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LANDWIRTSCHAFT/1407: Chancen einer eigenständigen, bäuerlichen Rinderzucht (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 328 - Dezember 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Experten in eigener Sache
Chancen einer eigenständigen, bäuerlichen Rinderzucht

Von Anneke Jostes


Kein landwirtschaftlicher Betrieb ist wie der andere. Und auch die Kühe sind auf keinen zwei Betrieben gleich. Vornehm die einen im modernsten Kuhkomfort, ungekämmt und bodenständig die anderen im Altgebäude. Angesichts der Vielgestaltigkeit landwirtschaftlicher Betriebe könnte sich ein jeder Bauer fragen, welche Kuh passt zu mir und auf meine Scholle? Aber nur wenige Bauern machen von der Möglichkeit Gebrauch, eine für ihren Betrieb optimal passende Herde aufzubauen.

Bestimmt wird die Zucht von den großen Zuchtverbänden. Statistische Zahlen zeigen große Einheitlichkeit hinsichtlich Rassewahl und Zuchtziel. 54 Prozent der in Deutschland gehaltenen Kühe im Jahre 2008 gehören Milchnutzungsrassen an, knapp 46 Prozent entfallen allein auf die schwarzbunten Holsteins. Die Doppelnutzungsrassen machen 36 Prozent aus, gut 25 Prozent stellt dabei das Fleckvieh.

Nicht nur bei den Milchnutzungsrassen, dort aber am deutlichsten, ist zu beobachten, dass die Kühe immer jünger zum Schlachten gehen. Allen voran die schwarzbunten Holsteins. Das Durchschnittsalter in Deutschland liegt bei 4,6 Jahren. Abgangsursachen sind mangelnde Fruchtbarkeit, Stoffwechselstörungen sowie schlechte Euter- und Klauengesundheit.


Ideal weltweit?

Die Ursachen für die schlechte Kondition der "Hochleistungskühe" sind nicht allein in der etablierten Verbandszucht zu suchen. Dennoch trägt sie als Teil eines einseitig auf Leistungssteigerung ausgerichteten Systems dazu bei. Die Zuchtverbände berufen sich darauf, einen möglichst großen Zuchtfortschritt durch den Einsatz modernster wissenschaftlicher Erkenntnisse und Technologien zu erzielen. Bei der Definition des Zuchtziels und der Tierbeurteilung finden Fitnesskriterien und Umweltbedingungen wenig Beachtung. Auch die alltäglichen Erfahrungen der Bauern mit ihren Tieren spielen kaum eine Rolle. Das Ideal der milchleistungsstarken Kuh, reduziert auf das "genetische Leistungspotential", soll absolut und weltweit gültig sein. Mittels künstlicher Besamung und Embryotransfer wird die "Spitzengenetik" an möglichst viele Tiere weltweit weitergegeben. Nicht berücksichtigt wird hierbei die unkontrollierte genetische Verengung der Population. Durch das System der Verbandszucht wird nicht nur der züchterische Fortschritt flächendeckend weitergegeben, sondern auch der züchterische Misserfolg. Angesichts der zunehmenden Probleme im Umgang mit den Hochleistungstieren suchen einige Bauern einen Ausweg in der Kreuzungszucht. Das bedeutet, den gleichen Weg in Richtung Kreuzungszucht in der Hand privatwirtschaftlicher Unternehmen einzuschlagen, wie es in der Schweine- und Geflügelzucht bereits vollständig geschehen ist.


Ideale Vielfalt

Eine Alternative mit einem grundsätzlich anderen Ansatz liegt in der eigenständigen bäuerlichen Zucht. Verbandsunabhängige Zucht auf dem eigenen Betrieb bedeutet aber ein erhebliches Maß an zusätzlichem Aufwand und erfordert Wissen und Erfahrung. Nicht jeder Bauer kann oder will selbst züchten. Manche Bauern sind aber von der Zucht bewegt und wollen diese als erlerntes Handwerk und Teil der bäuerlichen Kultur nicht einfach abgeben. Sie verstehen sich als Experten in eigener Sache mit klaren Vorstellungen darüber, welche Art Kuh sie tatsächlich brauchen. Durch eine dezentrale Zuchtorganisation auf vielen verschiedenen Betrieben wird genetische Vielfalt erhalten, welche wiederum die Grundlage allen züchterischen Tuns bildet. Um die eigenständige, bäuerliche Zucht kompetent und auf hohem Niveau betreiben zu können, ist eine organisierte Zusammenarbeit der bäuerlichen Zuchtbetriebe wichtig. Die "Arbeitsgemeinschaft für Rinderzucht auf Lebensleistung" (ARGE LL) ist seit 26 Jahren für die bäuerliche Zucht aktiv. "Die naturgemäße Linienzucht mit Kuhfamilien ist ethisch vertretbar, ökologisch nachhaltig und ökonomisch erfolgreich. Mit solchen Tieren, egal welcher Farbe, macht Züchten Spaß. Spaß an der Sache ist wiederum maßgeblich für den Erfolg", ist Dr. Günter Postler von der ARGE LL überzeugt. Mit dem aktuellen Projekt "Kuhfamilien und Natursprungbullen" soll die bäuerliche Zucht für eine breite Gruppe erhalten bleiben. Von den wesentlichen Rassen werden leistungsstarke Kuhfamilien auf den Betrieben erfasst und aufgebaut. Mit diesen wird dann intensiv weiter gezüchtet. Die Zuchtbullen werden hauptsächlich im Natursprung eingesetzt. Als ergänzende Möglichkeit werden besonders interessante Bullen mittels künstlicher Besamung einer größeren Zahl von Betrieben zugänglich gemacht. Die genetische Vielfalt für eine breite züchterische Basis soll über die Natursprungbullen sichergestellt werden. Es bleibt spannend zu beobachten, ob sich in Zukunft wieder mehr Tierhalter für die betriebseigene Zucht begeistern und die Gleichförmigkeit der kommerzialisierten und industrialisierten Tierzucht in Richtung Vielfalt verändern werden.


Weitere Informationen:
Arbeitsgemeinschaft für Rinderzucht auf Lebensleistung
Dr. Günter Postler
Herrmannsdorf 7
85625 Glonn
Tel. 08093-2866


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 328 - Dezember 2009, S. 18
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2010