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INTERNATIONAL/116: Gäste aus Südamerika berichten über die Folgen des Sojaanbaus (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 375 - März 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Wir müssen uns zusammentun"
Drei Gäste aus Südamerika berichten über die Folgen des Sojaanbaus

von Berit Thomsen, AbL, Internationale Agrarpolitik



Die EU importiert weit mehr als die Hälfte ihres Sojabedarfs aus Brasilien, Paraguay, Uruguay und Argentinien. Bei den Importen dieser eiweißhaltigen Futterbohne nach Deutschland sieht es ähnlich aus. Diese Länder sind auch schon länger bekannt, wenn es um die Folgen des anziehenden Sojabedarfs Europas in den Anbauländern geht. Neu auf dem globalen und arbeitsteiligen Parkett der Futterbohne ist Bolivien. Allerdings eher indirekt, denn das Soja aus Bolivien bleibt überwiegend in Südamerika - einerseits für die Tierfütterung in Südamerika, aber eben, auch, um die durch Exporte entstehenden Sojalöcher zu stopfen. Aber der Reihe nach. Auf Einladung des Forschungs- und Dokumentationszentrums Chile-Lateinamerika (FDCL) sind drei Gäste aus Südamerika durch Deutschland gereist. Ein Journalist aus Argentinien, ein Wissenschaftler aus Bolivien und eine Bäuerin aus Paraguay. Sie wollten einerseits mit neuen Fakten aus ihrer Region über die Folgen des Sojaanbaus berichten und andererseits Informationen aus Deutschland zum Thema zurücktragen. Dafür fanden neben Veranstaltungen auch verschiedene Treffen mit zivilgesellschaftlichen Gruppen statt, darunter auch mit der AbL. Die Südamerikaner berichten mit aktuellen Zahlen von den Folgen des Sojaanbaus und von einem Beispiel des Widerstands.


Krebsrate steigt

Leonardo Javier Rossi lebt in Argentinien in der zweitgrößten Stadt Córdoba. Er ist freier Journalist, schreibt für staatliche und private Medien und sagt: "Ich beschäftige mich vor allem mit den sozialen, gesundheitlichen und Umwelt-Auswirkungen des Sojaanbaus. In Argentinien gibt es 33 Millionen Hektar Ackerland. Davon wird auf 19 Millionen Hektar Soja angebaut, welches fast uneingeschränkt gentechnisch verändert ist. Die Auswüchse sind enorm. Gensoja wurde im Jahr 1996 eingeführt. Noch im Jahr 1992 legen Statistiken dar, das 30 Millionen Liter Pestizide in der argentinischen Landwirtschaft eingesetzt worden sind. Im Jahr 2012 sind es 300 Millionen Liter und davon sind 200 Millionen Liter Glyphosat. 12 Millionen Menschen werden im Jahr mit Pestiziden besprüht. In Dörfern, die inmitten intensiver Sojaregionen liegen, liegt die Krebsrate bei 30 Prozent und damit um 10 Prozent über dem landesweiten Durchschnitt."

Enrique David Castañon Ballivian arbeitet für die Stiftung Erde (Fundación Tierra), die sich mit landwirtschaftlichen Themen beschäftigt. Er lebt in der Hauptstadt von Bolivien, La Paz, und erzählt: "In Bolivien findet mittlerweile ein bedeutender Anteil der Sojaproduktion innerhalb Südamerikas statt. Diese Entwicklung hängt eng mit den politischen Strukturanpassungsprogrammen zusammen. Es wurden etwa die Straßennetze für die Sojalaster ausgebaut. Diese Entwicklung begann in den neunziger Jahren. Seit 2005 ist der Anbau mit gentechnisch verändertem Soja erlaubt."


Ausländische Investoren in Bolivien

Enrique David Castañon Ballivian berichtet weiter: "Die bäuerliche Landwirtschaft wurde zugunsten des Sojaanbaus in den vergangenen zwei Jahrzehnten überhaupt nicht mehr weiterentwickelt. Heute wird auf 37 Prozent der gesamten Ackerfläche, meist die fruchtbarsten Böden, Soja angebaut. Mittlerweile müssen wir sogar Kartoffeln importieren, obwohl die Kartoffel die traditionelle Kultur in Bolivien ist. Da der Bodenpreis in Bolivien derzeit noch billiger ist als in anderen südamerikanischen Ländern, wird 63 Prozent des Sojaanbaus von Nicht-Bolivianern betrieben. Hauptsächlich kommen die Investoren aus Brasilien oder Argentinien. 80 Prozent der Soja geht in den Export. Hauptsächlich durch den Sojaanbau bedingt, werden 100.000 Hektar Wald pro Jahr abgeholzt. Auch verschärfen sich in den Gebieten des Sojaanbaus die Gesundheitsprobleme der dort lebenden Menschen."


Eine Bewegung

Miryam Estela Duarte Rojas lebt in Paraguay, vertritt als Bäuerin Via Campesina und arbeitet als Lehrerin an einer Schule für Agrarökologie. Sie sagt: "In der Schule sollen 120 Bauernkinder ab 12 Jahre ihre schulische Bildung beenden. Die Schule wurde im Jahr 1988 gegründet. Da begann es schon, dass durch die Industrialisierung in der Landwirtschaft die Bauern von ihrem Land verdrängt wurden. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft wurde in Kampagnen. sogar richtiggehend schlecht gemacht, als ein Modell, das überwunden werden musste. Mit dieser Schule wollen wir jungen Menschen Möglichkeiten aufzeigen, damit sie auf dem Land bleiben und nicht in die Städte abwandern. Das ist auch wichtig, um unsere Ernährungssouveränität zu sichern. Wir lehren ein verantwortungsbewusstes Verhältnis zum Boden. Boden ist kein kommerzielles Gut für Einzelpersonen allein, sondern auch ein Gut für die Allgemeinheit, das es zu erhalten gilt. Diese Reise nach Deutschland halte ich für wichtig, damit wir uns über unsere Probleme austauschen können. Wir dürfen uns nicht isolieren, sondern müssen uns zusammentun."

Das FDCL arbeitet zum Themenfeld "Soja" bereits seit mehreren Jahren. Dabei setzen sie sich sowohl mit den Ursachen, Triebkräften als auch den Folgen der Expansion des Anbaus der "Wunderbohne" in einigen Ländern Südamerikas auseinander.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 375 - März 2014, S. 18
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2014