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LANDWIRTSCHAFT/1668: Biobranche sieht sich als Leitbild für Umbauprozesse (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 394 - Dezember 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Biobranche sieht sich als Leitbild für Umbauprozesse
Diskussionen über Betriebsstrukturen und deren Erhaltungswert kommen von der Basis

Von Christine Weißenberg


Bio sei eine Nachhaltigkeitsstrategie mit System, die Lösungen für verschiedene drängende Herausforderungen der Landwirtschaft vereine, betonte Bioland-Präsident Jan Plagge auf der Herbsttagung des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Als inhaltlicher Einstieg waren dem Beiträge zur Diskussion über gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft und speziell Tierhaltung vorausgegangen: Professor Harald Grethe, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates Agrarpolitik der Bundesregierung, umriss dabei die Ergebnisse und ausgemachten Handlungsfelder des Gutachtens "Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung". Vor allem stellte er die Notwendigkeit heraus, verschiedene Lösungswege für einen Umbauprozess zu suchen und zu unterstützen, und merkte schmunzelnd an: "Wir haben nicht geschrieben, dass eine Umstellung auf Bio die Lösung ist - wie es in Pressemitteilungen aus der Biobranche dargestellt wurde. Was jedoch drin steht, ist, dass Verfahren aus der biologischen Landwirtschaft oft praktische Verfahrensbeispiele sind. Es ist ein möglicher Weg. Wenn sich allerdings in der gesamten Landwirtschaft etwas ändern soll, dann braucht es noch andere Lösungen, denn der Biomarkt umfasst eben nur einen Bruchteil - auch mit den gesetzten Wachstumszielen. "

Das ist die große Herausforderung für den Ökolandbau und die Entwicklung der Biobranche: Um einen Umbauprozess geht es den Verbänden auch. Seit längerem drängt schon die Frage, was es braucht, damit die Zahl der Betriebsumstellungen auf ökologische Wirtschaftsweise entsprechend des erfolgreichen Umsatzes an der Ladentheke steigt und nicht dahinter zurückbleibt.

Bio light

Mögliche Antworten werden rund um das Strategiepapier Bio 3.0 heftig diskutiert. Ein erster, sehr umstrittener Entwurf zeichnete ein Bild von Bio auf zwei Niveaus, bei dem neben einer Premiumschiene auch eine Schiene mit niedriger Einstiegsschwelle vorgesehen war. Bei letzterer sollten zur Ausnutzung Kosten senkender Rationalisierungisgewinne auch biotechnologische Verfahren bedacht werden und möglich sein können. Mittlerweile geht es in einer neuen Version um eine niedrige Einstiegsschwelle und einen darauf folgenden, nicht näher definierten, kontinuierlichen Entwicklungsprozess bis hin zu einem Premiumlevel. Der mögliche Nutzen biotechnologischer Verfahren soll begleitend diskutiert werden. Um neue Betriebe zu erreichen, rief Plagge zu einem starken Bündnis mit den jetzigen konventionellen Bauern auf, um gemeinsam auch mit dem Bauernverband für politische Signale und eine hohe Planungssicherheit zur Unterstützung des Ökolandbaus zu sorgen. Bei dem starken Wunsch nach weiterem Wachstum wird die Strategiediskussion der Biobranche größtenteils und auch auf der BÖLW-Tagung unabhängig von den Effekten unterschiedlicher Betriebsstrukturen, der sich verschärfenden Konkurrenz untereinander und der treibenden Wirkung von größeren Strukturen und Rationalisierungseffekten geführt.

Strukturfrage ignoriert

Auch von Grethe wurde die Strukturdiskussion explizit als extra Themenbereich eingeordnet, der für ein erhöhtes Tierwohl nur in Extremen eine Rolle spiele - dennoch könne es Sinn machen, auch für diesen Aspekt die gesellschaftliche Präferenz festzustellen. Zumindest zeigt sich eine Sensibilität auf Ebene der Basis; die Biobauern gehen schon seit längerem in die Auseinandersetzung - aktuell z. B. auf der Bundesdelegiertenversammlung von Bioland extrem kontrovers und zur Frustration der Bauern letztlich ergebnislos an Hand des Strategiepapiers Bio 3.0. Im Öko-Junglandwirteforum auf Facebook stoßen Bestandsobergrenzen oder festgelegte Tierbetreuungsschlüssel pro Mitarbeiter auf Zustimmung. Wenn die Biobranche sich als ganzheitliches Nachhaltigkeitssystem versteht, stünde es ihr gut an, die eigene Basis ernst zu nehmen und bei Zukunftsvisionen Modelle zu integrieren, die Strukturen als eigenen Wert und als Potential für betreuungsintensivere, gesellschaftlich erwünschte Qualitäten erhalten.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 394 - Dezember 2015, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2016

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