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INTERNATIONAL/093: Mexiko - Kein Fleisch am Montag, Bevölkerung soll abspecken (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Juli 2013

Mexiko:
Kein Fleisch am Montag - Bevölkerung soll abspecken

Von Emilio Godoy


Mexiko-Stadt, 25. Juli (IPS) - Die mexikanische Bevölkerung ist zu korpulent. Ernährungsexperten haben sich daher ein elftes Gebot einfallen lassen, um diesem Trend zu Leibe zu rücken: "Du sollst kein Fleisch essen... zumindest an einem Tag der Woche."

Mit ihrem Abstinenztag verfolgt die 2003 in den USA wiederbelebte Bewegung 'Meatless Monday' (Fleischloser Montag), die sich allmählich auch nach Lateinamerika verbreitet, in einer zunehmend Fleisch konsumierenden Welt ein bescheidenes Ziel.

"Wir wollen die Menschen dazu bringen, ihren Speiseplan durch einen simplen Schritt abwechslungsreicher zu gestalten und ihren Fleischkonsum zu bremsen", sagt Ana Arizmendi, die Präsidentin der mexikanischen Untergruppe von Meatless Monday. Auch in Panama und Brasilien ist die Bewegung bereits aktiv.

Arizmendi weist darauf hin, dass Mexiko derzeit mitten in einer großen Gesundheitskrise steckt. In dem Land mit rund 118 Millionen Einwohnern leben inzwischen sogar mehr übergewichtige Menschen als in den USA.

Damit zählt Mexiko weltweit zu den Staaten mit dem höchsten Anteil an Dicken, wie aus dem aktuellen Jahresbericht der UN-Ernährungsorganisation FAO hervorgeht. Demnach liegt die Rate der Übergewichtigen in dem lateinamerikanischen Land bei 32,8 Prozent.


Ein Drittel aller mexikanischen Kinder zu dick

Mehr als 30 Prozent der Kinder zwischen fünf und elf Jahren brächten zu viel auf die Waage, heißt es in einer 2012 veröffentlichten Untersuchung über Gesundheit und Ernährung in Mexiko. Mindestens 6,4 Millionen Menschen leiden an Diabetes.

"Viele Faktoren tragen zum Übergewicht bei. Eine Lösung wäre eine ausgewogenere Ernährung und ein geringerer Konsum von Fleisch und Fleischprodukten", meint Arizmendi, die Ernährungswissenschaft an der Universität von León in Spanien studiert hat und die Initiative Fleischloser Montag seit 2011 in Mexiko koordiniert.

Die Ursprünge der Bewegung lagen in der Zeit des Ersten Weltkriegs, als die US-Regierung ihre Bürger aufforderte, mit dem Verzicht auf bestimmte Lebensmittel den Krieg zu unterstützen. Daraufhin wurden der 'Fleischlose Montag' und der 'Weizenlose Mittwoch' ins Leben gerufen.

Die Idee vom Fleischverzicht wurde vor zehn Jahren von Sid Lerner aufgegriffen, der sie gemeinsam mit dem 'Center for a Liveable Future' an der John Hopkins Universität in Baltimore umsetzte. Durch den geringeren Konsum von rotem Fleisch sollen die Risiken für Diabetes, Krebs sowie Bluthochdruck und andere kardiovaskuläre Erkrankungen gesenkt werden. Zudem sollen die negativen Auswirkungen von Viehzucht auf die Umwelt gemildert werden.

Nach Schätzungen der FAO entsteht durch die Fleischproduktion fast ein Fünftel aller von Menschen verursachten Treibhausgase. Nutzvieh verbraucht mehr Wasser, als zur Bewässerung im Getreide- oder Gemüseanbau nötig ist. Zudem erfordert die Fleischherstellung eine beträchtliche Menge an fossilen Energien.

Laut Katia García von der unabhängigen mexikanischen Verbraucherschutzorganisation 'El poder del consumidor' (Die Macht des Konsumenten) enthält verarbeitetes Fleisch oft auch Mononatriumglutamat, einen Zusatzstoff in Nahrungsmitteln, der die Gesundheit gefährden kann. "Wir raten den Leuten, auf alle industriell verarbeiteten Nahrungsmittel und Getränke zu verzichten. Denn sie enthalten große Mengen Fett, Salz und Zucker."

García plädiert für eine Rückkehr zu den traditionellen Essgewohnheiten ihres Landes. Der Speiseplan sei früher "reich an Ballaststoffen, Vitaminen und Proteinen sowie an reinem Trinkwasser" gewesen. Ihre Organisation ist eines von 22 Mitgliedern der 'Allianz für gesunde Ernährung', die unter dem Motto 'Würden Sie zwölf Löffel Zucker essen?' eine Kampagne gegen den übermäßigen Konsum von Erfrischungsgetränken gestartet hat.


Teurer Kampf gegen Diabetes

Allein für die Eindämmung von Diabetes hat die mexikanische Regierung im vergangenen Jahr nach offiziellen Schätzungen rund 3,8 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Die Essgewohnheiten zu ändern, ist allerdings nicht einfach. "Es gibt nicht eine einzige Ernährungsweise. Unsere Verantwortung liegt darin, herauszufinden, welche uns gesund hält", sagt Arizmendi, die vor allem Frauen zwischen 25 und 45 Jahren behandelt.

In diesem Jahr plant Meatless Monday eine groß angelegte Sensibilisierungskampagne im Internet und in den sozialen Netzwerken. Zudem sind Kurse und Workshops in Schulen und Arbeitskantinen vorgesehen. "Wir haben es noch nicht geschafft, dass sich eine Stadtverwaltung unserer Initiative angeschlossen hat. Wir arbeiten aber daran, in der Lokalpolitik sowie in Firmen und an Schulen höhere Aufmerksamkeit zu erlangen", erklärt die Aktivistin, die sich selbst als "Allesfresserin" bezeichnet.

In den USA bereitet Meatless Monday eine Kampagne vor, die sich speziell an die Hispano-Bevölkerung richten soll. Diese Menschen haben die schlechten Essgewohnten der US-Bürger größtenteils übernommen und nehmen zu viel Fett, Salz, Zucker und Stärke zu sich. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch jenseits der Grenze in Mexiko beobachten. Als das Durchschnittseinkommen der Mexikaner in den vergangenen zwei Jahrzehnten weiter stieg, kam in den Familien als soziales Statussymbol immer häufiger Fleisch auf den Tisch.


Fleischkonsum rasant gestiegen

1970 betrug der durchschnittliche jährliche Fleischverzehr 23 Kilo pro Person. 1990 war er bereits auf 34 Kilo gestiegen, und heute liegt er bei 63 Kilo, wie aus Daten der mexikanischen Agrarbehörden hervorgeht. Mit 29,5 Kilo pro Person rangiert Geflügel ganz oben auf der Beliebtheitsskala, gefolgt von Rindfleisch (17,4 Kilo) und Schwein (15 Kilo).

Spitzenreiter unter den lateinamerikanischen Fleischesser-Staaten ist Uruguay mit einem Durchschnittsjahreskonsum von 98 Kilo pro Einwohner. Dahinter folgen Argentinien (96,9 Kilo), Brasilien (85,3 Kilo) und Chile (73,9 Kilo). (Ende/IPS/ck/2013)


Links:
http://www.meatlessmonday.com/
http://facildedigerir.com/lunes-sin-carne/
http://www.fao.org/publications/sofa/es/
http://alianzasalud.org.mx/12cucharadas/
http://www.ipsnoticias.net/2013/07/no-comeras-carne-por-lo-menos-los-lunes/
http://www.ipsnews.net/2013/07/thou-shalt-not-eat-meat-on-mondays-at-least/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2013