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HUNGER/237: Westafrika - Kuhbohnen als Waffe gegen Hunger (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Oktober 2010

Westafrika:
Kuhbohnen als Waffe gegen Hunger - Experten raten zu stärkerer Nutzung

Von Busani Bafana


Dakar, 6. Oktober (IPS) - In Westafrika könnte die Kuhbohne (Vigna Unguiculata), auch Augenbohne genannt, zu einer wirksamen Waffe gegen Hunger und Armut werden. In Saly nahe der senegalesischen Hauptstadt Dakar warben Agrowissenschaftler auf der 5. Weltkonferenz über die Erforschung der Kuhbohne für den verstärkten Anbau der besonders proteinreichen Hülsenfrucht und empfahlen den Aufbau von wertschöpfenden professionellen Verarbeitungs- und Vermarktungsketten.

Die Kuhbohne stellt keine hohen Anforderungen an den Boden und ist ein wertvolles Nahrungsmittel für Mensch und Tier. Bäuerinnen können für sich und ihre Familien ein Zubrot verdienen, wenn sie als Straßenhändlerinnen selbst gebackene Bällchen aus Bohnenmehl ('Kossaï' oder 'Akara'), in Afrika als 'Fleisch der armen Leute' geschätzt, verkaufen.

Die Agrar- und Ernährungsexperten befassten sich auf ihrer Konferenz mit den Ergebnissen einer Studie der Hochschulabsolventin Miriam Otoo. Sie arbeitet als Forschungsassistentin an der Abteilung für Agrarwirtschaft der Purdue-Universität im US-Staat Indiana.

Ihre 2009 in Ghana und Niger durchgeführte Untersuchung beruhte auf Interviews mit 336 Frauen, die sich mit dem Straßenverkauf von Kossaï eine wirtschaftliche Existenzgrundlage geschaffen hatten. Dieses Gewerbe wird fast ausschließlich von Frauen ausgeübt.

Die Studie fand heraus, wie wichtig dieses traditionelle Kleingewerbe für die wirtschaftliche Entwicklung sein kann. So verdienten die Händlerinnen am Verkauf des Bohnengebäcks Kossaï in Niger und Ghana vier bis 16 Mal mehr, als ihnen ein mit einem Mindestlohn bezahlter Job eingebracht hätte.


Kossaï-Verkauf als Wirtschaftsfaktor

Straßenhändlerinnen ohne Schulbildung können mit ihrem Verdienst das Schulgeld für die Kinder aufbringen und die medizinische Versorgung der gesamten Familie bezahlen, betont die Studie. Da Kossaï-Verkäuferinnen allein in Nigers Hautstadt Niamey alljährlich 1,2 Millionen Kilogramm Kuhbohnen verarbeiten, ist die Nachfrage nach den proteinhaltigen Hülsenfrüchten erheblich gestiegen.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Kossaï-Händlerinnen sei bei bisherigen Untersuchungen kaum berücksichtigt worden, kritisierte Otoo in einem Gespräch mit IPS. Um den ständig wachsenden Bedarf an Kuhbohnen zu decken empfahl Otoo, Geschäftsfrauen, die Kuhbohnen verarbeiten und verkaufen, zu Darlehen, größeren Marktchancen und zu technisch verbesserten Verarbeitungsmethoden zu verhelfen.

"Wann immer eine Händlerin, die auf der Straße Essen verkauft, einen Kredit bekommt, macht sie aus ihrem Kleingewerbe ein beneidenswert erfolgreiches Unternehmen", heißt es in dem Bericht der Expertin Otoo.

Sie kritisiert, dass sich Nichtregierungsorganisationen bislang nur in wenigen afrikanischen Ländern darum bemüht hätten, Straßenhändlerinnen Kredite und damit Arbeitskapital zu beschaffen.

Im überwiegend französischsprachigen Westafrika werden Kuhbohnen, die hier 'Niebe' heißen, fast ausschließlich im privat-informellen Sektor für den Straßenverkauf verarbeitet. Eine industrielle, wertsteigernde Weiterverarbeitung fehlt bislang, denn es werden zu wenige Kuhbohnen angebaut.

Der Mühlenbetrieb 'Kumba Enterprises' der Unternehmerin Aissatou Diagne Deme' produziert im Monat 800 Kilo Bohnenmehl, das zunehmend als wichtiger Nahrungsbestandteil geschätzt wird. "Ich beliefere Bäcker und Familien, die ihre Kinder gehaltvoll ernähren wollen", berichtete sie IPS während einer Führung durch die mitten in Dakar gelegene Anlage. Über mangelnde Nachfrage kann sie nicht klagen. "Ich habe gute Aufträge und würde gerne expandieren, denn immer mehr Interessenten fragen nach Niebe-Mehl", erklärte sie.


Eiweißreiches Brot für Kinder

Mit einem Startkapital von umgerechnet 12.000 US-Dollar hatte Deme 1994 ihren Betrieb eröffnet. Heute beschäftigt sie 52 Frauen. Auch wenn sie ihr Niebe-Mehl gerne exportieren würde, kann die Produktion ihres Betriebes nicht einmal die lokale Nachfrage decken. Doch Hirsemehl liefert 'Kumba Enterprises' inzwischen in europäische Länder.

Wegen geringer Produktion und schlechter Vermarktung spielte die Kuhbohne in Afrika lange Jahre wirtschaftlich keine Rolle. Nach der Entdeckung ihres hohen Proteingehalts, ihrer Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel und ihres Nutzens als nahrhaftes Viehfutter erlebt sie derzeit jedoch eine Renaissance als 'Wunderfeldfrucht'.

Kuhbohnen werden zurzeit weltweit auf zehn Millionen Hektar angebaut, überwiegend in Afrika. Jährlich werden nach Angaben des Internationalen Instituts für Landwirtschaft in den Tropen (IITA) über vier Millionen Tonnen Kuhbohnen konsumiert, davon 70 Prozent in Afrika.

In Dakar entwickelt das Institut für Lebensmitteltechnologie in Zusammenarbeit mit der Regierung ein mit Eiweiß angereichertes Brot aus Weizen, Kuhbohnen und Erdnüssen. Es soll den Proteinmangel bei Schulkindern beheben.

Trotz des wachsenden Interesses an Kuhbohnen reicht der Anbau der Hülsenfrüchte noch längst nicht für eine kommerzielle Nutzung in größerem Rahmen. Die Produktionskosten sind zu hoch und die Anfälligkeit der Pflanzen für Schädlingsbefall ist groß. Blattläuse und Kornkäfer, Bakterien und Pilze machen ihnen ganzjährig zu schaffen.

"Es gibt bislang einfach nicht genug Kuhbohnen, um sie vielfältig nutzen zu können", stellte Bussie Maziya-Dixon vom IITA fest. "Die Ernten reichen nicht einmal aus, um daraus traditionelle, altbekannte Produkte herzustellen."

Vorläufig würden sie, vermischt mit Getreide wie Hirse oder Mais, zur Verbesserung der Ernährung von Kindern verwendet. Zudem arbeite die Forschung daran, die Produktions- und Lagerprobleme der Bohnen in den Griff zu bekommen, erklärte Maziya-Dixon. (Ende/IPS/mp/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2010