Unabhängige Bauernstimme, Nr. 427 - Dezember 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern
Kennen Sie "Ohne GenTechnik"?
Was zu Beginn für unmachbar erklärt wurde, wird für immer mehr
Lebensmittel zum Standard
von Marcus Nürnberger
Bereits seit 2004 müssen Lebensmittel und Futtermittel gekennzeichnet werden, wenn sie gentechnisch veränderte Organismen enthalten, aus ihnen bestehen oder hergestellt wurden. Diese Kennzeichnung ermöglicht es Verbrauchern, sich klar gegen Gentechnik zu entscheiden, und diese Ablehnung führt dazu, dass es in den Märkten keine gekennzeichneten Lebensmittel gibt. Ganz anders sieht dies bei den Futtermitteln aus. In vielen Mischungen sind Bestandteile von gentechnisch verändertem Mais oder Soja enthalten. Auch ist es nicht unüblich, dass Hersteller vorsorglich kennzeichnen, auch wenn sie zumindest zum Teil gentechnikfrei produzieren. Dass gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in Futtermitteln noch nicht der Vergangenheit angehören, liegt an den Feinheiten der Kennzeichnungsregelung. Denn tierische Lebensmittel - Milch, Eier und Fleisch - müssen nicht gekennzeichnet werden, auch wenn die Tiere GVO in ihrer Futterration hatten.
Positivkennzeichnung
Vor dem Hintergrund, dass es politisch nicht möglich erschien, die
Kennzeichnungsregelung um den Bereich der Futtermittel zu erweitern,
kam dem im Mai 2008 in Kraft getretenen
EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz eine besondere Rolle zu. Es regelt
die Kennzeichnung von Lebensmitteln, bei deren Herstellung auf die
"Anwendung gentechnischer Verfahren" verzichtet wurde und ermöglicht
damit eine Positivkennzeichnung. Vom Gesetz bis zum Logo und bis zur
Akzeptanz im Handel und bei den Verbrauchern war es ein langer Weg,
der ganz wesentlich vom Verband Lebensmittel ohne Gentechnik e. V.
(VLOG) mit gestaltet wurde. Mittlerweile tragen über 9.000
Lebensmittel das "Ohne GenTechnik"-Siegel. Der Verband Lebensmittel
ohne Gentechnik (VLOG) vertrat 2018 mehr als 700 Mitglieder und
Lizenznehmer, die mit Produkten mit "Ohne GenTechnik"-Siegel im Jahr
2018 voraussichtlich einen Gesamtjahresumsatz von über 7 Mrd. Euro
erzielen werden. "Mit rasanten Schritten schreitet die Erzeugung von
Milch ohne Gentechnik voran. Mittlerweile kommen, nach AMI-eigenen
Erhebungen, bei rund 40 % der Milch keine gentechnisch veränderten
Futtermittel mehr zum Einsatz. Vor sieben Jahren lag der Anteil gerade
einmal bei rund 3 %", so die Marktanalysten. Mittlerweile sind nahezu
alle großen Molkereiunternehmen Lizenznehmer beim VLOG. Arla,
Müller-Milch, Hochwald und auch das DMK bieten vor allem bei den
Handelsmarken Produkte mit dem Siegel an. Das zeigt vielleicht auch
schon, wer der eigentliche Treiber in der Entwicklung ist. Die
Forderung nach einer transparenten Auslobung kommt ganz wesentlich aus
dem Spannungsfeld zwischen interessierten, aufgeklärten Verbrauchern
und dem Handel, der diese Nachfrage bedienen möchte und gleichzeitig
versucht, sich durch seine Unternehmensphilosophie zu profilieren, um
sich von anderen Marktteilnehmern abzusetzen. In Bayern werden nach
Einschätzung des bayerischen Landesamtes für Landwirtschaft (LfL) bis
Ende 2018 knapp 90 % der konventionellen Milch als Milch "ohne
Gentechnik" erfasst werden. Im Milchsektor scheint der Verzicht auf
gentechnisch veränderte Futtermittel in den Betrieben mittlerweile zum
Standard zu werden. Der Aufschlag auf den Milchpreis liegt in der
Regel bei einem Cent/kg Milch. Neben dem Milchbereich ist die
Umstellung auf gentechnikfreies Futter im Geflügelbereich, auch
aufgrund der starken Konzentration und dem sensiblen Produkt
Konsum-Ei, am weitesten vorangeschritten. Inzwischen gibt es aber auch
bei Rinder- und Schweinefleisch deutlich erkennbare Entwicklungen. So
hat Lidl 2017 als erster Discounter damit begonnen, seine regionale
Eigenmarke "Ein gutes Stück Bayern" auf gentechnikfrei zertifiziertes
Schweinefleisch umzustellen. Der Wunsch nach Ausweitung ist nach
Angaben des VLOG-Geschäftsführers Alexander Hissting vorhanden. Eine
Schwierigkeit ist die Produktionsstruktur im Schweinebereich. Die
Erzeuger sind - anders als beispielsweise bei der Eierproduktion oder
im Geflügelfleischbereich - nicht unbedingt in Erzeugergemeinschaften
zusammengeschlossen. Der Bereich ist darüber hinaus in verschiedene
Produktionsstufen, Ferkelerzeuger und Mäster, geteilt. Bei mindestens
viermonatiger gentechnikfreier Fütterung können gleich mehrere
Betriebe betroffen sein. Im Rindfleischbereich stellt sich die
Situation ähnlich dar. Auch hier ist das größte Problem die komplexe
und vielschichtige Produktionskette.
Über Grenzen hinweg
Die Zertifizierung nach VLOG-"Ohne Gentechnik"-Standard und die
Nutzung des "Ohne GenTechnik"-Siegels sind auch international immer
stärker gefragt. Schon jetzt ist der VLOG-Standard in einem Dutzend
Ländern angenommen. Von Dänemark bis Griechenland, von Polen bis
Frankreich. Die meisten VLOG-Zertifizierungen außerhalb Deutschlands
finden in den Niederlanden für die Bereiche Futtermittel-, Milch-,
Geflügelfleisch- und Eierproduktion statt. Hinzu kommt das immer
stärker werdende Interesse deutscher Supermärkte, auch in ihren
Filialen im europäischen Ausland "Ohne Gentechnik"-Artikel anzubieten.
Zudem gibt es auch in anderen Ländern, z .B. in Polen, das Bestreben,
ein "Ohne Gentechnik"-Label einzuführen. Schon länger gibt es diese
Kennzeichnungsmöglichkeit in Frankreich, Österreich, Südtirol,
Luxemburg und Slowenien.
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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 427 - Dezember 2018, S. 6
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2019
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