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INTERNATIONAL/012: Chinas Landwirtschaft global (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2011


Chinas Landwirtschaft global

Von Uwe Hoering


China kann sich zwar weitgehend selbst ernähren. Doch Rohstoffe wie Baumwolle oder Viehfutter wie Soja müssen zunehmend importiert werden, um die Industrie zu versorgen. Das treibt nicht nur die Preise auf dem Weltmarkt in die Höhe, sondern auch chinesische Agrarinvestoren in Nachbarländer der Region, nach Afrika und Lateinamerika.


"Wir sind von Land- und Wasserressourcen in anderen Ländern abhängig", räumt Zhang Xiaoshan vom Forschungsinstitut CASS ein. Mit gerade einmal 10 Prozent der weltweit verfügbaren landwirtschaftlichen Nutzfläche hat China über 20 Prozent der Weltbevölkerung zu versorgen. Und Land und Wasser werden durch ausufernde Städte und ökologischen Raubbau immer knapper.

Schaut man sich nur die Außenhandelsbilanz an, scheint die Sorge vor einer Abhängigkeit allerdings übertrieben. Zwar stiegen die Agrarimporte zwischen 2000 und 2007, also seit dem WTOBeitritt 2001, um mehr als das Dreifache auf 65,2 Milliarden US-Dollar. Damit wurde China der viertgrößte Importeur von Agrarprodukten, doch ihr Anteil an den Einfuhren insgesamt ging kontinuierlich auf 6,8 Prozent zurück. Schwierigkeiten, seine Einfuhrrechnungen zu bezahlen, hat das Land angesichts seiner enormen Devisenrücklagen verständlicherweise auch nicht. Außerdem gelang es, die Exporte im gleichen Zeitraum ebenfalls kräftig zu steigern. Mit 39 Milliarden US-Dollar war China 2007 der fünftgrößte Agrarexporteur, vor allem von Schweine- und Hühnerfleisch, Obst und Fisch.

Abhängigkeit von anderen Ländern besteht auch nicht beim wichtigen Sonderposten Lebensmittel: Grundnahrungsmittel wie Getreide und Reis, aber auch Fleisch und Fisch, Obst und Gemüse werden häufig weit über den eigenen Bedarf hinaus erzeugt. Zu den Ausnahmen gehören Milch und Milchprodukte, deren Konsum in den vergangenen Jahren durch ein staatliches Schulmilchprogramm angeschoben wurde. Was Chinas Milchkühe nicht schaffen, wird importiert, überwiegend aus Neuseeland und Australien.

Eine zunehmende Abhängigkeit besteht allerdings bei industriellen Rohstoffen. Zum einen benötigt die industrielle Landwirtschaft erhebliche Importe von Viehfutter, Chemiedünger und Erdöl. Bis vor kurzem noch Sojaexporteur, müssen jetzt drei Viertel des Bedarf importiert werden, vielfach Gen-Soja aus Brasilien und den USA. Und um die Versorgung mit Dünger zu kontrollieren, versuchte das größte chinesische Düngemittelunternehmens Sinofert, Tochter des staatlichen Ölkonzerns Sinochem, mit einem zweistelligen Milliarden-Betrag, den kanadischen Düngerproduzenten Potash zu übernehmen.

Auch die Industrialisierung treibt die Nachfrage nach agrarischen Rohstoffen in immer neue Höhen: Bei Baumwolle für die Textilindustrie, die unter anderem aus den USA, zunehmend aber auch aus Afrika importiert wird, und bei Kautschuk für die boomende Autoindustrie gehört China inzwischen zu den wichtigsten Käufern auf dem Weltmarkt. 2002 überholte es die USA als weltgrößter Verbraucher von Naturkautschuk, für das Jahr 2020 wird seine Nachfrage auf 11,5 Millionen Tonnen im Jahr oder 30 Prozent der Produktion geschätzt.

Beobachter erwarten einen weiterhin stark wachsenden Agrarhandel besonders bei Plantagenprodukten wie Soja, Mais, Palmöl oder Kautschuk, die viel Land und Wasser beanspruchen. Auch wenn China weiterhin an seiner Politik der Eigenversorgung mit Grundnahrungsmitteln festhält - diese Nachfragemacht verschärft die Konkurrenz mit dem Anbau von Grundnahrungsmitteln und trägt zumindest indirekt dazu bei, die Nahrungsmittelpreise kontinuierlich in die Höhe zu treiben.

Die EU konnte von der Nachfrage allerdings kaum profitieren: Zwar stieg der Agrarhandel der EU mit China in den vergangenen vier Jahren um 82 Prozent. Aber der große Durchbruch, wie ihn die Exportförderungsstrategie "Global Europe" anstrebt, ist im Reich der Mitte noch nicht erreicht. So exportiert die Europäische Union vor allem Verarbeitungsprodukte, hauptsächlich alkoholische Getränke, und hatte 2007 im Agrarhandel ein Defizit von 1,8 Mrd. Euro. Der Anteil am EU-Agrarexport lag gerade einmal bei 2,2 Prozent, Importe aus China bei 4,4 Prozent. Vor allem wurden Kaschmirwolle, Obst, Gemüse und Nüsse importiert.(1)


Chinesische Bauern in Afrika

Seit Chinas globale Expansion nicht nur die Märkte für Industrie- und Konsumgüter aufmischt, sondern auch die Rohstoffpreise in die Höhe treibt, gehen auch immer wieder Geschichten über riesige Landgeschäfte durch die Medien. Berichte von Pachtverträgen für eine Million Hektar auf den Philippinen, für riesige Ländereien in Mosambik, Indonesien, Papua-Neuguinea, Simbabwe oder im Nordosten Brasiliens, Geschichten über hunderte chinesischer Dörfer in Afrika, in denen sich Bauarbeiter nach Vertragsende angesiedelt hätten, machen die Runde. Angesichts der beschränkten eigenen Ressourcen und des bekannten Appetits chinesischer Unternehmen scheinen sie nur all zu plausibel.

So soll ZTE International, eines der größten staatlichen Telekom-Unternehmen in China, im Sudan 10.000 ha Land für den Anbau von Weizen und Mais erhalten haben und auch in Äthiopien und anderen afrikanischen Ländern in die Landwirtschaft investieren, unter anderem in Futterfabriken und den Anbau von Ölsaaten. Im nigerianischen Bundesstaat Edo wollen angeblich chinesische Investoren 6.000 Hektar Land mit Reis und Cassava bebauen und Verarbeitungsbetriebe errichten, um Ethanol, Stärke und Nudeln erzeugen. In Tansania vereinbarte Beijing mit der Regierung, dass chinesische Unternehmen in Aquakultur und Viehhaltungsprojekte investieren. Im August 2007 sei zudem ein Vertrag mit der Demokratischen Republik Kongo über 100.000 Hektar Ölpalmenplantagen abgeschlossen worden, berichtet Deborah Brautigam in ihrem Buch "The Dragon's Gift"(2), im November 2008 ein Abkommen mit Uganda über eine riesige Freihandelszone in der Nähe des Viktoria-Sees, in der auch Landwirtschaft betrieben werden soll. Auch zirkulieren Berichte über Planungen für weitere großflächige Konzessionen in Simbabwe, der Demokratischen Republik Kongo oder Angola. Doch wenig davon sei handfest, glaubt Brautigam.

Denn die Ambitionen stießen rasch auf Widerstand, zum Beispiel in Mosambik. China soll dem Land, das ein riesiges Potenzial für Bewässerungslandwirtschaft hat, 800 Millionen US-Dollar für die Modernisierung der landwirtschaftlichen Infrastruktur, für den Bau eines Staudamms und von Bewässerungssystemen sowie eine Entsendung von mindestens 100 Agrarexperten zugesagt haben. Dadurch sollte die Reisproduktion verfünffacht werden - vor allem wohl für Versorgung Chinas. Dennoch wurde dieses Vorhaben nach heftigen Protesten gestoppt.

Auch andere Vorhaben kamen nicht zustande wie ein Projekt der China State Farms Agribusiness Corportion (CSFAC) mit einem Volumen von 10 Millionen US-Dollar in Ghana, das im vergangenen Jahr nach einem Regierungswechsel zu Fall kam.(3) Xu Jun, CSFAC-Manager, klagt, dass die "instabile politische Situation für chinesische Unternehmen, die in Afrika investieren wollen, die größte Herausforderung darstellt."

Gleichzeitig scheint nach zahlreichen Konflikten mit Landnutzern, Streiks von Beschäftigten und wankelmütigen Regierungen nicht nur bei Investoren, sondern auch auf politischer Ebene Ernüchterung eingetreten zu sein. "Es ist nicht realistisch, Getreide in fernen Ländern anzubauen, besonders in Afrika oder Südamerika. In Afrika hungern so viele Menschen. Und das Getreide muss per Schiff nach China verfrachtet werden. Die Kosten und die Risiken sind sehr hoch", sagt Xue Guoli, Mitarbeiter im Landwirtschaftsministerium. (4) Von einem Plan der Regierung vom Sommer vergangenen Jahres, Investoren beim Landerwerb in Afrika und Lateinamerika stärker zu unterstützen, will man jetzt in Beijing nichts mehr wissen.(5)


China global regional

Eindeutig hingegen der Vormarsch in Chinas unmittelbaren Nachbarländern. Investitionen in den Anbau von Grundnahrungsmittel und agroindustriellen Rohstoffen, Viehfutter und Energiepflanzen gehen mit einem wachsenden Agrarhandel - in beiden Richtungen - einher. Ein bevorzugtes Ziel sind die kleinen Nachbarn Burma, Laos, Kambodscha und Vietnam. Für sie ist China längst wichtigster Wirtschaftsfaktor geworden, was sich auch im Agrarbereich niederschlägt.

So gehörte in Kambodscha Ende 2006 jede zweite der 26 wirtschaftlichen Landkonzessionen in ausländischem Besitz mit einer Gesamtgröße von 188.000 Hektar Chinesen. Überwiegend handelt es sich dabei anscheinend um Pflanzungen schnell wachsender Bäume wie Akazien und Eukalyptus, um Ölpalmen, Cassava, Zuckerrohr und Kautschuk. Außerdem gab China dem kleinen Nachbarn für den Ausbau der Bewässerung einen Millionen-Kredit, damit Kambodscha seine ehrgeizigen Pläne erreichen kann, zu einem führenden Reisexporteur aufzusteigen.

Auch in Laos fördert Chinas Regierung Agrarinvestitionen, unter anderem in die Kautschukproduktion. Wie in Afrika oder anderen Ländern sind belastbare Zahlen schwer zu bekommen, aber eine Schätzung spricht von 150.000 Hektar, die privaten Unternehmen preiswert für Pachtzeiten von 30 bis 50 Jahren zur Verfügung gestellt wurden.

Wie in Afrika sind unter den Investoren viele staatliche Unternehmen, häufig im Besitz chinesischer Provinzregierungen. Um die wachsenden Einkommensdisparitäten zwischen dem industrialisierten Osten und dem Westen und Nordosten zu verringern, hat ihnen die Regierung in Beijing im Rahmen eines "Going out"-Programms mehr Spielraum für eigene wirtschaftliche Aktivitäten eingeräumt. Einige Provinzregierungen stiegen innerhalb eines Jahrzehnts zu den größten Handelspartnern, Investoren und Gebern für asiatische Nachbarländer auf. Zu diesem Engagement gehören auch Pachtverträge über mehr als 400.000 Hektar Land, die die Nordostprovinz Heilongjiang, mit einer Produktion von über 43 Millionen Tonnen (2009) der wohl größte Getreideproduzent in China, mit dem benachbarten Russland abschloss. Die Abkommen sehen Investitionen in Landwirtschaft, Viehzucht und Verarbeitung vor.

Doch ähnlich wie in Mosambik stößt auch in der Nachbarschaft die Suche Chinas nach Land und Wasser auf Widerstand. Eines der ersten Großprojekte Chinas im Off-shore-farming-Bereich war der Vorvertrag, den Fuhua, ein Unternehmen der Provinzregierung von Jilin, im Juni 2007 mit der philippinischen Regierung über die Pacht von einer Million Hektar Land für den Anbau von Hochertragreis, Mais und Sorghum unterzeichnete. Doch nach heftigen Protesten und einer erfolgreichen Mobilisierung durch zivilgesellschaftliche Gruppen, Bauernorganisationen, Kirchen und Medien machte die Regierung in Manila einen Rückzieher.

Selbst in den autoritären Nachfolgestaaten der einstigen Sowjetunion regt sich Protest. Als im Dezember 2009 Kasachstans Präsident Nursultan Nazarbayev ankündigte, China wolle eine Million Hektar Land pachten, um Soja und Raps für Speiseöl anzubauen, gab es heftige Demonstrationen. "Sie haben sich 13 Milliarden US-Dollar von China geliehen", klagt Bolat Abilov von der Oppositionspartei Azat, "und jetzt wollen sie das mit unserem Land zurückzahlen". Kurze Zeit später dementierte die Regierung jegliche Pläne, an China Land zu verpachten.


Der Autor betreibt die Website www.globe-spotting. de, auf der auch weitere Berichte zu Landwirtschaft in China zu finden sind.

Gekürzter Beitrag aus: Landwirtschaft in China: Zwischen Selbstversorgung und Weltmarktintegration, 2010. Bezug als Broschüre oder als Download (pdf-Datei): vertrieb@asienhaus.de bzw.
http://www.asienhaus.de/public/archiv/eu-china-newsletter1-11.htm#3


Anmerkungen:

(1) European Commission, Monitoring Agri-trade Policy. China: Out of the Dragon's den? No. 01-08 Mai 2008.

(2) Deborah Brautigam (2010), The Dragon's Gift: The Real Story of China in Africa, siehe besonders die Kapitel 9 und 10.

(3) http://farmlandgrab.org/14825 vom 12. August 2010.

(4) Zitiert bei Stephen Marks, China and the great global land grab. Pambazuka News, 11. Dezember 2008.

(5) Duncan Freemann u.a. 2008, China's foreign farming policy. Brussels Institute of Contemporary Chian Studies. Asia Paper Vol. 3 (9) S. 11.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2011, S. 12-13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2011