruchtfolge statt Monokultur.


Weniger Erosion, mehr Bodenfeuchtigkeit

Ein grosser Vorteil der Conservation Agriculture ist, dass ein Acker damit weniger anfällig ist für Erosion. Diese ist insbesondere in Regionen mit Starkniederschlägen ein Problem. Starkniederschläge greifen einen umgepflügten Acker ohne Pflanzenbewuchs viel stärker an als einen, auf dem die Stoppeln der Vorkultur stehen gelassen wurden. Böden, auf denen die Pflanzenreste stehen gelassen werden, können ausserdem mehr Feuchtigkeit speichern. Bei Direktsaat müssen Bauern während Trockenperioden weniger bewässern.

Allerdings gibt es auch Nachteile: Beim Pflügen wird Unkraut untergepflügt. Wird darauf verzichtet, müssen die Landwirte mehr Herbizide einsetzen. Zudem sind bei der Direktsaat Schädlinge wie Schnecken häufiger und müssen unter Umständen mit chemischen Mitteln bekämpft werden.


Nachteil bei Verfütterung der Vegetationsreste an Tiere

Wie die Analyse der Forschenden ergeben hat, sind die drei genannten Komponenten zentral für die Produktivität der Conservation Agriculture. «In Afrika lassen Bauern vielerorts ihre Nutztiere auf die Äcker, damit sie die Erntereste fressen können», sagt Johan Six, Professor für nachhaltige Agrarökosysteme, Mitglied des World Food System Center der ETH Zürich und Mitautor der Studie. Dies senkt in trockenen Regionen den Ertrag von Conservation Agriculture auf das Niveau von konventionellen Anbaumethoden.

«Die Vegetationsreste sind besonders wichtig, damit die Feuchtigkeit nicht verdunstet, sondern im Boden bleibt. Den höheren Ertrag der Conservation Agriculture in trockenen Regionen führen wir auf diesen Verdunstungsschutz zurück», so Six. Wo die Vegetationsreste in trockenen Gebieten nicht stehengelassen würden, falle ein wichtiger Vorteil der Conservation Agriculture weg.

Verzichten Bauern neben dem Stehenlassen der Reste auch auf den Fruchtwechsel, sinkt der Ertrag bei Direktsaat sowohl in trockenen als auch in feuchten Regionen gegenüber konventionellen Anbaumethoden um zehn Prozent oder mehr. «Zu einem Grossteil hat das damit zu tun, dass der Druck von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen in Monokulturen viel grösser ist als in Fruchtfolgen», sagt Juhwan Lee, Postdoc in der Gruppe von Six.


Zuviel Feuchte in feuchten Regionen

Warum führt die Conservation Agriculture in feuchten und trockenen Regionen, wie beispielsweise im nördlichen Europa, zu tieferen Erträgen als die konventionelle Landwirtschaft? Six erklärt sich das vor allem damit, dass dort der Boden zu viel Feuchtigkeit speichert, die Felder weniger gut mit Maschinen bestellt werden können und deshalb die Wachstumsperiode zu kurz ist, um hohe Erträge zu erzielen.

Conservation Agriculture wird vor allem in Nord- und Südamerika betrieben. Die absolut gesehen grössten Landwirtschaftsflächen, die nach deren Prinzipien angebaut werden, liegen in den USA. Ein Fünftel der Ackerfläche wird dort so bestellt. In Brasilien ist es mehr als die Hälfte. In Europa ist die Direktsaat weniger stark verbreitet, am stärksten noch in Spanien, dort auf rund einem Zehntel der Landwirtschaftsfläche.

Literaturhinweis
Pittelkow CM, Liang X, Linquist BA, van Groenigen KJ, Lee J, Lundy ME, van Gestel N, Six J, Venterea RT, van Kessel C:
Productivity limits and potential of the principles of conservation agriculture.
Nature, Online-Publikation vom 22. Oktober 2014,
doi: 10.1038/nature13809
[http://dx.doi.org/10.1038/nature13809]



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution104

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich),
News und Medienstelle, 22.10.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Oktober 2014