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INTERNATIONAL/077: Tansania - Weniger Agrarland für große Investoren, Obergrenzen gegen Land Grabs (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Dezember 2012

TANSANIA: Weniger Agrarland für große Investoren - Obergrenzen gegen Land Grabs

Von Orton Kiishweko


Bild: © Orton Kiishweko/IPS

Einer tansanischen NGO zufolge waren an 1.095 der 1.825 Landstreitigkeiten 2011 einflussreiche Investoren beteiligt
Bild: © Orton Kiishweko/IPS

Dar es Salaam, 20. Dezember (IPS) - Ab Januar 2013 wird Tansania den Zugang lokaler und internationaler Investoren zu Agrarland begrenzen. Mit dieser Maßnahme reagiert das Land auf in- und ausländische Kritik, wonach sich große Unternehmen riesige Flächen Agrarland unter den Nagel reißen ('Land Grabbing') und damit die Vertreibung von Kleinbauern und lokalen Gemeinschaften in Gang setzen.

Wie der Staatsekretär im Büro des Ministerpräsidenten, Peniel Lyimo, bekannt gab, liegt die Obergrenze der Fläche, auf der Großinvestoren Zucker produzieren dürfen, fortan bei 10.000 Hektar. Für den Anbau von Reis werden den Konzernen nur noch 5.000 Hektar Land zur Verfügung stehen. Dass für den Zuckeranbau größere Flächen bereit gestellt werden, hat mit der Möglichkeit zu tun, aus den Zuckerrohrresten Energie herzustellen.

Aus IPS zugänglichen Dokumenten des Tansanischen Investitionszentrums, einer staatlichen Einrichtung zur Förderung von Investitionen, geht hervor, dass Unternehmen in einem Zeitraum von sieben Jahren auf diese Weise höchstens 10.000 Hektar Land bewirtschaften können. Mit ihrem Schritt reagiert die Regierung auf die Forderung von Landrechtsorganisationen, Maßnahmen gegen Land Grabbing zu ergreifen.

2008 hatte Tansania die Kilimo-Kwanza-Initiative (Landwirtschaft-Zuerst-Initiative) auf den Weg gebracht, um die Investitionen des Privatsektors in die Landwirtschaft zu erhöhen. Als dann das Weltwirtschaftsforum 2010 in Dar es Salaam stattfand, wurde der sogenannte 'Südliche landwirtschaftliche Wachstumskorridor Tansanias' (SAGCOT) eingerichtet. Die Partnerschaft aus unterschiedlichen Akteuren soll das landwirtschaftliche Potenzial Tansanias entwickeln. Die Regierung hat bereits ausländische Unternehmen eingeladen, in Tansania in den Anbau von Zuckerrohr, Mais, Reis und Kassava zu investieren.


80.000 Hektar Land an Großinvestoren verpachtet

Doch zivilgesellschaftliche Organisationen wie das Institut für die Erforschung von Landrechten und Ressourcen (LARRRI) und die US-Denkfabrik Oakland-Institut riefen die Regierung in Dar es Salaam dazu auf, den ausländischen Investoren lediglich eine begrenzte Menge Land zur Verfügung zu stellen. "Wenn sich Großinvestoren Zehntausende Hektar Land aneignen, hat das verheerende Folgen für die Kleinbauern", so LARRRI-Exekutivdirektor Yefred Myenzi, demzufolge Tansania bisher 80.000 Hektar Land an Großinvestoren verpachtet hat.

"Inzwischen ist es zu mehr als 1.000 Landkonflikten zwischen armen Dorfbewohnern und einflussreichen Investoren gekommen. In drei von fünf dieser täglich stattfindenden Dispute sind einflussreiche Investoren involviert", betonte Myenzi. In 1.095 der im letzten Jahr 1,825 gezählten Fälle waren mächtige Unternehmen verwickelt.

In Tansanias nördlichem Bezirk Loliondo, der für seine wildlebenden Tiere bekannt ist, wurden Jagdlizenzen für riesige Flächen des Landes vergeben. Dies führte zur Vertreibung der lokalen Bevölkerung - was von der Regierung jedoch bestritten wird.

Das US-Energieunternehmen 'AgriSol Energy' ist dem Oakland-Institut zufolge in Land Grabbings verwickelt, die die Vertreibung von mehr als 160.000 burundischen Flüchtlingen mit sich bringen werden. Dem Report zufolge hat sich AgriSol Energy 324.000 Hektar Land gesichert. Für den Hektar zahlt die Firma keine 50 US-Cent.

Myenzi zufolge muss sich der tansanische Staat angesichts der unerträglichen Landstreitigkeiten endlich Gedanken darüber machen, wie Großinvestoren und Kleinbauern, die die Mehrheit bilden, friedlich koexistieren können. Nach Angaben des tansanischen Ministeriums für Landwirtschaft, Ernährungssicherheit und Kooperativen produzieren die Kleinbauern des Landes mehr als 90 Prozent der Nahrungsmittel des Landes.

Von den 94,5 Millionen Hektar tansanischen Landes ist nur die Hälfte - 44 Millionen Hektar - für die Landwirtschaft geeignet und davon sind nach Angaben des nationalen landwirtschaftlichen Zensus von 2002/2003 gerade einmal 9,1 Millionen Hektar unter dem Pflug.

Laut Damian Gabagambi, Agrarwissenschaftler an der landwirtschaftlichen Universität von Sokoine, sollten die großen Investoren für technologische Lösungen sorgen und Märkte für die Erzeugnisse der Kleinbauern erschließen. "Wir können Großinvestoren dazu ermutigen, in unseren landwirtschaftlichen Sektor einzusteigen, doch müssen wir ihren Zugang zu den Anbauflächen begrenzen."


Mangel an Landtiteln

Im 42 Millionen Einwohner zählenden Land gibt es 12.000 Dörfer, doch nur 0,02 Prozent der Tansanier sind im Besitz von Landtiteln. Nach Ansicht von Harold Sungusia vom Zentrum für Rechtsfragen und Menschenrechte sollte die Regierung die Interessen ihrer Bevölkerung und die Interessen der Großinvestoren miteinander in Einklang bringen.

Die Staatsmaschinerie aus Gesetzen, Institutionen und Ressourcen diene längst nicht mehr dem Wohl der Kleinbauern wie noch in den 1970er und 1980er Jahren, sondern helfe einer kleinen Elite und ausländischen Unternehmen, sich Land von den Gemeinschaften anzueignen. "Seit 2001 wurden die Landgesetze acht Mal geändert. Für welche Interessen wohl?"

Doch wie Aloyce Masanja von der Behörde zur Entwicklung des Rufiji-Beckens, einer staatlichen Organisation, die das 183.000 Quadratkilometer große Flussgebiet verwaltet, versichert, wird privaten Investoren Land erst nach sorgfältiger Prüfung überlassen. "Der Privatsektor kann bessere Resultate erzielen. Er hat enge Beziehungen zu anderen Wirtschaftsaktivitäten, die für die landwirtschaftliche Entwicklung wichtig sind." (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2012