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MARKT/1664: Milchmarkt - Diese Politik ist dinosauriermäßig (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 318 - Januar 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Diese Politik ist dinosauriermäßig
Anstatt einer Doktrin des Liberalismus nachzuhängen, sollte man den Milchpreis mit neutralen, marktbereinigenden Mitteln stützen

Von Marcus Nürnberger


Zu den aktuellen Entwicklungen auf dem Milchmarkt, den Beschlüssen der Agrarminister sowie den Entscheidungen der EU-Kommission sprach die unabhängige Bauernstimme mit dem Vorsitzenden des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter Romuald Schaber.


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FRAGE: Die Milchpreise sind in den vergangenen Monaten rapide gefallen. Welche Auswirkungen hat das für die Milchbauern?

ROMUALD SCHABER: Seit September, Oktober ist die Situation wirklich dramatisch. Vorher, mit einem Milchgeld von 34 bis 35 Cent hat man zwar kein Geld verdient, aber auch nichts draufgelegt. Da war Stillstand. Die jetzige Situation mit Auszahlungspreisen von 24 bis 25 Cent bei gleichzeitig um sechs bis sieben Cent gestiegenen Kosten ist dagegen absolut existenzbedrohend.

FRAGE: Die Agrarminister haben die Forderungen des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter, entgegen der Absprachen auf dem Milchgipfel, nicht umgesetzt. Stattdessen hat die Landwirtschaftsministerin in Brüssel 300 Mio Euro für die Milchbranche eingeworben. Ein Erfolg?

ROMUALD SCHABER: Ich weiss nicht ob sie das tatsächlich gemacht hat. Der Milchfonds ist auch kein Kind des Bauernverbands, sondern den hat die Kommission ins Gespräch gebracht, um die Abschaffung der Quote zu rechtfertigen. Der Bauernverband wollte lediglich zusätzliches Geld aus Brüssel haben. Dazu ist es aber nicht gekommen. Sondern der Milchfonds muss aus Modulationsmitteln gespeist werden und zusätzlich durch nicht verbrauchte BIP's. Alles zusammen deutsches Geld.

FRAGE: Welche Folgen hätte die unter anderem vom DBV geforderte Investitionsförderung?

ROMUALD SCHABER: Die massive Investitionsförderung würde dazu führen, dass einzelne Betriebe schnell wachsen. Damit würden andere Betriebe rausgekickt. Das ist die Logik. Betriebliches Wachstum findet nicht mehr in Schritten von 10 Kühen, also von 50 auf 60, sondern von 50 auf 100 und von 100 auf 200 statt. Viele Bundesländer sind dazu übergegangen, die Betriebe dahingehend zu pushen, dass sie ihre Bestände verdoppeln.

FRAGE: Welche Probleme sind mit diesem schnellen Wachstum verbunden?

ROMUALD SCHABER: Aus verschiedenen Gründen sehen wir das sehr kritisch. Zum einen sind die Betriebsleiter oft überfordert. Zum zweiten ergeben sich strukturelle Probleme. Damit einer in solch großen Schritten wachsen kann, müssen fünf oder zehn andere aufgeben. Das dritte Problem sind die entstehenden Transportprobleme, weil das Futter von viel weiter herangefahren werden muss, die Gülle wieder zurück. Betriebe, die vorher weitestgehend arrondiert waren, sind plötzlich gezwungen, 20 bis 25 km weit zu fahren, weil in der Nähe keine Fläche verfügbar ist. Unserer Meinung nach zeigen derartige Entwicklungen, dass der Landwirtschaftspolitik derzeit ein ausreichender gesamtwirtschaftlicher Hintergrund fehlt.

FRAGE: Ist eine derartige Förderung derzeit überhaupt sinnvoll?

ROMUALD SCHABER: Wir halten es grundsätzlich für fragwürdig, wenn man in einen Sektor, in dem offensichtlich Überkapazitäten vorhanden sind, nochmal, mit der Brechstange sozusagen, Investitionsmittel rein pumpt. Aus unserer Sicht ist es viel sinnvoller, Perspektiven für die Betriebe zu schaffen. Bei einem vernünftigen Milchpreis können die Betriebe aus eigener Entscheidung heraus Investitionen tätigen.

FRAGE: Wie sollten diese Mittel nach Einschätzung des BDM verwendet werden?

ROMUALD SCHABER: Wir haben da noch keine detaillierte Position dazu. Als ersten Schritt fordern wir, dass dieses Geld für unser Rettungspaket verwendet wird. Zunächst mal, bis geklärt ist, was mit dem Geld eigentlich geschehen soll.

FRAGE: Wie sieht das Rettungspaket aus?

ROMUALD SCHABER: Im Grunde geht es jetzt erstmal um neutrale, marktbereinigende Maßnahmen. Also keine Intervention oder Exportsubventionen. Was zu viel ist muss vom Markt und gleichzeitig muss ein Anreiz geschaffen werden, damit weniger produziert wird. Stichwort: freiwilliger Lieferverzicht gegen finanzielle Anreize. Dabei wäre entscheidend, dass die freiwillig stillgelegten Quoten, also nicht produzierte Menge, aus der Quotenbilanz heraus gerechnet werden. Den Überlieferern dürfen diese Mengen nicht zur Verfügung stehen. Das ist entscheidend.

FRAGE: Wie könnte eine Quotenstilllegung aussehen

ROMUALD SCHABER: Nach unserem Konzept könnten sich die Bauern mehrmals im Jahr melden und beispielsweise sagen: Ich bin bereit, eine bestimmte Menge befristet still zu legen. Der Berechnungszeitraum wäre ein Milchwirtschaftsjahr. Pro Kilogramm gäbe es dann die Summe X, z.B. 10 Cent oder 12 Cent.

FRAGE: Die aktuellen EU-Beschlüsse zielen aber in eine ganz andere Richtung.

ROMUALD SCHABER: Die fünfprozentige Aufstockung ist vollkommen an der Realität vorbei. Wir haben das Gefühl, dass man da einer Doktrin des Liberalismus nachhängt, die im Grunde nicht mehr zu halten ist. Man hat jetzt eine zweimalige Marktanalyse eingebaut. Notwendig wäre eine permanente Marktbeobachtung und eine Flexibilisierung des Systems, anstatt einer von der Politik vorgeschriebenen Aufstockung, um dann irgendwann zu schauen, was passiert ist. Das erinnert sehr an planwirtschaftliche Verhaltensweisen. So kann man keine Politik betreiben, das ist dinosauriermäßig.

FRAGE: Wäre die aktuelle Unterstützung der Milchbauern nötig, wenn man im Sommer den Forderungen des BDM nach einer eigenverantwortlichen Marktregulierung gefolgt wäre?

ROMUALD SCHABER: Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass in diesem Fall jetzt kein staatliches Geld verwendet werden müsste. Wir haben ja zum einen gefordert, die Saldierung einzuschränken und die zwei Prozent Quotenerhöhung nicht auszugeben. Insgesamt hätten unsere Maßnahmen zu einer Mengenreduzierung von fünf Prozent in Deutschland geführt. Was immerhin ein Prozent in Europa bedeutet. Wir haben analysiert, dass ein bis maximal anderthalb Prozent der europäischen Menge uns diese Schwierigkeiten bereiten.

FRAGE: Also kann man davon ausgehen, dass sich der Markt ganz anders entwickelt hätte, wäre man den BDM-Forderungen gefolgt?

ROMUALD SCHABER: Ja. Auch das Rettungspaket ist so angelegt, dass umso mehr Geld gespart werden kann, je schneller und konsequenter die Politik handelt. Das Ganze steht in engem Zusammenhang mit der von uns geforderten Umlage. Je schneller das Gesetz geschaffen wird, damit wir die Umlage selber erheben können und dann freiwillig Quoten stilliegen können, desto schneller sind wir in der Lage, den Milchpreis nach oben zu korrigieren.

FRAGE: Also keine weiteren Förderprogramme mehr?

ROMUALD SCHABER: Wenn wir einen vernünftigen Milchpreis haben, dann reicht es aus, die benachteiligten Gebiete zu fördern. Die Stützung über dieses und jenes kleine Progrämmchen ist dann überflüssig.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Vielen Dank für das Gespräch.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 318 - Januar 2009, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2009