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LANDWIRTSCHAFT/1438: Aufs Trockenstellen verzichten - Mehr Milcheiweiß, gesündere Kühe? (aid)


aid-PresseInfo Nr. 41/10 vom 13. Oktober 2010

Aufs Trockenstellen verzichten

Mehr Milcheiweiß, gesündere Kühe?


(aid) - Bis zu 10 000 Liter Milch und mehr pro Jahr geben heute Milchkühe. Doch nicht nur die bloße Menge macht's. Auch auf die Menge und Qualität der Inhaltsstoffe und die Gesundheit der Tiere kommt es an. Vor allem das Milchprotein mit seinen wertvollen Inhaltsstoffen wie Phosphor, Kalzium und lebensnotwendigen Aminosäuren steht im Fokus. Doch wie kann der Bauer den Eiweißgehalt der Milch erhöhen? Offensichtlich über den Melkrhythmus mit positiven Auswirkungen auf die Gesundheit der Kühe. Das jedenfalls hat Professor Heinrich Meyer vom Lehrstuhl für Physiologie der Technischen Universität München (TUM) herausgefunden. Vor allem die Umstellung von der Trockenphase aufs Melken sei eine große Belastung für den Stoffwechsel. Die Kuh müsse binnen kurzer Zeit den Stoffwechsel umstellen und wieder sehr viel Milch produzieren. In dieser Phase könne es zur Unterzuckerung kommen, weil die Kuh den Blutzucker für die Milchbildung heranzieht. Durch den entstehenden Zuckermangel werde zudem weniger Milcheiweiß gebildet, die Milchqualität nehme ab.

Das könne der Landwirt allerdings umgehen, wenn er den klassischen Melkrhythmus umstellt. Ein Team vom Lehrstuhl für Physiologie hat drei Gruppen mit je zwölf Kühen verglichen:

Die Kontrollgruppe wurde wie üblich zwei Monate vor dem Kalben nicht mehr gemolken, im Anschluss nach dem Abkalben zweimal pro Tag. Die zweite Gruppe wurde langsamer wieder an das Melken gewöhnt. Sie wurde zwar ebenfalls "trocken gestellt", aber in den ersten vier Wochen nach der Geburt nur einmal und erst danach zweimal täglich gemolken. Bei der letzten Gruppe ließ man die Trockenpause komplett aus, die Kühe wurden durchgehend zweimal pro Tag gemolken.

Während zweier Jahre nahmen die Physiologen regelmäßig Milch- und Blutproben. Außerdem überprüften sie täglich die Gesundheit der Kühe. Die Ergebnisse überraschten auch die Fachleute: Die traditionell gemolkenen Kühe gaben zwar auf die gesamte Melkdauer bezogen mehr Milch als die anderen beiden Gruppen, aber zu einem hohen Preis. Sie hatten mehr Gewicht verloren, ihr Blutzuckerspiegel war niedriger und auch die Milchqualität war geringer. Die Milch der Gruppe, bei der nach der Trockenpause die Melkroutine langsamer wieder eingestellt wurde, hatte im Schnitt 0,3 Prozent mehr Eiweiß, die der Kühe ganz ohne Trockenpause sogar 0,5 Prozent mehr Milchprotein.

Der logische Rückschluss: Diese neuen Melkrhythmen vermeiden Belastungsspitzen und lassen Kühen mehr Energie, um Milch und Eiweiß in bester Qualität herzustellen. Eine kleine Änderung im Melkrhythmus hätte also positive Folgen für Tier, Landwirt, Molkerei und Verbraucher. Die effektivste Lösung sei dabei das Auslassen der Trockenperiode. Allerdings müsse diese Methode noch weiter untersucht werden, schränkt Meyer ein, so sei zum Beispiel noch nicht klar, wie oft hintereinander die Melkpause ausgelassen werden könne, ohne dass eine Regeneration des Drüsengewebes der Kuh erforderlich sei.

Reinhold Bonfig, www.aid.de


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Quelle:
aid-PresseInfo Nr. 41/10 vom 13. Oktober 2010
Herausgeber: aid infodienst
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2010