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GENTECHNIK/514: Warum Gentechnik in Indien keine Erfolgsgeschichte ist (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 366 - Mai 2013
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Ernährungssicherung liegt in der Vielfalt

Warum Gentechnik in Indien keine Erfolgsgeschichte ist

von Annemarie Volling



Der Anbau von gentechnisch veränderter Bt-Baumwolle sollte für viele Kleinbauern in Indien der Ausweg aus der Armut sein. In Bt-Baumwolle wurde ein Gen des Bakteriums Bacillus thunringiensis eingebaut, wodurch die Pflanze permanent ein Gift produziert, das tödlich auf Fraßschädlinge wie den Baumwollkapselwurm wirkt. Versprochen wurde den Bauern eine drastische Reduktion des Spritzmitteleinsatzes und stabil höhere Ernten, was ihnen ein verbessertes Einkommen bringen sollte. Seit über zehn Jahren wird Bt-Baumwolle in Indien angebaut, was ist dran an der Erfolgsgeschichte?

In der Erntesaison 2007/2008 verzeichnete Indien die höchsten Baumwollernten seiner Geschichte. Seitdem sind die Erträge aber deutlich zurückgegangen. Die Gentechnik-Industrie begründet den Rückgang vor allem mit angeblichen Fehlern bei den Bauern. Wissenschaftler der Universität Washington erklären ihn damit, dass sich die Schadinsekten an das Gift der Bt-Baumwolle angepasst haben. Indische Wissenschaftler berichten zudem, dass sich neue Insekten zu Schädlingen entwickeln und die Ernte dezimieren.


Hybride und Bewässerung

Ein genauer Blick auf die Anbauzahlen zeigt, dass in den Jahren 2000/2001 bis 2004/2005, in denen Bt-Baumwolle mit gerade mal 6 %-Anteil noch eine untergeordnete Rolle spielte, die Baumwollerträge in Indien um 69 % stiegen. In den nächsten drei Jahren wuchs der Gentechnik-Anteil von 6 auf 62 % an, dies brachte aber lediglich einen Ertragszuwachs um 17 %. Seit dem Ertragsmaximum 2007/2008 zeigt sich ein deutlicher Trend der Erträge nach unten: Von über 554 kg/ha (2007/2008) auf 481 kg/ha (2011/2012), das sind über 10 %. Auch Dr. Keshav Kranthi, Direktor des zentralen Instituts für Baumwollforschung (CICR), führt die Ertragszuwächse vor allem auf die Einführung von Hybriden zurück. 2000 betrug der Hybridanteil an indischer Baumwolle 40%, 2009 waren es 85 %. Ein weiterer Faktor zur Produktivitätssteigerung war der Einsatz von Bewässerungsanlagen sowie die Erschließung neuer Anbauflächen und die Einführung von Pestiziden mit neuen Wirkmechanismen.


Einführung von Bt-Baumwolle

Seit 2002 ist der Anbau von gentechnisch veränderter Bt-Baumwolle in sechs Bundesstaaten Indiens erlaubt. Zunächst breitete sich der Anbau langsam aus, 2012 betrug der Anteil 90%. Die indische Genetikerin und Gründerin der Organisation Gene Campaign, Suman Sahai, sagte dazu anlässlich einer Gentechnikkonferenz in Berlin: "Entscheidend war ein aggressives Marketing der Saatgutfirmen und das Versprechen, die Bauern aus der Armut zu holen. Viele waren hoch verschuldet und haben sich endlich eine Lösung erhofft. Langsam kommt die Ernüchterung..."

Mit dem Saatgutverkauf wurden den Bauern zeitweise kostenlos Pestizide zur Verfügung gestellt, und es wurden Rabatte für den frühzeitigen Kauf von Bt-Saatgut vergeben. In manchen Jahren wurde eine Verknappung von Bt-Saatgut vorgetäuscht. Geworben wurde mit Erfolgsgeschichten von Landwirten. Als irreführende Werbung wurden solche Spots vor Kurzem vom Advertising Standards Council of India kritisiert.


Überhöhte Saatgutpreise

Die Monopolstellung von Mahyco-Monsanto hat zu exorbitanten Preisen von Bt-Baumwoll-Saatgut geführt. 2004 lagen die Saatgutpreise zwischen 23,40 bis 25,60 € für 450 € Gramm Bt-Baumwoll-Saatgut - im Vergleich zu 4,98 € für Hybrid-Saatgut und weniger als 1,43 € für traditionelles Saatgut. 2011 hat Mahyko die Nachricht verbreitet, dass Bt-Baumwoll-Saatgut knapp sei. Bt-Saatgut wurde von Bauern zu Preisen von bis zu 38,40 € gekauft, was dem Dreifachen des Marktpreises entsprach.


Kurzfristige Erfolge

Die Erfahrungen von zehn Jahren Bt-Baumwollanbau zeigen, dass der Pestizidverbrauch nicht langfristig reduziert wurde. Zwar waren in den ersten beiden Jahren des Anbaus weniger Pestizidanwendungen nötig, danach haben die Anwendungen aber wieder zugenommen. Heute sind sie entweder genauso hoch oder höher als vor Einführung der Bt-Baumwolle. Dr. Kranthi berichtete auf einem Treffen der indischen Zulassungsstelle für gentechnische Organismen (GEAC) Anfang 2011, dass die Pestizid Ausgaben von 85 Mio. € im Jahre 2002 auf 112 Mio. € (2009) angestiegen sind. Im Frühjahr 2010 offenbarte Monsanto, dass der Baumwollschädling "Pink bollworm" Toleranzen gegen das in der gv-Baumwolle "Bollgard" produzierte Bt-Gift (Cry 1Ac) entwickelt hatte. Studien zeigten, dass auch andere Baumwollschädlinge beim Einsatz in Bt-Baumwolle überleben und sich reproduzieren. Resistenzen wurden bereits in der 2. Generation von Bt-Baumwolle "Bolgard II", die 2006 auf den Markt kam, festgestellt. In einem Report von 2011 führt Baumwollforscher Kranthi die rückläufigen Erträge in Nordindien auf folgende Ursachen zurück: Abfallende Potentiale der Hybriden, erhöhte Anfälligkeit der neuen Bt-Hybriden gegenüber einem Virus, ein hohes Maß an Anfälligkeit für saugende Schädlinge, Probleme mit Nährstoffmangel und physiologischen Störungen. Hinzu kommen Probleme mit Wollläusen, der Weißen Fliege und anderen, zum Teil gänzlich unbekannten Insekten, wie die Schildlaus.


Gentechnik ist der falsche Ansatz

"Gentechnik ist der falsche Ansatz, um in den Ländern des Südens den Hunger zu besiegen", so die indische Genetikerin Sahai. "Patentgeschützte Hochleistungssorten wie Monsantos Bt-Baumwolle sind teuer und bergen ein hohes Risiko beim Anbau. Gerade in Ländern wie Indien - auf Standorten mit wechselnden klimatischen Bedingungen - führen die lokal nicht angepassten Gentechnik-Sorten in eine Sackgasse." Missernten oder sinkende Erträge durch die fehlende Vielfalt auf dem Acker könnten sich gerade die Ärmsten der Armen nicht leisten, so Sahai. "Der Schlüssel zur Ernährungssicherheit liegt in innovativen Systemen der Vielfalt. Die genetischen Optionen sind da! Es gibt Sorten, die an verschiedene Böden angepasst sind, auch solche, die trockentolerant sind. Der Erforschung und Weiterentwicklung regionaler, standortangepasster Saaten sowie der Anbau von Sortenmischungen, die nicht die höchsten sondern stabile Erträge garantieren, sichern den Bauern ein dauerhaftes Einkommen", sagt Sahai, die auf On-Farm-Saatgutbanken gemeinsam mit den Bauern und Bäuerinnen erfolgreich tausende Sorten erhält und weiterentwickelt. Die Bauern werden so in die Lage versetzt, sich und ihre Familien zu ernähren.


Annemarie Volling, AbL-Koordinatorin der gentechnik freien Regionen

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 366 - Mai 2013, S. 17
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. August 2013