Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → ERNÄHRUNG


LANDWIRTSCHAFT/1632: Alternativen zur Agrarindustrie - "artgerecht" oder bio-vegan? (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 383 - Dezember 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Alternativen zur Agrarindustrie: "artgerecht" oder bio-vegan?
Auf dem Weg zum Individuellen Ziel können Zweckbündnisse durchaus hilfreich sein

Von Konstantinos Tsilimekis


Gegen die agrarindustriellen Auswüchse der letzten Jahrzehnte mit ihren verheerenden Folgen für Mensch, Tier und Umwelt formiert sich seit einigen Jahren eine alternative Agrarbewegung, als deren primäres Leitbild eine ökologisch-bäuerliche Landwirtschaft mit "artgerechter" Tierhaltung gilt. innerhalb wie außerhalb dieser Bewegung mehren sich jedoch inzwischen Stimmen, die zu einer bio-veganen, d. h. gänzlich "nutztierlosen" Landwirtschaft aufrufen. In der gegenseitigen Betrachtung werden meist nur die Unterschiede dieser beiden alternativen Agraransätze betont. Wichtiger wäre derzeit hingegen eine Besinnung auf Gemeinsamkeiten und mögliche gemeinsame Ansätze.

Tierethische Sichtweise

Während bei der "artgerechten" Tierhaltung die Tierproduktion und der -konsum nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden, stattdessen immerhin die Art und Weise der Tierhaltung in den Mittelpunkt gerückt wird, greift der bio-vegane Ansatz aus tierethischer Sicht noch tiefer: Da in Ländern wie Deutschland keine tierlichen Produkte mehr für eine vollwertige menschliche Ernährung notwendig sind und da aufgezeigt werden kann, dass eine nachhaltige und ertragreiche Landwirtschaft auch ohne tierliche Düngemittel in vielen Gegenden durchaus möglich ist, wird nicht nur die Tötung von Tieren für die Nahrungsmittelproduktion in Frage gestellt, sondern bereits die kontinuierliche Zucht von Millionen leidensfähiger Lebewesen. Die Frage nach der Art und Weise der Haltung sowie nach weiteren fragwürdigen Begebenheiten, wie z. B. der Tötung männlicher Legehennenküken auch in der Bioproduktion, ergibt sich aus diesem Blickwinkel erst dadurch, dass Tierproduktion und -konsum nicht generell abgelehnt werden.

Die Gemeinsamkeiten betonen

Oft übersehen werden die Gemeinsamkeiten der ökologisch-bäuerlichen und bio-veganen Landwirtschaft. So etwa die Abkehr vom rein gewinn- und produktivitäts- sowie stark exportorientierten Wirtschaften, die Öffnung für alternative Bewirtschaftungsansätze wie z. B. die Solidarische Landwirtschaft, der Kreislaufgedanke nebst Förderung von Bodenfruchtbarkeit und ausgewogenen Fruchtfolgen sowie die faire Erzeugung regionaler, gesunder und ökologisch nachhaltiger Lebensmittel. Doch wie kann abgesehen von diesen Gemeinsamkeiten mit den divergierenden Ansichten bezüglich der Tierproduktion umgegangen werden? Wenngleich auch ernstzunehmende tierethische Bedenken bestehen bleiben, kann eine Landwirtschaft, die bestrebt ist, Tieren zumindest ein möglichst leid- und schmerzfreies Leben zu gewährleisten, auch von konsequenten Tierhaltungsgegnern als eine nicht per se abzulehnende Agraralternative betrachtet werden. Dies umso mehr, als dass sich eine flächendeckende "artgerechte" Tierhaltung nur dann realisieren ließe, wenn der derzeit weit zu hohe Tierkonsum und damit auch die Tierproduktionszahlen drastisch gesenkt würden - eine Erkenntnis, die wiederum auch abseits von Befürworterkreisen einer bio-veganen Landwirtschaft eindringlicher beachtet werden sollte. Für ein gemeinsames Vorgehen gegen die agrarindustriellen Auswüchse der Tierhaltung bietet sich vor diesem Hintergrund vor allem ein Ansatz an: der positiv formulierte Aufruf zu einer stärkeren Berücksichtigung und Förderung pflanzlicher Ernährungsalternativen.

Abschließend

Um das "System Agrarindustrie" zu überwinden, ist es unabdingbar, sämtliche alternativen Kräfte soweit wie möglich zu bündeln und kompakt für gerechte Bedingungen zur Ausbildung unterschiedlicher alternativer Agraransätze einzutreten. Inwieweit dabei letztlich die Tierproduktion und der -konsum unter das jetzt schon gemeinsam festlegbare und anzustrebende Maß sinken werden, bleibt eine offene, dann aber fairer lösbare Frage weiterer gesellschaftlicher Aushandlung tierethischer Gedanken.

Konstantinos Tsilimekis ist Leiter des Wissenschaffsressort der Albert Schweitzer Stiftung

*

Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 383 - Dezember 2014, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,30 Euro
Abonnementpreis: 39,60 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang