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LANDWIRTSCHAFT/1521: Gemeinsam für Leguminosen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 355 - Mai 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Gemeinsam für die Königin
Ein Züchtertreffen zeigt - nur wenn Alle an einem Strang ziehen, kehren Leguminosen zurück auf den Acker

von Claudia Schievelbein



Es geht um nichts Geringeres als die Wiederbelebung einer Kulturartengruppe. Einst als die Königin des Ackerbaus verehrt, fristet die Leguminose derzeit ein Nischendasein und wird allenfalls noch im ökologischen Landbau hofiert. Entsprechend hat sich auch ihr Hofstab, Berater, Wissenschaftler und Züchter, anderem zugewandt. Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz oder wie es Olaf Sass, zuständig für das Körnerleguminosenprogramm der Norddeutschen Pflanzenzucht KG (NPZ), formuliert: "Die Züchtung ist eine Schlüsseltechnologie, aber wir können die Züchtungsarbeit nur wiederbeleben, wenn auch die Anbaubereitschaft und damit die Bereitschaft der Landwirte, Lizenzen zu zahlen, wieder ansteigt." Bauern und Bäuerinnen müssen aber schon seit Jahrzehnten mit einer immer geringer werdenden Sortenvielfalt und wenig züchterischem Fortschritt im Bereich der Leguminosen zurechtkommen. Die NPZ ist da noch eine rühmliche Ausnahme. Seit sie 2006 ein Erbsenzuchtprogramm von einem damit aufhörenden Unternehmen gekauft hat, züchtet sie in Kooperation mit dem französischen Unternehmen RAGT mit Erbsen und Ackerbohnen die zwei zentralen Körnerleguminosen neben der Lupine. Es geht dabei um Ertrags- und Proteinsteigerungen, Ertragssicherung und Standfestigkeit und vor allem geht es um den Erhalt der Kulturen. In Deutschland werden auf unter 1 Prozent der Ackerfläche Körnerleguminosen angebaut. Zwar gibt es andere Länder in Europa, Frankreich, Großbritannien, in denen noch mehr der einzigartigen Stickstoffsammler wachsen, dem stehen jährliche Kosten von 500.000 bis 600.000 Euro im Jahr gegenüber, die zum Erhalt eines vollwertigen Zuchtprogramms für eine Kultur notwendig sind.


Welcher Wert?

Der schnelle betriebswirtschaftliche Blick hat Bauern und Bäuerinnen in den vergangenen Jahren immer mehr Abstand nehmen lassen vom Leguminosenanbau. Aber "in Schleswig-Holstein ist es ein offenes Geheimnis, dass viele Probleme auf dem Acker mit dem engen Rapsanbau zusammenhängen", sagt der norddeutsche Züchter Sass und hofft darauf, dass endlich die fruchtfolgeverbessernde Wirkung der Leguminosen wieder ins Blickfeld rückt. Eine einmalige Fähigkeit, die bei Wirtschaftlichkeitsrechnungen fast immer unter den Tisch fällt, allein schon deshalb, weil sie variiert und schwer in Euro und Cent zu fassen ist. Außerdem passt es nicht in das statische betriebswirtschaftliche Rechnungssystem, das zumeist nur Einzeldeckungsbeiträge pro Kultur kennt.


Flexibilität vom Amt

Die Statik eines Systems macht auch Ulf Feuerstein, allerdings an einer ganz anderen Stelle, zu schaffen. Der Pflanzenzüchter der Deutschen Saatenveredelung AG (SSV) ist mit der Züchtung von feinsamigen Leguminosen, also den klassischen Feldfutterpflanzen, befasst. Rotklee, Weißklee und Luzerne wird noch in nennenswertem Umfang bearbeitet, alles andere wie Inkarnat-, Horn- oder Alexandrinerklee ist von seiner Bedeutung her marginal und am ehesten noch in Gemengen. Sowieso werden die meisten feinsamigen Leguminosen in der Praxis nicht in Reinkultur angebaut, das Bundessortenamt (BSA) kennt aber in seiner Wertprüfung nur die Abtestung in Reinsaat, auch wenn in der Beschreibung der Wertprüfung eine Anlage von praxisüblichen Bedingungen verlangt wird. Feuerstein wünscht sich hier mehr Flexibilität vom Amt, schließlich sind allein die Kosten von einem Drittel der Gesamtkosten für das Zuchtprogramm, die eine Anmeldung zur Wertprüfung kostet, schon Hürde genug. "Wir sind nah dran an der Wildnis", sagt Feuerstein, der selbst überall in der Welt Populationen von Klee und Luzerne gesammelt hat, um sie zu vermehren und zu selektieren. Blausäuregehalt und Phosphataneignungsvermögen werden züchterisch verfolgt ebenso der Gehalt an Tanninen, die besonders in Hornklee und Esparsette enthalten sind und den Methanausstoß der Kühe vermindern sollen. Diese Leguminosen sind also sogar im doppelten Sinne Klimaschützer.


Statt Soja

Den großen Bogen der positiven Leistungen der heimischen Eiweißträger schlägt Josef Groß von der Landesanstalt für Landwirtschaft in Bayern. Dort läuft mit Landesmitteln ein Projekt, das die Zielsetzung hat, die Sojaimporte nach Bayern zu verringern. Verschiedene Aspekte sorgen speziell in Bayern dafür, dass die politische Interessenslage so etwas unterstützt. Zum einen landet in Bayern - anders als im Rest der Republik - aufgrund der traditionell milchlastigen Landwirtschaftsstrukturen die Hälfte des Importsoja in den Trögen von Kühen. In der Rinderfütterung ist es aber aus tierphysiologischen Gründen weitaus leichter durch einheimische Eiweißträger oder - noch besser - durch eine höhere Grundfutterleistung zu ersetzen bzw. zu minimieren als bei Schweinen und Geflügel. Zum anderen hat der Widerstand gegen die Gentechnik in Bayern inzwischen Einfluss auf die Landespolitik gewonnen, so dass auch der Aspekt, dass Importsoja meist Gensoja ist, für die Motivation des Projekts eine Rolle spielt. Verschiedene Bausteine in Forschung und Beratung ergänzen sich zu einem Maßnahmenpaket, in dem auch die Ausdehnung und Optimierung des Anbaus heimischer Leguminosen festgeschrieben ist. Ein Ackerbohnenzüchtungsprojekt ist hier angesiedelt, aber auch die Untersuchung und Förderung des heimischen Sojaanbaus. Zwar sind 3.000 Hektar Soja gering im Vergleich von 104. Mio. Hektar weltweit, aber sie setzen Zeichen auch gegen Urwaldzerstörung und Kleinbauernunterdrückung in Südamerika. "Soja soll die Palette bereichern und die Landwirte sind leichter davon zu begeistern, das mal zu probieren als davon, Bohnen und Erbsen anzubauen", sagt Josef Groß, verschweigt aber auch nicht, dass es im Projekt schon zu "Irritationen führe" wenn Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) zur Einkaufstour für gentechnikfreies Soja nach Brasilien fahre. Und der Bauernverband habe auch einen kritischen Blick auf das Ganze, fürchte er sich doch davor, dass eine ganze Branche, die Schweinehalter, die bislang kaum nach Alternativen suchten, dadurch in Misskredit gebracht würden. Es gehe darum, neue Wertschöpfungsketten aufzubauen, so Groß, gebe es einen Markt für eine nicht so intensive Schweineproduktion, käme man mit einer anderen Fütterung zurecht.


Selber machen

Wertschöpfung ist auch das Stichwort für Uwe Brede, (siehe auch Bauernstimme 3/12), der über eine bäuerliche Genossenschaft eine Erhaltungszüchtung für Ackerbohnen etabliert. Er geht von dem Gedanken aus, dass langfristig der ökologische Landbau auch eine eigene ökologische Pflanzenzüchtung braucht, unter anderem weil seiner Ansicht nach das Anpassungsvermögen der Pflanzen an die Umwelt im ökologischen Landbau nicht gegeben ist, wenn sie aus konventionellen Herkünften stammen. Brede ist ein Macher, der versucht, über innovative Ansätze zu neuen Perspektiven zu kommen. Er schält Ackerbohnen, die dann noch besser als Hühnerfutter einsetzbar sind und würde gerne mit den gemahlenen Schalen wieder Ackerbohnensaatgut beizen, um die besonders in der Schale enthaltenen Schutzstoffe wie zum Beispiel Tannine gegen Krankheiten auch an die weniger widerstandsfähige Sorte zu bekommen.


Gemeinsam

Reichen all die guten Ansätze, um den Leguminosen wieder auf den Acker zu verhelfen? In den Diskussionen wurde schnell deutlich: Es geht nur gemeinsam. Züchter, Bauern, aber auch die Politik müssen an einem Strang ziehen. Da darf es auf der politischen Ebene nicht bei wortreichen Absichtsbekundungen bleiben, sondern es müssen Fakten geschaffen werden. Leguminosen müssen ihren Eingang in die EU-Agrarpolitik finden als verbindliches Fruchtfolgeglied. Forschung, Ausbildung und Beratung müssen sich (wieder) mehr mit der Königin des Ackers auseinandersetzen, damit ihre Bedeutung endlich richtig eingeschätzt wird und sich Bauern und Bäuerinnen wieder an den Anbau wagen. Und schließlich muss die Gesellschaft ihren Beitrag leisten, indem sie bereit ist, mehr Geld für den Erhalt und nicht die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen auszugeben.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 355 - Mai 2012, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,30 Euro
Abonnementpreis: 39,60 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2012