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HUNGER/287: Ghana - Die "Null-Null-Eins-Strategie", weniger Regen, weniger Mahlzeiten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. August 2012

Ghana: Die "Null-Null-Eins-Strategie" - Weniger Regen, weniger Mahlzeiten

von Albert Oppong-Ansah


Der Bauer Adams Seidu auf seinem Feld - Bild: © Albert Oppong-Ansah

Der Bauer Adams Seidu auf seinem Feld
Bild: © Albert Oppong-Ansah

Tamale, Ghana, 16. August (IPS) - Um nach den Ernteeinbrüchen in diesem Jahr überleben zu können, müssen Adams Seidu und seine Familie wie die anderen Bauern im Norden Ghanas im engen Sinne de Wortes den Gürtel enger schnallen. Die geringe Menge verfügbarer Nahrungsmittel wird streng rationiert. Für die Kinder gilt die 'Eins-Null-Eins'- und für das Ehepaar die 'Null-Null-Eins'-Strategie', wie Seidu erläutert.

Die jeweils drei Ziffern stehen für drei Mahlzeiten am Tag. Die Eins bedeutet eine Mahlzeit, bei null fällt das Essen aus. Seidus Kinder erhalten also morgens ein Frühstück, kein Mittag- aber ein Abendessen, während die Erwachsenen sich mit einer Mahlzeit bescheiden müssen.

Nahrungsmittelengpässe sind zu einem ständigen Problem in der Region geworden. Aus einer jüngsten Untersuchung des Ghanaischen Gesundheitsdienstes geht hervor, dass 32,2 Prozent der 208.742 Unter-Fünf-Jährigen in der Nordregion unterernährt sind und Wachstumsprobleme haben.

Seidu und die Seinen, die in Tamale, der Hauptstadt der Nordregion, leben, kommen mehr schlecht als recht über die Runden. Die schwierige Ernährungslage setzt der Familie bereits seit einigen Jahren zu. Einst waren Ghanas Nord-, Upper West- und Upper East-Regionen mit ihren üppigen Getreide- und Knollengewächsfeldern die "Brotkörbe" Ghanas.


Von Kornkammern zur Hungergebieten

Doch Wetteranomalien in den drei Regionen, die Ghanas Savannenzone bilden, haben zu einem Rückgang der Niederschlagsmenge, geringeren Ernteerträgen und zunehmender Ernährungsunsicherheit geführt.

"Viele Farmer haben aufgrund der geringen Niederschlagsmenge einen großen Teil ihrer Ernten verloren. Die Pflanzen sind verdorrt, noch bevor sie reifen konnten", berichtet Seidu, der auf seiner kleinen Farm Mais, Reis und Yams anbaut. Während der Regensaison im Jahr 2000 waren in Nanumba in der Nordregion noch durchschnittlich 1.495 Millimeter Regen gefallen. Zehn Jahre später waren es im gleichen Zeitraum nur noch 433 Millimeter.

Die geringe Niederschlagsmenge hat fatale Folgen. Die Nordregion ist die drittbevölkerungsreichste Ghanas. Dort leben 80 Prozent der Menschen von der Landwirtschaft. Doch seitdem die Ernten immer bescheidener ausfallen, kämpft die Hälfte von ihnen ums Überleben.

Das knapp einen Hektar große Land, das Seidu in diesem Jahr bepflanzt hatte, brachte ganze 252 Kilogramm hervor. "Vor zwei Jahren konnte ich mit meinen Ernteerträgen noch sieben 84-Kilo-Säcke füllen. Doch in diesem Jahr haben es viele Pflanzen noch nicht einmal zur Blüte geschafft", schildert der Bauer, der nur noch einen Arm hat.

Zahlen aus dem Agrarministerium belegen, dass die Maisproduktion in der Nordregion von 164.200 Tonnen 1991 auf 78.800 Tonnen im Jahr 2000 zurückging. Aktuellere Angaben liegen nicht vor.

Der Chefmeteorologe der Region, Kafui Quashiga, führt das veränderte Niederschlagsmuster in den letzten zehn Jahren auf den Klimawandel zurück. Zahlen der Ghanaischen Meteorologiebehörde zeigen, dass der langjährige Mittelwert von 6.550 Millimeter Regen pro Jahr seit Anfang des neuen Jahrtausends abgesunken ist.

"Wenn man die Angaben über die Niederschlagsmenge in Wa in der Upper West-Region, in Tamale im Norden, Navorongo in der Upper East-Region und Krachie in Volta vergleicht, ist eine scharfe Abnahme der Niederschlagsmenge erkennbar. Dieser Trend wird sich aller Wahrscheinlich nach fortsetzen", schätzt Quashiga.

Armut, Analphabetismus und Unterernährung sind in diesen Regionen nun weit verbreitet. Seidu räumt ein, dass er aufgrund der Ernteeinbrüche nur noch die Schulgebühren von zwei seiner vier Kinder aufbringen kann. Von den zehn Kindern des 60-jährigen Bauern Nindoo Salisu gehen nur drei zur Schule. "Wir konnten von unseren Ernteerträgen ganz gut leben, bis das Wetter verrückt spielte und uns in die Armut zwang", sagt er. "Die Lage ist besorgniserregend, und je eher etwas geschieht, desto besser."


Anpassungsprogramme begrenzt erfolgreich

Zwar werden in der Region einige Anpassungsprogramme durchgeführt, doch hält sich der Erfolg in Grenzen. Abubakar Sadique Haruna, ein Bauer in Ghanas Nordregion, verdient sich ein Zubrot, indem er im Rahmen eines US-finanzierten Programms mit seinem Traktor anderen Bauern den Boden umpflügt. Für jedes Zehntel Hektar Land, das er pflügt, erhält er einen US-Dollar. Das entspricht dem Äquivalent von 4,5 Litern Treibstoff oder einem 84-Kilo-Sack Mais. Seit dem Start von ADVANCE im letzten Jahr kamen auf diese Weise 1.000 Bauern zu gepflügten Böden.

Darüber hinaus versorgt Haruna seine Kunden mit verbessertem Saatgut, Agrochemikalien und Düngemitteln. Außerdem zeigt er ihnen, wie sie ihre Erträge steigern können. Das Problem sei nur, dass einige Bauern aufgrund der Ernteeinbrüche kein Geld mehr für den Kauf von Agrochemikalien hätten, sagt er.

Festus Aaron Langkuu, ein Beamter im Agrarministerium, berichtet, dass in einigen Gebieten neue Methoden der Wassergewinnung getestet worden seien. In der Nordregion wurden der Golinga- und der Bontanga-Damm im Rahmen eines Projekts der Millenniumsentwicklungsbehörde wieder in Betrieb genommen. Auf diese Weise konnten wenigstens einige Agrarflächen bewässert werden.

"Auch wenn die Regierung einzelnen Bauern Dünger bereitstellt - so hilft dies nicht über den Mangel an Niederschlägen hinweg", so Langkuu. "Dass die Farmer ihren Acker nicht bestellen können, ist dem Ziel der Armutsbekämpfung nicht förderlich." (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2012