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LANDWIRTSCHAFT/1368: Warum Bauern sich weigern zu impfen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 321 - April 2009,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Warum Bauern sich weigern zu impfen
Erfahrungsberichte zur Blauzungenimpfung bei Milchvieh

Von Marlene Herzog


Kontrovers wird sie diskutiert: die Impfung gegen die Krankheit "Blauzunge" bei Wiederkäuern.

Seit dem Frühjahr 2007 gibt es in Deutschland eine Impfpflicht. Für die Einen ist die Impfung ein Segen, für die Anderen ein Fluch. Inzwischen gibt es auf den Betrieben vielfältige Erfahrungen. Immer wieder kommt es zu Gesundheitsproblemen bis zu Todesfällen, bei denen ein Zusammenhang mit der Impfung von den Tierhaltern nicht ausgeschlossen wird. Die unabhängige Bauernstimme hat mit einigen Betrieben gesprochen und die Bauern gebeten, über ihre Erfahrungen mit der Impfung zu berichten.

Der Betrieb von Hartwig Schomburg liegt in Niedersachsen nahe der Grenze zu Nordrhein-Westfalen. Er hat seine 35 Milchkühe und etwa 55 Jungrinder zum ersten Mal im Juni 2008 gegen Blauzunge impfen lassen. Das sei ohne viel Stress für die Kühe verlaufen. "Geimpft haben wir nach dem Melken im Melkstand auf der Weide", erinnert sich Schomburg. In den folgenden Wochen haben insgesamt sechs Kühe ihre Kälber verloren. Die Erste, drei bis vier Tage nach der Impfung. Schomburg hat das tote Kalb nicht untersuchen lassen, da er die Verkalbung nicht auf die Impfung zurückführte. Vier Tage nach der zweiten Impfung im Juli verkalbte erneut eine Kuh. Diesmal ließ er eine Gewebeprobe untersuchen und bekam 205 Euro Schadensersatz von der Tierseuchenkasse.

Bis Ende Oktober verloren vier weitere Kühe ihre Kälber. Sie alle wurden nicht entschädigt, weil die Impfung länger als 14 Tage zurück lag. Zwei Kühe hatten kurz nach der Impfung ihre Frucht abgestoßen. "Die Kühe, die verkalbt haben, leiden unter Gebärmutterentzündung und sind nicht mehr deckfähig." Vier von ihnen hat Schomburg schlachten lassen.

Schomburg geht davon aus, dass es auf seinem Betrieb im Jahr 2007 schon eine Infektion mit Blauzunge gegeben hat. Das zeigte das positive Ergebnis der Blutprobe eines Rindes. Die für die Krankheit typischen Symptome hat er damals bei seinen Tieren nicht feststellen können.


Keine Schäden

Nur etwa drei Kilometer entfernt hat Bernd Meyer aus Glesse ganz andere Erfahrungen auf seinem Betrieb gemacht. Er konnte bei seinen Tieren keine Auffälligkeiten nach der Impfung gegen die Blauzunge feststellen. Im Juni und Juli 2008 hat Meyer seine 140 Milchkühe im Stall gegen das Virus impfen lassen. Er hält sie im Boxenlaufstall, im Sommer mit Weidegang. Die 270 Jungrinder wurden auf der Weide eingefangen und geimpft. "Die Impfung verlief verhältnismäßig ruhig, bis auf eine Truppe, die etwas wild war", erinnert sich Meyer. Im Jahr zuvor war ein zwölf Monate altes Rind an der Blauzungenkrankheit verendet. Meyer möchte wieder impfen.

Der Biolandbauer Kurt Ohrndolf aus Nordrhein-Westfalen nahe Siegen hält seine 80 Kühe mit Nachzucht im Laufstall, mit Weidegang von Mai bis Oktober. Die Kühe sind sehr zutraulich, daher war die Impfung auf der Weide im Juni und Juli 2008 stressfrei, erinnert sich Ohrndolf. "Wir mussten die Tiere noch nicht mal einfangen." Vier seiner Kühe haben nach der Impfung im frühen Stadium verkalbt. Dieses Jahr hat der Bauer seine Tiere schon am 20. Januar impfen lassen. Etwa zwei Wochen nach der Impfung bekamen zwei Jungkühe, nach nicht unkomplizierten Kalbungen, Gebärmutterentzündungen. Trotz intensiver Behandlung starb eine und die andere musste geschlachtet werden. Von offizieller Seite wurde, trotz Untersuchung, keine Verbindung zur Impfung hergestellt. Weitere sechs Kühe litten an Euterentzündungen. Zehn bis fünfzehn Kühe lahmten und zeigten Symptome der Blauzungenkrankheit wie Verfärbungen am Euter oder Entzündungen am Klauensaum. Ohrndolf möchte nicht mehr impfen, aber: "Das Veterinäramt hat uns gesagt, wenn wir nicht impfen, kommen solange Bußgeldbescheide, bis geimpft wird."

Sein Hoftierarzt Dr. Axel Wessling will die Vorfälle dem Paul Ehrlich Institut melden. Er geht davon aus, dass die Tiere auf dem Betrieb von Ohrndolf nach der Blauzungenimpfung stärker krank waren, als das normalerweise der Fall ist. Für ihn ist die Behauptung, in Folge der Impfung komme es vermehrt zu Problemen, dennoch schwierig. "Sonst höre ich immer nur Gerüchte von anderen Bauern." Die könne er natürlich nicht melden.


Kälberverluste

Rüdiger Maschke bewirtschaftet einen Milchviehbetrieb im Kreis Hameln in Niedersachsen. Seine 35 Milchkühe wurden im Mai und Juni 2008 gegen das Blauzungenvirus geimpft.

Die Impfung sei relativ ruhig verlaufen. Seine Milchkühe stehen fast ganzjährig im Boxenlaufstall mit gelegentlichem Zugang zu einer Bewegungsweide. Rinder und Trockensteher sind bis zum Herbst auf der Weide. Nach der Impfung stellte Maschke einen Anstieg der Zellzahl fest. Auch die Milchleistung ging zurück. Im September hatte eine Kuh ein totes Kalb geboren. Bei vier Tieren kam es zu Frühgeburten. Die Kälber waren zum Teil nur 30 cm groß. Keines der Kälber war lebensfähig. "Normalerweise habe ich Kälberverluste von rund 2 Prozent", sagt Maschke. Zwei seiner Rinder und drei Kühe haben nicht gekalbt, obwohl sie trächtig waren. Wie viele andere Bauern, möchte Maschke seine Tiere nicht mehr impfen lassen.


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Meldung erwünscht

Von Marcus Nürnberger

Die Pflichtimpfung gegen den Blauzungenvirus wird von immer mehr Landwirten als Bedrohung wahrgenommen. Vor allem die steigende Zahl von Berichten über Komplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung sorgen für Verunsicherung. Die Betroffenen berichten häufig von einer abwiegelnden Haltung bei Tierärzten und Veterinärämtern, die einen Zusammenhang mit der Impfung schlicht ablehnen. Für betroffene Landwirte gibt es dennoch Möglichkeiten, ihre Beobachtungen an offizieller und privater Stelle zu melden:

Auf den Seiten des Paul-Ehrlich-Instituts: www.pei.de unter:
Tierärzte; Pharmakovigilianz; Meldeformulare; Onlinemeldung für Tierärzte (kann auch von Nichttierärzten genutzt werden)

Auf der Seite der Interessengemeinschaft gesunde Tiere:
www.ig-gesunde-tiere.de/erhebung html

Die Tierheilpraktikerin Frau Gnadl sammelt ebenfalls Auffälligkeiten:
e-mail: gela.lamminger@
t-online.de, www.nutztierhomoeopathie.de


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 321 - April 2009, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de

Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,00 Euro
Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2009