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LANDWIRTSCHAFT/1663: Pflügen oder Spritzen? (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 392 - Oktober 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Pflügen oder Spritzen?
Die Diskussionen um Glyphosat reißen nicht ab

Von Claudia Schievelbein


Der Herbizidwirkstoff Glyphosat ist nicht nur überall in der Umwelt, sondern auch in aller Munde. Da es sich dabei um einen bereits seit Jahrzehnten zugelassenen und um den weltweit am häufigsten eingesetzten Wirkstoff im Bereich des chemischen Pflanzenschutzes handelt, gibt es zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zu seinen positiven und negativen Wirkungen. Während offizielle Stellen bislang immer die Harmlosigkeit des Totalherbizids betonten und damit die Chemieindustrie hoffen ließen, einer Neuzulassung, die zum Ende des Jahres 2015 ansteht, stünde nichts im Wege, zitieren Umweltorganisationen seit Jahren die auch vorhandenen kritischen Papiere aus Forscherfedern. Nach und nach scheinen die kritischen Töne auch in offiziellen Stellen anzukommen. Bereits Anfang des Jahres kam die internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation nach wissenschaftlichen Literaturstudien zu der Bewertung, Glyphosat sei als "wahrscheinlich krebserregend" einzustufen. Während der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes Agrar, also der Interessenvertretung der Agrarchemiekonzerne, Volker Koch-Achelpöhler in der agrarzeitung darauf verweist, dass es sich dabei um keine Risikobewertung handele, sondern nur um eine Klassifizierung von Stoffen, die fast immer mindestens ein mögliches, wenn nicht wahrscheinliches, Krebsrisiko bergen, empfiehlt nun auch ein Expertengremium der UN-Agrarbehörde, der FAO, eine Neubewertung von Glyphosat. Diese FAO-Arbeitsgruppe war bislang immer von Glyphosat-Hersteller Monsanto zitiert worden, wenn es darum ging, die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Herbizids als wissenschaftliche Erkenntnis darzustellen. Nun hat die EU-Kommission angesichts des vielen neuerlichen Überprüfungswillens beschlossen, das Neuzulassungsverfahren auf Sommer 2016 zu verschieben. In diesem Zusammenhang fordert ein breites gesellschaftliches Bündnis, dem auch die AbL angehört, unter anderem eine Neugestaltung der Risikobewertung nicht nur für Glyphosat, sondern generell für Pestizide im Zulassungsprozess.

Anwendung von Glyphosat

In einer Studie der Universität Rostock kommt zum Ausdruck, dass in zwei ostdeutschen Landkreisen mit großstrukturiertem, rationalisiertem, auf pflugloser Bewirtschaftung basierendem Ackerbau mehr Glyphosat eingesetzt wird als in zwei westdeutschen Landkreisen mit ebenfalls intensivem Ackerbau, allerdings offenbar mit mehr Pflugeinsatz. Eine Göttinger Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass der Einsatz von Glyphosat weniger von der direkten Betriebsgröße als von der Verfügbarkeit von Arbeitskräften im Ackerbau abhängt. Je weniger Manpower, desto mehr Chemie. Die Frage, die sich auch die EU-Kommission im Zusammenhang mit der Neuzulassung stellen sollte, ist die, inwieweit Glyphosat als fester Bestandteil eines Ackerbausystems zulässig sein kann und darf - aus gesundheitlichen wie auch aus Gründen der gesellschaftlichen Akzeptanz. Systematisches Totspritzen als Stoppelbehandlung oder als Vorerntemaßnahme wird von der Öffentlichkeit kaum toleriert, eigentlich unabhängig davon, zu welcher Bewertung der gesundheitlichen Risiken die offiziellen Stellen kommen werden.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 392 - Oktober 2015, S. 6
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2015

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