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MARKT/1700: Großställe und Niedrigpreise (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 322 - Mai 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Großställe und Niedrigpreise

Agrarindustrielle Produktion im Schweinesektor


Was seit Jahrzehnten in der Legehennen-, Hähnchen- und Putenhaltung vor sich geht und jetzt in die Akzeptanzkrise gerät, das wiederholt sich derzeit in rasantem Tempo bei der Erzeugung von Ferkeln und Mastschweinen: Agrarindustrielle Investoren und agrarindustrielle Produktionsweisen haben sich bereits eines Großteils des Schweine-Sektors bemächtigt. Die seit Jahren anhaltende Preismisere ist nur ein Ausdruck davon, dass diese Tendenz auch in der Krise vehement weitergeht - mit dem Aufbau neuer Agrarfabriken und Großställe.

Die einseitige Spezialisierung auf die Schweinehaltung und Großbestände ist bereits so weit verbreitet, dass kaum noch Schweineerzeuger zeitweise oder vollständig die Produktion einschränken, um so Platz zu machen für wieder bessere Preise. Wer massiv in Großställe investiert hat, meist mit Fremdkapital, der kann auch gar mcht mehr aufhören oder innehalten. Ob der Schweinezyklus jemals wieder richtig funktionieren wird, ist fraglich. Diejenigen, die jahrelang den "freien Markt" gepriesen haben, verstummen aber auch bei dauerhaften Niedrigpreisen nicht. Sie propagieren weiter Leistungssteigerungen und Kostensenkung zu Lasten von Tieren und Einkommen, Aufteilung von Ferkelerzeugung und Schweinemast zwischen Dänemark und Deutschland, perspektivlose Exportoffensiven, staatliche Exporterstattungen - und wollen dieses Modell gar den Milchbauern schmackhaft machen.


11 Euro Verlust pro Schwein

"In der Schweinemast ist nichts zu verdienen" - so Dr. Frank Greshake von der Landwirtschaftskammer NRW nach Auswertung der Betriebsdaten, auch die Ferkelerzeuger kämen nach zwei schwierigen Jahren derzeit nur "einigermaßen über die Runden". Zwischen 1,42 und 1,52 Euro je kg Schlachtgewicht soll laut ZMP der Durchschnittspreis im Jahr 2009 liegen, bei schwachem Inlandsabsatz, Exportschwäche, Wechselkursschwankungen, zunehmender Konkurrenz durch Geflügelfleisch und anhaltend hohe Kosten für Soja und Mineralfutter. Etwa 11 Euro Verlust pro Schwein machen derzeit die Mäster, die diese Misere wieder auf die Ferkelerzeuger abwälzen werden, die ihre Sauenställe nicht einfach leer machen können.


Expansion trotz Absatzkrise

Fraglich, ob die Kostendegression (vor allem beim Futterbezug) in den neuen Großställen mit 4.000 oder 30.000 Mastschweinen ausreicht, diese Niedrigpreise zu kompensieren, die sie selbst durch Produktionszuwachs mit verursachen. In den USA geraten derzeit selbst Großkonzerne wie Smithfield und Tyson in die Krise, die dort bereits den Großteil des Sektors in Form von Lohnmastverträgen kontrollieren. Was sie nicht hindert, ihre Expansionspläne in den Billigproduktionsländern Polen und Rumänien weiter voran zu treiben.

Riesenställe werden derzeit vor allem in den neuen Bundesländern gebaut, vor allem von Niederländern, die in Holland nicht mehr mit den Umweltauflagen zurecht kommen und dort vom Staat aus dem Sektor herausgekauft werden. Mit Millionensummen, die sie in Ostdeutschland neu anlegen, mit erleichterten Baugenehmigungen auf Standorten bereits verfallener Altanlagen aus der - agrarindustriellen DDR-Vergangenheit, mit Hilfe von Landesregierungen, Schlachtkonzernen und Bauernverband. Auch die großen Schweinehalter aus den norddeutschen Intensivgebieten sind längst an den neuen Standorten präsent. Westdeutsche Ackerbauern, die nicht mehr über die Fläche expandieren können, legen ihr Geld vor Ort im Bau von 4.000er-Ställen an, die groß genug sind für die Anstellung eines Schweinemeisters.


Breite Ablehnung

Widerstand gibt es allerorten, nicht nur gegen Bau und Erweiterung der Riesenställe, sondern auch gegen diese 14.000er-Ställe, vor allem wegen der Geruchsbelastung, die Lebensqualität und Tourismus beeinträchtigt und künftige Stallbauten der Nachbarn unmöglich macht. Aber auch deshalb, weil die Art der Haltung darin weitgehend mit der in den Megaställen identisch und nicht tierartgerecht ist, auch wenn sie Familien vor Ort und nicht Kapital-Holdings gehören. Eine solche Schweinehaltung, die man Schulkindern nicht mehr zeigen mag, die vor Ort auf Widerstand stößt und ganze Dörfer spaltet - eine solche Schweinehaltung kann nicht nachhaltig und zukunftssicher sein.

Die einzige Alternative: Ställe für Neuland, Bio und andere Programme mit artgerechter Haltung, auf Stroh, mit Auslauf, mit heimischer Futtergrundlage ohne Gensoja aus Übersee, ohne Umweltbelastung, auf vielseitigen Bauernhöfen, mit bester Fleischqualität aus verhaltener Mast und mit fairen Preisen für die Bauern bleiben angesagt - für Verbraucher, Agrarpolitik und auch Bauern! (en)


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 322 - Mai 2009, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2009