Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → ERNÄHRUNG


HUNGER/339: Uneinheitliche Fortschritte im Kampf gegen globale Unterernährung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. November 2015

Entwicklung: Uneinheitliche Fortschritte im Kampf gegen globale Unterernährung

ein Gastbeitrag von Jomo Kwame Sundaram *


ROM (IPS) - Schätzungsweise 795 Millionen Menschen leiden chronischen Hunger. Das ist jeder neunte Erdenbewohner. Fast alle von ihnen, nämlich ungefähr 780 Millionen Hungernde, leben in Entwicklungsländern. Die gute Nachricht: Der Anteil Hungernder hat sich seit 1991 von 23,4 Prozent auf 12,9 Prozent nahezu halbiert.

Insgesamt betrachtet verläuft der Fortschritt uneinheitlich und in einigen Ländern und Regionen recht langsam. Die absoluten Zahlen der Hungernden sind mancherorts sogar gestiegen. Bei der Bekämpfung der Unterernährung sind in den Regionen deutliche Unterschiede auszumachen.


Lage im Afrika südlich der Sahara besonders kritisch

In den meisten Staaten Lateinamerikas, der Karibik, Südostasiens, Ostasiens und Zentralasiens ist der Anteil der Hungernden signifikant zurückgegangen. Das Ziel, die Zahl der Hungernden zu halbieren, ist dort erreicht worden. Der Fortschritt in der Region südlich der Sahara nimmt sich dagegen bescheidener aus. Dort ist Unterernährung derzeit am weitesten verbreitet.

Westasien ist die einzige Region, in der der Anteil der Hungernden gestiegen ist. Südasien und Ozeanien sind wiederum nicht weit genug vorangekommen, um das UN-Millenniums-Entwicklungsziel, welches sich auf die Bekämpfung des Hungers bezieht, bis Ende 2015 zu erreichen.

In vielen Ländern sind Kinder weiterhin untergewichtig und in ihrem Wachstum zurückgeblieben, selbst dort, wo die Bevölkerung Zugang zu ausreichenden Mengen an Nahrung hat. Ernährungsdefizite gehen auch mit einem schlechten Gesundheitszustand und dem häufigen Auftreten von Krankheiten wie Durchfall, Malaria, HIV/Aids und Tuberkulose einher.

Geschätzte 99 Millionen Kinder unter fünf Jahren hatten im Jahr 2012 Untergewicht. Dies bedeutete einen Rückgang um 38 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990. Dennoch ist weiterhin etwa jedes siebte Kind auf der Welt untergewichtig.


Große Fortschritte in Ostasien

In Ostasien ist der Bevölkerungsanteil untergewichtiger Kinder seit 1990 stärker gesunken als anderswo auf der Welt. Auf der Skala folgen die Regionen Kaukasus und Zentralasien, Lateinamerika und Karibik sowie Westasien. Auch wenn der Prozentsatz untergewichtiger Kinder in Südasien am höchsten war, erlebte die Region zugleich den in absoluten Zahlen größten Rückgang seit 1990. Trotz einer bescheidenen Reduzierung des Prozentsatzes untergewichtiger Kinder war Subsahara-Afrika die einzige Region, in der die absolute Zahl angestiegen ist - von 27 Millionen im Jahr 1990 auf 32 Millionen im Jahr 2012.

Im Jahr 2013 waren in Entwicklungsländern etwa 17 Prozent - in absoluten Zahlen 98 Millionen - Kinder unter fünf Jahren untergewichtig. An der Spitze lag Südasien mit 30 Prozent, gefolgt von Westafrika (21 Prozent), Ozeanien und Ostafrika (jeweils 19 Prozent), Südoastasien und Zentralafrika (beide 16 Prozent) und dem Südlichen Afrika (12 Prozent). Die Prävalenz von Untergewicht lag 2013 bei zehn Prozent in Ost-, Zentral- und Westasien, Nordafrika sowie Lateinamerika und der Karibik.

Global gesehen ging der Anteil unterernährter Kinder unter fünf Jahren zwischen 1990 und 2013 von 25 auf 15 Prozent zurück. Der geringste Rückgang wurde in dem Zeitraum in Afrika verzeichnet, und zwar von 23 auf 17 Prozent. In Asien nahm der Anteil von 32 auf 18 Prozent ab und in Lateinamerika/Karibik von acht auf drei Prozent.

Dies bedeutet, dass Asien und Lateinamerika/Karibik wahrscheinlich das entsprechende Millenniums-Entwicklungsziel erreichen werden, Afrika hingegen nicht. Gleichwohl bleibt der Prozentsatz der untergewichtigen Kinder in Südasien mit 30 Prozent hoch. Im Jahr 2013 lebten in dieser dicht besiedelten Region, die einen weiteren Bevölkerungszuwachs verzeichnet, etwa 53 Millionen untergewichtige Kinder.

In noch höherem Maß als Untergewicht sind Wachstumsstörungen ein aussagekräftiger Indikator für die Folgen von Unterernährung bei Kindern in den ersten 1.000 Tagen ab der Zeugung. Jedes vierte Kind weltweit ist für sein Alter zu klein.


Langfristiger Mangel an guter Ernährung

Diese Wachstumsstörungen, die demnach weiter verbreitet sind als Untergewicht, werden durch einen langfristigen Mangel an Nährstoffen sowie durch Krankheiten verursacht. Am Anfang steht oftmals eine schlechte Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft, die die Entwicklung des Fötus' hemmt. Diese Kinder kommen untergewichtig und zu klein auf die Welt. Diese Verkümmerungen behindern auch die kognitive und körperliche Entwicklung.

Auch wenn der Anteil von Wachstumsstörungen bei Kindern unter fünf Jahren von etwa 40 Prozent im Jahr 1990 auf 25 Prozent 2012 sank, waren 2014 schätzungsweise noch 161 Millionen Kinder unter fünf Jahren in Gefahr, aufgrund chronischer Unterernährung geistig und körperlich zurückzubleiben. In fast allen Regionen der Erde mit Ausnahme von Subsahara-Afrika sind Wachstumsstörungen bei Kindern zurückgegangen. In den Ländern südlich der Sahara stieg der Anteil zwischen 1990 und 2012 hingegen von 44 auf 58 Millionen.

In Ländern, in denen eine ausreichende Menge an Lebensmitteln mit einem zu geringen Nährstoffgehalt vorhanden ist, sind spezielle Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährung wichtig für die Vermeidung von Wachstumsstörungen bei Kindern. Eine verbesserte Ernährung sollte von weiteren Maßnahmen in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Hygiene, sanitäre Anlagen und Bildung begleitet werden.

Auf der Zweiten Internationalen Konferenz über Ernährung in Rom wurden im November vergangenen Jahres Wege für die internationale Kooperation und zur Unterstützung für umfassende nationale Anstrengungen zur Verbesserung der Nahrungsversorgung festgelegt. Die Staatengemeinschaft muss nun gemeinsam die Koordination für nachhaltige Maßnahmen gegen Mangelernährung in den nächsten zehn Jahren verbessern. (Ende/IPS/ck/23.11.2015)

* Jomo Kwame Sundaram ist Koordinator für Wirtschaftliche und Soziale Entwicklung bei der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO. Im Jahr 2007 erhielt er den 'Wassily Leontief Prize for Advancing the Frontiers of Economic Thought'.


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/11/opinion-progress-against-undernutrition-but-uneven/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. November 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. November 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang