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LANDWIRTSCHAFT/1765: Erst im Kopf, dann auf dem Acker - Wie gelingt Ackerbau ohne Glyphosat? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 423 - Juli/August 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Erst im Kopf, dann auf dem Acker
Wie gelingt Ackerbau ohne Glyphosat?

von Claudia Schievelbein


Kein Hexenwerk sei es, ohne Glyphosat auszukommen, sagt Matthias Erle, konventioneller Acker- und Schweinebauer auf schweren, südniedersächsischen Böden. "Man darf sich allerdings keine Schluderei erlauben", schließlich habe man kein billiges Reparaturmittel mehr. "Ein guter Landwirt kriegt das hin", konstatiert Erle und verweist auf den integrierten Pflanzenbau. Ganz praktisch grubbert er bei Frost, um die in die Herbstfurche gesäte Zwischenfrucht - "da wächst eigentlich so eine Matte auf, da kommt nichts anderes mehr durch" - vor Mais oder Rüben klein zu kriegen. Die Technik, Grubber und Pflug, müsse gut sein, allerdings habe sich da in den vergangenen Jahren ja auch etwas getan, so Erle. Auch Heinrich Rodenberg, auf schönen Ackerböden in der Hildesheimer Gegend, betont die Bedeutung guter Technik. Als Neuland-Sauenhalter darf er seit zwei Jahren kein Glyphosat mehr einsetzen. Er hält das aus gesundheitlichen Gründen für richtig, wenn es auch ackerbaulich eine Herausforderung ist. Vor allem die Quecke war auf seinem Standort immer ein Problem, das sich erst durch Glyphosat richtig habe lösen lassen. Nun müsse er eben wieder mehr drauf aufpassen, den Anfängen wehren, Ränder grubbern, mehr bearbeiten. Früher hat Rodenberg Rüben im Mulchsaatverfahren angebaut, nun pflügt er wieder. Auch die Stoppelbearbeitung und die Bekämpfung von Ausfallraps bedeuten Bodenbearbeitung, waren aber immer schon unproblematisch. Die Rodenbergs haben mit einem Nachbarn Grubber und Pflug neu angeschafft. "Die arbeiten besser als früher und man kann ganz andere Geschwindigkeiten damit fahren", sagt Rodenberg. "Mit der Sechs-Meter-Maschine fahre ich 15 km/h und schaffe sechs bis sieben Hektar in der Stunde, da bin ich schnell noch mal drüber", sagt auch Gerhard Portz über die Kurzscheibenegge, für ihn wichtiges Ackergerät statt Glyphosat-Spritze. Deutlich wird daran auch das psychologische Moment: Glyphosat ist schnell und-billig, alles was stattdessen kommt, muss mindestens auch schnell sein, um unter ökonomischen Gesichtspunkten halbwegs bestehen zu können. Vor vier, fünf Jahren habe er beschlossen, es müsse Schluss sein mit Glyphosat. Seitdem pflügt und bearbeitet er wieder mehr mit Grubber und Kurzscheibenegge. Dem Raps tue das Pflügen sogar gut, er stehe besser, so Portz, allerdings spiele bei ihm Erosion, die gegen den Pflug sprechen könnte, auf den Flächen keine Rolle. Portz baut im Rheinland Raps, Kartoffeln, Buschbohnen und Getreide an. Der Wechsel von Winter- und Sommerungen, aber auch eine gewisse Gelassenheit und Toleranz - "bei mir stehen auch Kornblumen und Mohn im Getreide, Kraut im Raps" - und vor allem der individuelle Blick auf die Pflanzen lassen ihn entspannt auf seinen glyphosatlosen Anbau blicken. Was er kritisiert, ist die zu geringe Wertschätzung von Ackerfrüchten, die viele Bauern und Bäuerinnen erst in die Abhängigkeit von billigen Rezeptlösungen wie Glyphosat getrieben hat.

Nicht billig

"Es ist ein Rechenexempel", sagt auch Ackerbauer Franz-Joachim Bienstein aus Mecklenburg-Vorpommern. Auch ihm ist die Glyphosatdebatte zu kurz gesprungen. "Wir müssen extensiver werden, Wachstumsregler verbieten, weniger Stickstoff, dann hab ich auch weniger Probleme mit Unkraut und Krankheiten." Glyphosat sei nur Auswuchs eines Systems, das immer billiger Rohstoffe fordere. "Ich könnte es auch 150 bis 200 Euro günstiger auf dem Hektar machen mit Glyphosat", sagt Franjo Dohle aus dem Sauerland in NRW, "will ich aber nicht." Auch er beseitigt den Ausfallraps mit dem Grubber, pflügt, baut mit Mais, Raps, Ackerbohnen und Getreide Winter- und Sommerungen an, sät Zwischenfrüchte und setzt "vielleicht so alle sieben Jahre mal auf einem Stück Glyphosat als Feuerwehrmaßnahme ein". Erosion und Ackerfuchsschwanz sind bei ihm die Themen, die er allerdings generell über ständigen Bewuchs und Fruchtfolge, nicht über Glyphosat als Standardmaßnahme in Schach hält. Glyphosat nicht als Produktionsmittel, als Pflugersatz zu sehen, sei eine entscheidende Herausforderung, die in den Köpfen vieler Bauern und Bäuerinnen stattfinden müsse, sagt auch der landwirtschaftliche Berater Bernd Augustin aus Rheinland-Pfalz. Vor allem bedürfe es eines differenzierten Blickes. Pflugverzicht sei zwar erosionsmindernd, fördere aber auch gerade jene Problemunkräuter wie den Ackerfuchsschwanz. Der Anbau von Sommergerste statt eines Wintergetreides ermögliche dagegen eine 90-prozentige Reduktion des Besatzes mit Ackerfuchsschwanz. Und für Wintergetreide sollte (wieder) gelten: lieber zwei bis drei Wochen später säen, solange das von der individuellen Bodensituation her machbar ist. Das reduziert den Ackerfuchsschwanzbesatz um bis zu 50 %. Der Einsatz von Glyphosat in Stoppeln und das damit verbundene Warten, um Winden und Disteln auflaufen zu lassen, fördere wiederum andere Schadorganismen, Blattläuse, Viren, Nematoden, Mäuse und Schnecken. Der Einsatz auf Stoppeln ist aber bislang in Deutschland der meistgetätigte, Augustin sieht hier das größte Reduktionspotential. Für ihn ist Glyphosat auch nur auf den ersten Blick die billige Alternative, in längerfristigen Gesamtkostenrechnungen kommt schlechter Ackerbau nicht selten teuer zurück. Tatsächlich gibt es Berechnungen des Von-Thünen-Instituts, die von einer nicht zwingenden und wenn doch, überschaubaren Kostenerhöhung auch für reine Mulchsaatbetriebe ausgehen. Pflügen bringe eher mehr Ertragssicherheit, so ihr Fazit, trotzdem schlügen in einer engen Fruchtfolge - Raps, Weizen, Gerste -Mechanik, Arbeitszeit und eventuell Trocknung mit um die 30 Euro pro Hektar und Jahr zu Buche.

Finanziell honorieren

"Wir können uns da auch eine Menge vom Ökolandbau abgucken", sagt Martin Schulz, Neuland-Schweinebauer aus dem sandigen niedersächsischen Wendland. Ganzjährige Bedeckung, dichte Bestände, die Nutzung der richtigen Zeitfenster für die Bearbeitung, auch mal mechanische Maßnahmen sind für ihn neben Fruchtfolge mit Fruchtwechseln die Essentials des guten Ackerbaus. Leider wird das konventionell bislang kaum finanziell honoriert - weder vom Markt noch von einer Politik, die davon zwar redet, aber das Gegenteil tut.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 423 - Juli/August 2018, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2018

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