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GENTECHNIK/573: Kennen Sie "Ohne GenTechnik"? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 427 - Dezember 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Kennen Sie "Ohne GenTechnik"?
Was zu Beginn für unmachbar erklärt wurde, wird für immer mehr Lebensmittel zum Standard

von Marcus Nürnberger


Bereits seit 2004 müssen Lebensmittel und Futtermittel gekennzeichnet werden, wenn sie gentechnisch veränderte Organismen enthalten, aus ihnen bestehen oder hergestellt wurden. Diese Kennzeichnung ermöglicht es Verbrauchern, sich klar gegen Gentechnik zu entscheiden, und diese Ablehnung führt dazu, dass es in den Märkten keine gekennzeichneten Lebensmittel gibt. Ganz anders sieht dies bei den Futtermitteln aus. In vielen Mischungen sind Bestandteile von gentechnisch verändertem Mais oder Soja enthalten. Auch ist es nicht unüblich, dass Hersteller vorsorglich kennzeichnen, auch wenn sie zumindest zum Teil gentechnikfrei produzieren. Dass gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in Futtermitteln noch nicht der Vergangenheit angehören, liegt an den Feinheiten der Kennzeichnungsregelung. Denn tierische Lebensmittel - Milch, Eier und Fleisch - müssen nicht gekennzeichnet werden, auch wenn die Tiere GVO in ihrer Futterration hatten.

Positivkennzeichnung
Vor dem Hintergrund, dass es politisch nicht möglich erschien, die Kennzeichnungsregelung um den Bereich der Futtermittel zu erweitern, kam dem im Mai 2008 in Kraft getretenen EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz eine besondere Rolle zu. Es regelt die Kennzeichnung von Lebensmitteln, bei deren Herstellung auf die "Anwendung gentechnischer Verfahren" verzichtet wurde und ermöglicht damit eine Positivkennzeichnung. Vom Gesetz bis zum Logo und bis zur Akzeptanz im Handel und bei den Verbrauchern war es ein langer Weg, der ganz wesentlich vom Verband Lebensmittel ohne Gentechnik e. V. (VLOG) mit gestaltet wurde. Mittlerweile tragen über 9.000 Lebensmittel das "Ohne GenTechnik"-Siegel. Der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) vertrat 2018 mehr als 700 Mitglieder und Lizenznehmer, die mit Produkten mit "Ohne GenTechnik"-Siegel im Jahr 2018 voraussichtlich einen Gesamtjahresumsatz von über 7 Mrd. Euro erzielen werden. "Mit rasanten Schritten schreitet die Erzeugung von Milch ohne Gentechnik voran. Mittlerweile kommen, nach AMI-eigenen Erhebungen, bei rund 40 % der Milch keine gentechnisch veränderten Futtermittel mehr zum Einsatz. Vor sieben Jahren lag der Anteil gerade einmal bei rund 3 %", so die Marktanalysten. Mittlerweile sind nahezu alle großen Molkereiunternehmen Lizenznehmer beim VLOG. Arla, Müller-Milch, Hochwald und auch das DMK bieten vor allem bei den Handelsmarken Produkte mit dem Siegel an. Das zeigt vielleicht auch schon, wer der eigentliche Treiber in der Entwicklung ist. Die Forderung nach einer transparenten Auslobung kommt ganz wesentlich aus dem Spannungsfeld zwischen interessierten, aufgeklärten Verbrauchern und dem Handel, der diese Nachfrage bedienen möchte und gleichzeitig versucht, sich durch seine Unternehmensphilosophie zu profilieren, um sich von anderen Marktteilnehmern abzusetzen. In Bayern werden nach Einschätzung des bayerischen Landesamtes für Landwirtschaft (LfL) bis Ende 2018 knapp 90 % der konventionellen Milch als Milch "ohne Gentechnik" erfasst werden. Im Milchsektor scheint der Verzicht auf gentechnisch veränderte Futtermittel in den Betrieben mittlerweile zum Standard zu werden. Der Aufschlag auf den Milchpreis liegt in der Regel bei einem Cent/kg Milch. Neben dem Milchbereich ist die Umstellung auf gentechnikfreies Futter im Geflügelbereich, auch aufgrund der starken Konzentration und dem sensiblen Produkt Konsum-Ei, am weitesten vorangeschritten. Inzwischen gibt es aber auch bei Rinder- und Schweinefleisch deutlich erkennbare Entwicklungen. So hat Lidl 2017 als erster Discounter damit begonnen, seine regionale Eigenmarke "Ein gutes Stück Bayern" auf gentechnikfrei zertifiziertes Schweinefleisch umzustellen. Der Wunsch nach Ausweitung ist nach Angaben des VLOG-Geschäftsführers Alexander Hissting vorhanden. Eine Schwierigkeit ist die Produktionsstruktur im Schweinebereich. Die Erzeuger sind - anders als beispielsweise bei der Eierproduktion oder im Geflügelfleischbereich - nicht unbedingt in Erzeugergemeinschaften zusammengeschlossen. Der Bereich ist darüber hinaus in verschiedene Produktionsstufen, Ferkelerzeuger und Mäster, geteilt. Bei mindestens viermonatiger gentechnikfreier Fütterung können gleich mehrere Betriebe betroffen sein. Im Rindfleischbereich stellt sich die Situation ähnlich dar. Auch hier ist das größte Problem die komplexe und vielschichtige Produktionskette.

Über Grenzen hinweg
Die Zertifizierung nach VLOG-"Ohne Gentechnik"-Standard und die Nutzung des "Ohne GenTechnik"-Siegels sind auch international immer stärker gefragt. Schon jetzt ist der VLOG-Standard in einem Dutzend Ländern angenommen. Von Dänemark bis Griechenland, von Polen bis Frankreich. Die meisten VLOG-Zertifizierungen außerhalb Deutschlands finden in den Niederlanden für die Bereiche Futtermittel-, Milch-, Geflügelfleisch- und Eierproduktion statt. Hinzu kommt das immer stärker werdende Interesse deutscher Supermärkte, auch in ihren Filialen im europäischen Ausland "Ohne Gentechnik"-Artikel anzubieten. Zudem gibt es auch in anderen Ländern, z .B. in Polen, das Bestreben, ein "Ohne Gentechnik"-Label einzuführen. Schon länger gibt es diese Kennzeichnungsmöglichkeit in Frankreich, Österreich, Südtirol, Luxemburg und Slowenien.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 427 - Dezember 2018, S. 6
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2019

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